Landtag

23.12.2022

Immer mehr soziale Auffälligkeiten

Die Landtagsgrünen sorgen sich um die verschlechterte psychische Gesundheit von Schulkindern

Schulen üben aus Sicht der Grünen zu viel Druck auf junge Menschen aus. Die Fraktion plädiert dafür, das Übertrittsverfahren an Grundschulen zu ändern, mehr Schulpsycholog*innen einzustellen und Kinder selbst entscheiden zu lassen, wann sie sich prüfen lassen.

Druck, Stress, psychische Erkrankungen: Schüler*innen hatten es schon vor der Pandemie nicht leicht. Jetzt hat sich die Situation weiter verschlechtert. Daher widmete die Grünen-Fraktion dem Thema psychische Gesundheit an Schulen das Webinar Politik & Pausengong.

„Soziale Auffälligkeiten und psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen haben zugenommen“, erklärte Thomas Gehring, Sprecher für lebenslanges Lernen und Lehrkräfte. Auch die schulpolitische Sprecherin Anna Schwamberger bestätigte, dass sich viele Schulkinder belastet fühlen. 

Eine ganze Menge liegt aus Sicht der Grünen im Argen. Da ist zum einen die Schule selbst, die, wie Schwamberger erklärt, krank machen kann. „Gerade im Grundschulbereich erzeugen wir durch das Übertrittsverfahren wahnsinnig viel Druck!“ Darum sollte über ein anderes Bewertungssystem nachgedacht werden. 

Das wäre ganz im Sinne der 15-jährigen Schülerin Amelie. Ihre Kritik: Das Schulsystem sei auf Noten fokussiert. Vor allem unangekündigte Abfragen und Leistungsnachweise verbreiteten „viel Panik“ und machten den Schultag „noch stressiger“. Bei den Grünen rannte sie damit offene Türen ein. „Ich halte die Frage nach einer anderen Leistungskultur für entscheidend“, bestätigte Gehring. „Wir sollten Leistung anders rückmelden als bisher.“ Er sympathisierte zum Beispiel mit einer Art Führerscheinsystem, in dem Schulkinder selbst entscheiden, wann sie sich in einem Fach prüfen lassen.

Schulen sollen praktische Fähigkeiten vermitteln, um mit Konflikten, Stress und Mobbing umzugehen

Darüber hinaus beklagten die Grünen, dass Maßnahmen zur Prävention von psychischen Erkrankungen an Schulen weitgehend fehlen. Laut einer Umfrage der Fraktion wünschten sich drei Viertel der Befragten, dass die Schulen praktische Fähigkeiten vermitteln, mit Konflikten, Stress und Mobbing umzugehen. Zwei Drittel gaben an, dass dies nicht geschehe. Prävention, so Gehring, sei rechtlich gesehen bisher nicht Aufgabe der Schule. „Wir sind überzeugt, dass sie das sein muss!“

Für Schwamberger geht es um nicht weniger als einen „Paradigmenwechsel“: Schulen müssten sich mit den Kliniken zusammenschließen, um wissenschaftlich evaluierte, wirksame Präventionsprogramme durchzuführen. Sie schlug vor, das Unterrichtsfach psychische Erkrankungen einzuführen, statt das Thema im Religionsunterricht zu parken. Auch im Rahmen von Alltagskompetenzwochen könnten entsprechende Präventionsprogramme installiert werden. 

Zugleich drängen die Grünen darauf, die Schulen für Externe zu öffnen – denn so sichere man nicht nur Qualität, sondern spare letztlich auch Lehrerstunden. „Man sollte darüber nachdenken, Psychologen und Psychologinnen an Schulen zu holen, statt die Arbeit auf die Schulpsychologen und Lehrkräfte allein abzuwälzen“, sagte Schwamberger.

Dass es fast unmöglich ist, für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche zeitnah ambulante oder stationäre Hilfe zu bekommen, erschwert die Situation vielerorts erheblich. Laut Schwamberger liegt das auch daran, dass Studienplätze für Kinder- und Jugendpsychiater*innen fehlen. Auch in der Ausbildung der Lehrkräfte muss sich nach Meinung der Grünen etwas ändern: Das Thema sei bislang nur äußerst stiefmütterlich behandelt worden. „Lehrkräfte sollten wissen, wie sie mit einer depressiven Schülerin umgehen müssen. Darum muss das Thema im Studium und im Referendariat Pflicht sein.“

Christina Pauli von der Uni München erinnerte daran, dass sich die psychische Belastung der Schulkinder auch auf die Gesundheit der Lehrkräfte auswirkt. „Wir als Grundschullehrer sind völlig überfordert von der Situation, auch von der Inklusion. In Klassen von 29 Kindern kann man keinem Kind mehr gerecht werden. An der Ausbildung fehlt es auch.“ Sie sprach von einem Teufelskreis: „Die Kinder werden immer auffälliger, die Lehrkräfte sind überfordert und können nicht mehr auf die Schüler und Schülerinnen eingehen.“ Die ideale Lösung für sie? Ein Zwei-Pädagogen-System. Angesichts des allgemeinen Lehrkräftemangels nicht einfach zu realisieren. 

Die Schülerin Amelie drängte im Webinar auf schnelles Handeln. Verständlich, die nächste unangekündigte Ausfrage kann ja jederzeit kommen. Schwamberger musste sie in diesem Punkt enttäuschen. Selbst wenn die Grünen in der Landesregierung wären: Es würde lange dauern, bis sich etwas ändert. „Politik ist ein langatmiger Prozess, man muss sehr geduldig sein.“ Sie ermunterte Amelie aber, selbst aktiv zu werden. „Manchmal ist das der schnellere Weg.“ (Monika Goetsch)

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