Die bayerischen Laienorchester und -chöre leiden nach zwei Jahren mit Corona-Beschränkungen unter massivem Mitgliederschwund. Vor allem beim Nachwuchs mit Kindern und Jugendlichen habe es regelrechte Einbrüche gegeben, erklärten Verbandsvertreter bei einer Anhörung im Kulturausschuss. Zudem seien mittlerweile viele Rock-Amateurbands von der Bildfläche verschwunden.
In dieser angespannten Lage blicken die Laienmusiker*innen nun mit Sorge auf Inflation und steigende Energiepreise. Von der Politik erbaten sie Hilfe bei der Nachwuchsgewinnung sowie die Einbeziehung in die Entlastungen durch die Gas- und Strompreisbremse.
Der Geschäftsführer des Bayerischen Musikrats, Andreas Horber, nannte einen Mitgliederrückgang von bis zu 20 Prozent. Viele Laienmusizierende hätten während der Proben- und Konzertverbote ihre Instrumente am Dachboden verstaut und seither nicht mehr wieder hervorgeholt. Im Jugendbereich komme „kaum noch etwas nach“. Im Prinzip fehlten zwei komplette Jahrgänge. Joachim Graf, Geschäftsführer beim Allgäu-Schwäbischen Musikbund, sprach von einer „Delle in der Mitgliedstruktur, die erst in den kommenden Jahren voll durchschlagen wird“. Laut Horber sind zudem viele ehrenamtliche Chor- und Orchesterleitungsstellen verwaist. Die ständig wechselnden und oft kaum nachvollziehbaren Corona-Vorgaben hätten das Leitungspersonal „mürbe“ gemacht.
Nach Angaben von Andreas Kleinhenz, dem Geschäftsführer des Nordbayerischen Musikbunds, klagen derzeit 80 Prozent seiner Mitgliedsvereine über fehlenden Nachwuchs. In knapp einem Drittel der Orchester gebe es massiven Mitgliederschwund, der in manchen Fällen schon zur „Nichtspielbarkeit“ führe. Zudem fehlten überall Dirigenten und Ausbilder. Die Probleme hätten sich bereits vor Corona abgezeichnet, die Pandemie habe aber „wie ein Brandbeschleuniger“ gewirkt, sagte Kleinhenz.
Überalterung als Problem
Die Präsidentin des Landesverbands Bayerischer Liebhaberorchester, Frauke Peuker-Hollmann, zeigte sich wegen der „Überalterung der Orchester“ besorgt. Viele Laienensembles bestünden in einzelnen Instrumentengruppen fast nur noch aus Rentner*innen. Dies betreffe vor allem die Streichinstrumente, die bei Jugendlichen „offenbar nicht sonderlich beliebt sind“. Außerdem verwies Peuker-Hollmann auf den wachsenden Kostendruck. Inflation und steigende Energiepreise träfen die Ensembles doppelt. Zum einen wüchsen die eigenen Ausgaben, zum anderen bleibe das Publikum aus, da sich die teurer gewordenen Eintrittskarten nicht mehr leisten könnte. Als weitere Gründe für das Ausbleiben des Publikums wurden in der Anhörung die Furcht vor einer Corona-Ansteckung und die „Entwöhnung“ von Konzertbesuchen während der Lockdowns genannt.
Als besonders dramatisch schilderte Mathias Wagner, der Popularmusikbeauftragte der Oberpfalz, die Lage bei Rock- und Popbands. Viele der Gruppen hätten während Corona „schlicht aufgehört“, ehrenamtlich arbeitende Netzwerke zur Organisation von Proben und Konzerten hätten ihren Betrieb eingestellt. Wo trotzdem Konzerte stattfänden, blieben die Besuchenden weg. Wagner sprach von einem Rückgang von bis zu 75 Prozent. „Es besteht die Gefahr, dass hier eine ganze Kultursparte zusammenbricht“, warnte er. Die Politik dürfe die insgesamt kleine, für die Jugendkultur aber eminent wichtige Pop- und Rockmusikszene nicht aus den Augen verlieren.
Weitgehend einig waren sich die Verbandsvertreter in ihren Vorschlägen an die Politik. Als dringend erforderlich nannte Horber, das Singen und Musizieren in Kitas und Schulen wieder deutlich zu stärken. Es sei bedrückend, dass wegen des aktuellen Pädagogenmangels in diesem Bereich weiter gespart werde. Horber regte an, die an den Berufsfachschulen für Musik ausgebildeten Kräfte vermehrt als externe Helfer in den Schulen einzusetzen. Peuker-Hollmann appellierte vor allem an die Kommunen, Chören und Orchestern kostengünstige Räume zum Proben und für Konzerte zur Verfügung zu stellen.
Um wieder mehr Nachwuchs zu gewinnen, sprachen sich mehrere Fachleute für eine staatliche Unterstützung von Eltern bei den Ausbildungsgebühren für Kinder aus. Vielen Eltern fehle derzeit schlicht das Geld, auch noch steigende Beiträge für den Musikunterricht zu stemmen, erklärte Horber. Um nicht selbst in finanzielle Schieflage zu kommen, könnten die Laienmusikvereine aus eigener Kraft keine Rabatte bei den Ausbildungskosten gewähren. In mehreren Wortbeiträgen wurde zudem eine spürbare Entbürokratisierung im Sinne der Musikvereine gefordert. Der hohe Verwaltungsaufwand schrecke davon ab, Leitungspositionen im Ehrenamt zu übernehmen. (Jürgen Umlauft)
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