Vor einem Jahr beschloss die Staatsregierung in St. Quirin das Konzept „Sicherheit durch Stärke“. Darin war unter anderem der Ausbau der Videoüberwachung an Bahnhöfen und in Zügen vorgesehen. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hakte jetzt nach: Wie viele S-Bahn-Stationen werden in Bayern derzeit videoüberwacht? In der Antwort der Staatsregierung erkennt der Abgeordnete „eine gewaltige Lücke zwischen Ankündigung und Wirklichkeit“: In den letzten zwölf Monaten wurde kein einziger weiterer S-Bahnhof mit Videoüberwachung ausgestattet. Dabei hatte Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) bereits vor drei Jahren angekündigt, „die Videoüberwachung im öffentlichen Personenverkehr noch weiter auszubauen“.
Aktuell werden in München 58 der 150 S-Bahn-Stationen videoüberwacht. Die in Rinderspachers Anfrage von 2016 angekündigte Videoüberwachung der Bahnhöfe Moosach und Unterschleißheim ist weiterhin nur im Planungsprozess. Darüber hinaus sei im Gegensatz zu anderen Städten (siehe Infokasten) kein weiterer Ausbau geplant, heißt es in der Antwort. In Nürnberg werden derzeit von 67 Bahnhöfen lediglich zwei videoüberwacht: der Hauptbahnhof und die S-Bahnhaltestelle Frankenstadion. Auch in Nürnberg sei kein flächendeckender Ausbau der Videoüberwachung vorgesehen. In den U-Bahnhöfen in München und Nürnberg sind hingegen alle Stationen videoüberwacht.
In Nürnberg fahren auf der Linie S2 noch Züge ohne Videoüberwachung
Während in München bereits alle S-Bahnzüge mit Videokameras ausgestattet sind, fahren in Nürnberg auf der Linie S2 noch Züge ohne Videoüberwachung. „Sie werden jedoch im Zuge der Neuvergabe des Nürnberger S-Bahnnetzes ab Dezember 2018 sukzessive durch Neufahrzeuge ersetzt, die mit Videokameras ausgestattet sein werden“, heißt es in der Antwort. Jeweils zehn pro S-Bahn sollen es sein. Die Regionalzüge nach Stuttgart werden bis 2020, nach Regensburg bis 2021, nach Würzburg bis 2022 und nach Bayreuth/Hof/Weiden/Schwandorf bis 2023 nachgerüstet, so das Ministerium.
Wie viele Straftaten nach deren Entdeckung mittels Videoüberwachung gestoppt werden konnten, kann das Verkehrsministerium nicht sagen. „Die Zahl der Straftaten an polizeilich videoüberwachten Örtlichkeiten weist im Allgemeinen eine rückläufige Tendenz auf“, heißt es in der Antwort schwammig. Zudem könne durch die Aufnahmen der Täter besser identifiziert werden. Am Nürnberger „Königstor“ war die Aufklärungsquote im Jahr 2015 laut Innenministerium zum Beispiel mit 70,8 Prozent über fünf Prozent höher als im übrigen Stadtgebiet. Mit entsprechender Presseberichterstattung könne das einen „präventiven Effekt“ haben, glaubt die Staatsregierung.
Eine flächendeckende Überwachung öffentlicher Räume lehnt das Innenministerium ab. Daher sei auch keine Kostenaufstellung für eine flächendeckende Videoüberwachung aller S-Bahnhöfe möglich, wie sie SPD-Chef Rinderspacher forderte. „Wie die Erfahrungen gezeigt haben, kann das Instrument der Videoüberwachung in ausgewählten öffentlichen Bereichen an Kriminalitätsschwerpunkten [...] wirkungsvoll eingesetzt werden“, heißt es in der Antwort.
„Das CSU-Sicherheitskonzept von St. Quirin, das den Ausbau von Videoüberwachung an Bahnhöfen in München vorsieht, ist nichts als Schall und Rauch“, kommentiert Rinderspacher die Antwort der Staatsregierung. Schon nach dem Tod von Dominik Brunner am S-Bahnhof Solln sei eine flächendeckende Videoüberwachung an den S-Bahnstationen in München versprochen worden. „Für einen angeblichen schwarzen Sheriff, der Bundesinnenminister werden will“, sagt Rinderspacher in Richtung Innenminister Herrmann, „ist das ein vernichtendes Bewerbungszeugnis.“
(David Lohmann)
INFO: Videoüberwachung in deutschen Zügen und Bahnhöfen
Deutsche Bahn und Bund investieren in den nächsten sechs Jahren 36 Millionen Euro in die Videoüberwachung an deutschen Bahnhöfen.
Berlin: Die S-Bahn Berlin will die Videoüberwachung in den 500 Viertelzügen mit einem 250-Millionen-Programm ausbauen. Neue Züge sollen von 2021 an mit 360-Grad-Kameras ausgestattet sein. U-Bahnen und die meisten Straßenbahnen sind bereits mit Kameras ausgestattet.
Hamburg: Die S-Bahn Hamburg hat bereits 2008 sämtliche Züge und Bahnhöfe videoüberwacht. Hinzu kommen 1520 Videokameras in U-Bahnen, 5805 in Bussen und 1056 in U-Bahn-Haltestellen.
Köln: Die S-Bahn Köln entschied sich 2014, in den 63 Zügen 882 Kameras zu installieren. Von den S-Bahn-Stationen werden nur wenige videoüberwacht. Die U-Bahn-Stationen sind wie die 370 Stadtbahnen und 260 Busse mit Kameras ausgestattet.
Stuttgart: Im Raum Stuttgart sind alle S-Bahn-Züge und S-Bahn-Stationen mit Kameras ausgestattet. Auch die Stadtbahnen und Busse verfügen ohne Ausnahme über Kameras.
Rhein-Main: Zwischen 2013 und 2016 wurden alle Triebwagen der Baureihe 423 mit Überwachungskameras modernisiert, um sie auf den Stand der Nachfolgebaureihe zu bringen. Bahnhöfe werden nur an Kriminalitätsschwerpunkten überwacht.
Rhein-Ruhr: An Rhein und Ruhr sowie im Münsterland ist die Hälfte aller Züge mit Kameras ausgestattet, 2019 sollen es alle sein. (loh)
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