Landtag

Fühlen sich die Tiere auch wohl? Mit digitaler Technik könnten Krankheiten früher erkannt werden. (Foto: dpa/Jens Büttner)

26.06.2020

Hightech im Schweinestall

Bericht des Landwirtschaftsministeriums über Möglichkeiten und Vorteile der Digitalisierung in der Nutztierhaltung

Mensch, Tier und Umwelt profitieren vom Einzug moderner Technik in die Nutztierhaltung – davon ist man im Landwirtschaftsministerium überzeugt. Deshalb gewährt der Freistaat eine Förderung von bis zu 25 Prozent für Digitalisierungsmaßnahmen. Die Landwirt*innen allerdings sind noch zurückhaltend. Und auch aus den Reihen der Abgeordneten gibt es zum Teil skeptische Töne.

Das bayerische Landwirtschaftsministerium setzt auf die verstärkte Digitalisierung in der Nutztierhaltung. Der Einsatz elektronischer Sensorik und Überwachungssysteme diene dem Wohl von Mensch, Tier und Umwelt, erklärte der Leitende Ministerialrat Anton Dippold im Agrarausschuss. Die Technik mache eine individuellere Betreuung der Tiere gerade in größeren Beständen möglich. Ziel der Staatsregierung sei es, die Chancen der Digitalisierung durch entsprechende Förderung aber auch für bäuerliche Familienbetriebe nutzbar zu machen. „Wir wollen da keine Zweiklassengesellschaft“, betonte er. Es gehe nicht um die Industrialisierung der Landwirtschaft, sondern vor allem um die Unterstützung für kleinere Betriebe. Dafür gewähre der Freistaat eine Förderung von bis zu 25 Prozent.

Der bei der Landesanstalt für Landwirtschaft für Fragen der Digitalisierung zuständige Jan Harms erklärte, die moderne Technik gebe den Tieren im Stall mehr Möglichkeiten, sich frei zu bewegen. Bei Kühen zum Beispiel lasse sich über transpondergesteuerte Fütterung und automatisiertes Melken eine Entkoppelung von den Arbeitszeiten des Menschen erreichen. Das komme den natürlichen Bedürfnissen der Tiere entgegen. Dank moderner Sensorik könne der Landwirt zudem jederzeit auf aktuelle Gesundheitsdaten der Tiere zugreifen und bei sich abzeichnenden Krankheiten schneller eingreifen. Einige Leiden ließen sich so bereits erkennen, bevor diese im Wortsinne augenfällig würden.

Moderne Sensorik erfasst Gesundheitsdaten der Tiere 

Harms hob auch den Nutzen kombinierbarer Daten hervor. Werde zum Beispiel bei einem Tier durch die Sensorik eine Stoffwechselstörung festgestellt, könnten Futtermenge und -zusammensetzung automatisch angepasst werden. Auch ließen sich aus der Zusammenschau von Daten zur Futteraufnahme, zu Bewegungsabläufen und zum Gewicht der Tiere Erkenntnisse zu Tierwohl und -gesundheit ableiten. Bei größeren Beständen empfahl Harms, ein Herdenmanagementprogramm zu nutzen. Dieses füge die Daten der einzelnen Tiere zu einem Überblick über den Zustand des gesamten Bestands zusammen und gebe die Chance, frühzeitig auf Fehlentwicklungen oder Probleme zu reagieren. „Die Digitalisierung trägt eindeutig zur Verbesserung des Tierwohls bei“, stellte Harms fest. Sie sei sowohl in der konventionellen als auch in der biologischen Landwirtschaft einsetzbar.

Voraussetzung für die zielführende Anwendung digitaler Techniken sei die entsprechende Ausbildung der Landwirte, erläuterte Harms. Diese müssten schließlich alle Messdaten am Computer auswerten und dann darauf aufbauende Handlungsentscheidungen treffen. „Die Sensoren helfen, aber man braucht dafür eine gute Ausbildung“, sagte Harms. Auf der einen Seite werde die Arbeit für den Landwirt komplexer, auf der anderen schaffe die Digitalisierung aber auch Freiräume und ermögliche effizienteres Wirtschaften. Hilfreich sei dabei, dass sich am Computer online Unterstützungsangebote abrufen ließen. Laut Dippold ist die Aus- und Weiterbildung für Landwirte inzwischen auf die Möglichkeiten der Digitalisierung ausgelegt. „Wir haben ein ganzes Maßnahmenpaket für gute Informationen“, erklärte er.

Aus den Reihen der Abgeordneten gab es zum Teil skeptische Töne zur fortschreitenden Digitalisierung in der Landwirtschaft. Gisela Sengl (Grüne) warnte davor, die Beziehung vom Bauern zum Tier durch zu viel Technikeinsatz zu gefährden. Je höher der Technisierungsgrad, desto größer könne die Versuchung sein, den persönlichen Augenschein der Bestände zu vernachlässigen. Sengl sah zudem noch Defizite in der Ausbildung. Landwirte müssten in den Stand versetzt werden, die von digitalen Überwachungssystemen gelieferten Daten auch zu verstehen und entsprechend den Erfordernissen auszuwerten. Ungeachtet dessen blieb sie bei ihrer Forderung nach einem Sachkundenachweis für Fremdarbeitskräfte im Stall. Die jüngsten Skandale in großen Milchviehhaltungen hätten ihre Ursachen auch darin gehabt, dass die dort eingesetzten Mitarbeiter nur wenig Ahnung vom Umgang mit Nutztieren gehabt hätten.

Ralf Stadler (AfD) sah in der Digitalisierung den Einstieg in die Industrialisierung der Landwirtschaft. Inzwischen verbringe ein Bauer ein Drittel seiner Arbeitszeit im Büro, meinte er. Es drohe über Generationen überlieferte Erfahrung in der Tierhaltung verloren zu gehen. Nach Ansicht von Christoph Skutella (FDP) sollte moderne Technik den Landwirt bei seiner Arbeit begleiten und unterstützen. Er bemängelte, dass bayernweit erst rund 180 Anträge auf staatliche Förderung bei der Digitalisierung der Nutztierhaltung gestellt worden seien. Man müsse deshalb hinterfragen, ob die Förderbedingungen passend seien.

Bislang gibt es erst rund 180 Förderanträge

Ähnlich äußerte sich Martina Fehlner (SPD). Sie vermutete als einen Grund für die Zurückhaltung der Landwirt*innen, dass die Förderung auf die Anschaffung des digitalen Equipments beschränkt sei, die dafür erforderliche Hardware im Stall aber nicht umfasse.

Für Martin Schöffel (CSU) ist die Digitalisierung eine Chance für die Landwirt*innen, sich intensiver mit der Tierhaltung zu beschäftigen. Dies könne durch die Kombination der Arbeit im Stall und am Computer gelingen. Schöffel sah zudem die Möglichkeit, durch einen umfassenden Datenaustausch mit den Aufsichtsbehörden die Zahl der Betriebskontrollen zu reduzieren. Dies würde sowohl die Landwirte als auch die Prüfer entlasten.

An diesem Punkt gab sich Dippold allerdings zurückhaltend. Den „gläsernen Landwirt“ mit Aussicht auf verlängerte Prüfintervalle könne es nur auf freiwilliger Basis bei einem umfassenden und plausibel abgesicherten Datentransfer zu den Kontrollbehörden geben. Die Erfahrung zeige, dass eine Pflicht zur Datenübermittlung eher abschrecke, die neue Technik anzuwenden. (Jürgen Umlauft)

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