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Viele Menschen infizieren sich auf Hochzeitsfeiern mit Covid-19, daher wurde die erlaubte Gästezahl in Bayern reduziert. (Foto: dpa/Alexander Ryumin)

25.09.2020

Hochzeitsfeiern als Superspreader-Events

Nicht mehr Reiserückkehrer, sondern Treffen im familiären und privaten Umfeld treiben die Corona-Infektionen in die Höhe

Ministerialrätin Simone Kohn vom Gesundheitsministerium ist besorgt über die zunehmenden Corona-Neuinfektionen. „Die Zahlen steigen weltweit“, sagte sie bei ihrem Bericht zur aktuellen Pandemie-Situation im Gesundheitsausschuss. Im Sommer habe es noch viele Länder gegeben, die für einen entspannten Urlaub infrage gekommen wären. Jetzt seien große Teile Frankreichs Risikogebiet. Allein am Wochenende sei es dort zu 10 000 Neuinfektionen gekommen. Auch weite Teile Spaniens und die Hauptstädte Wien und Budapest sind laut Kohn stark gefährdet.

In Deutschland lag die Zahl der Neuerkrankungen diese Woche zwar im internationalen Vergleich relativ niedrig. Aktuell sind rund 1800 Personen covid-19-positiv, davon leben gut 450 in Bayern. „Solch hohe Zahlen musste ich allerdings zuletzt im Mai verkünden“, betonte Kohn. Auch Gebiete, die bisher verschont geblieben sind, hätten mit steigenden Zahlen zu kämpfen. Unerwähnt lässt die Ministerialrätin, dass die Positivenrate, also der prozentuale Anteil der positiven Tests an den Tests insgesamt, laut Robert Koch-Institut in Deutschland aktuell niedriger ist als noch Ende Juli oder Anfang August.

„Bayern gehört inzwischen leider zu den betroffensten Gebieten“, erklärte Kohn. Nur in Berlin sei die Sieben-Tage-Inzidenz höher. Seit Beginn der Corona-Pandemie gab es in Bayern insgesamt 65 500 Infizierte, davon hatten 21 000 Erkältungssymptome, 2650 sind verstorben. Aktuell sterben im Freistaat rund zwei Menschen pro Tag an oder mit Corona. Hotspots seien derzeit München, Würzburg, Kaufbeuren und Kulmbach. Solche Kommunen sollen künftig die Maskenpflicht auf öffentliche Plätze ausweiten oder den Verkauf von Alkohol in der Öffentlichkeit einschränken.

Das Durchschnittsalter der Infizierten ist laut Kohn momentan sehr niedrig. Während im März vor allem hochbetagte Personen infiziert waren, seien es jetzt junge Menschen zwischen 15 und 34 Jahren. Auch das Infektionsgeschehen habe sich verändert. Im August hätten vor allem die Reiserückkehrer die Zahlen in die Höhe getrieben – in Rosenheim kamen 80 Prozent der Infizierten aus dem Urlaub. Jetzt seien Treffen im familiären und privaten Umfeld die Hauptursache. „Giftig sind Hochzeiten, da haben wir viele Infektionen“, berichtet Kohn. Manchmal gebe es auch Ausbrüche in Gemeinschaftsunterkünften und ganz selten auch im beruflichen Umfeld. Kitas und Schulen tragen laut Kohn hingegen nicht zur Weiterverbreitung bei – dort gebe es höchstens Einzelfälle. Gleiches gelte für Alten- und Pflegeheime.

"Es bringt ja nichts, wenn Kinder in der Schule Masken tragen und sich dann in den überfüllten Bussen anstecken"

Ausschussvizin Ruth Waldmann (SPD) forderte in der anschließenden Aussprache mehr Busse für den Schülertransport. „Es bringt ja nichts, wenn Kinder Masken tragen und sich dann in den überfüllten Bussen anstecken“, sagte sie. Auch wunderte sich Waldmann, dass Anti-Corona-Maßnahmen immer zentral durch die Staatsregierung angekündigt werden, für die Umsetzung aber dezentral die Kommunen verantwortlich sind. Kohn antwortete, Bürgermeister und Landräte seien „nicht schüchtern, sich zu melden, wenn es ihnen an etwas fehlt“.

Andreas Krahl (Grüne) erinnerte daran, dass wegen des Lockdowns viele medizinische Standardbehandlungen nicht stattfinden konnten. Damit das nicht mehr passiert, wollte er wissen, wie die Staatsregierung die Kliniken auf eine zweite Welle vorbereitet und ob es genügend Fachpersonal gibt. Kohn räumte ein, dass es eine Personalknappheit gebe. „Da sind uns aber die Hände gebunden, weil wir ja Menschen nicht mal schnell mit einem staatlichen Crashkurs zu hochspezialisierten Personen machen können“, sagte sie. Die Staatsregierung habe aber aus der ersten Corona-Phase ihre Lektion gelernt und den öffentlichen Gesundheitsdienst gestärkt. Außerdem gebe es jetzt für stationäre Einrichtungen im Vergleich zum Frühjahr ausreichend Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte. Erste letzte Woche habe Bayern beim Bund noch mal welche bestellt. Nicht zuletzt sei für den Fall der Fälle das Pandemiezentrallager aufgebaut worden. Mittelfristig hoffe man natürlich auf einen Impfstoff.

Der Schwabe Dominik Spitzer (FDP) kritisierte, dass in seiner Heimatregion die Probanden den Corona-Test selbst durchführen müssen. „Ist das ein anerkanntes Verfahren oder gibt es medizinische Vorgaben?“, fragte er. Die gebe es, antwortete Kohn. Das Personal müsse zumindest vorgeschult sein. „Mir wird immer gesagt, wenn es wehtut, wurde der Abstrich richtig gemacht.“ Die Frage, warum die Ansteckungsgefahr an den Schulen so gering ist, kann Kohn Spitzer nicht beantworten. Sie wisse nur, dass sich weit über die Hälfte der Lehrkräfte und viele Schüler*innen nach den Sommerferien haben testen lassen und es lediglich 48 erkrankte Lehrkräfte und 335 erkrankte Kinder gab. In Bayern gibt es 1,65 Millionen Schüler sowie 150 000 Lehrer*innen.

Die AfD sorgte sich um das Personal an den Corona-Teststationen. In der kälteren Jahreszeit würde es in den Zelten sicher ziehen, vermutete deren Abgeordneter Andreas Winhart. Kohn konnte beruhigen: Die Teststationen an den Autobahnen werden jetzt mit Ende der Reisezeit abgebaut. „Die Frage der Winterfestmachung spielt also keine große Rolle.“ Für die mobilen Testzentren in den Kommunen seien die Bürgermeister und Landräte zuständig. „Ich gehe aber davon aus, dass Personal und Patienten, wenn es schneit, adäquat untergebracht sind.“ (David Lohmann)

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