Landtag

14.12.2018

Kummer mit den Kümmerern

Die Beauftragten der Staatsregierung sollen Ansprechpartner für die Bürger sein – die Opposition sieht durch sie die Gewaltenteilung in Gefahr

Verwischen mit den Beauftragten der Staatsregierung die Grenzen von Legislative zu Exekutive? Ja, meinten die Freien Wähler vor der Landtagswahl. Ein Gesetzentwurf der schwarz-orangen Regierungskoalition soll daher jetzt die Kompetenzen und Arbeitsausstattung regeln. Die Opposition sieht die Gewaltenteilung dennoch in Gefahr – und kritisiert die Gesamtkosten von drei Millionen Euro.

Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern hat als erste Amtshandlung einen Gesetzentwurf zur Festlegung der Kompetenzen und Arbeitsausstattung der neuen Regierungsbeauftragten in den Landtag eingebracht. Dieser war Voraussetzung dafür, dass sich auch die Freien Wähler hinter die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach seinem Amtsantritt im April eingeführten Posten stellen konnten. Aus der Opposition heraus hatten die Freien Wähler noch kurz vor der Landtagswahl Verfassungsklage gegen die Beauftragten eingereicht. Wegen der Besetzung der Stellen ausschließlich mit Abgeordneten der CSU sahen sie die Grenzen von Legislative zu Exekutive unzulässig verwischt. Die Klage soll nun umgehend zurückgezogen werden.

Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) erklärte bei der Ersten Lesung, mit diesem „kleinen, aber feinen Gesetz“ werde für die Beauftragten „absolute Rechtssicherheit“ geschaffen. „Die Beauftragten haben sich als Berater der Staatsregierung und als Kümmerer für die Bürger bewährt und sind insofern eine wichtige Schnittstelle“, hob Herrmann hervor. Sie erarbeiten nicht nur Vorschläge für die politische Arbeit, sondern übten als Ansprechpartner für die Bürger eine „wichtige Scharnierfunktion“ aus. Herrmann verwies darauf, dass das Gesetz auch die Ausstattung der Beauftragten reduziere. So sinke die monatliche Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit von 3000 auf 2000 Euro. Der Anspruch auf einen Dienstwagen werde durch Nutzung der ministeriellen Fahrbereitschaft ersetzt, die Personal- und Sachausstattung der Geschäftsstellen „auf das Notwendigste beschränkt“.

Ergänzend zu der schon seit mehreren Jahrzehnten tätigen, inzwischen hauptamtlichen Behindertenbeauftragten und den in der Regierungszeit von Horst Seehofer (CSU) eingeführten Integrations-, Entbürokratisierungs- sowie Pflege- und Patientenbeauftragten schuf Söder zunächst fünf weitere Posten. Es handelte sich um den Bürger-, den Ehrenamts- und den Antisemitismusbeauftragten sowie die Beauftragten für Aussiedler und Vertriebe und für die Belange der staatlichen Beteiligungen. Letzterer, der CSU-Abgeordnete Ernst Weidenbusch, legte sein Amt kurz nach der Landtagswahl nieder. Die Stelle wurde nicht nachbesetzt. Das neue Gesetz beschränkt die Zahl der Beauftragten daher auf sieben. Nicht mitgerechnet ist die Behindertenbeauftragte, die seit jeher auf eigener gesetzlicher Grundlage agiert.

Die Opposition sprach sich in der Debatte gegen die neuen Beauftragten aus. „Wenn die Staatsregierung der Meinung ist, dass sie selbst zu wenig Sachverstand hat und sich deshalb externer Beraterinnen und Berater bedienen muss, dann möchte ich gar nicht widersprechen“, spottete Toni Schuberl (Grüne). Vor allem in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz sehe er intensiven Beratungsbedarf. Kritisch werde es aber, wenn diese Experten ausschließlich unter den Mitgliedern der Regierungsfraktionen gefunden würden. Dies sei wegen der von der Verfassung vorgeschriebenen Gewaltenteilung bedenklich, erklärte Schuberl. Offenbar wolle der Ministerpräsident „mit dem Geld des Volkes die Vertreter des Volkes kaufen, durch die er eigentlich kontrolliert werden sollte“. Als Minister, Staatssekretäre und Beauftragte seien künftig 25 Abgeordnete von CSU und Freien Wählern direkt vom Ministerpräsidenten abhängig. „Diesem verfassungswidrigen Zugriff werden die Grünen nicht zustimmen“, betonte Schuberl.

Externe Berater, weil die Staatsregierung selbst zu wenig Sachverstand hat?

Auch Richard Graupner (AfD) sah die Gewaltenteilung aufgehoben, wenn der Legislative zugehörige Abgeordnete „in den Dienst der Exekutive gestellt“ würden. Hier würden Grenzen unzulässig verwischt und die Kontrollaufgaben der Abgeordneten infrage gestellt. Graupner sah in den Beauftragten ein „unnötiges Aufblähen“ von Verwaltungsstrukturen und eine Zusatzversorgung, die vom Wohlwollen der Staatsregierung abhängig sei. „Mit diesem System der Verfilzung werden die Regierungsfraktionen immer mehr zum verlängerten Arm der Staatsregierung, anstatt Teil der parlamentarischen Kontrolle zu sein“, urteilte Graupner.

Hart ins Gericht ging Alexandra Hiersemann (SPD) mit den Freien Wählern. „Der Gesetzentwurf ist ein Lehrstück dafür, was passieren kann, wenn eine Fraktion vor lauter Freude an der Macht plötzlich ihre bisherigen Grundsätze in den Papierkorb wirft“, sagte sie mit Blick auf die neuen FW-Beauftragten Eva Gottstein (Ehrenamt) und Peter Bauer (Pflege/Patienten). Hiersemann hielt die Beauftragten für überflüssig, da jeder Abgeordnete, der sein Mandat ernst nehme, automatisch Bürgerbeauftragter sei. Letzten Endes seien die neuen Regierungsbeauftragten „klangvolle Pseudotitel“, mit denen aber „Abgeordnete unterschiedlichen Ranges“ geschaffen würden. Hiersemann kritisierte auch die jährlichen Gesamtkosten von gut drei Millionen Euro. „Darüber würden sich die wirklich Ehrenamtlichen im Land sehr freuen.“

Der FDP-Abgeordnete Alexander Muthmann, der vor einem Jahr von den Freien Wählern zu den Liberalen gewechselt war, kritisierte seine ehemaligen Kollegen heftig. Diese würden „Überzeugungen gegen Posten tauschen“. Er sei ernüchtert, dass aus dem Kreis der Freien Wähler niemand gegen diese „unglaubwürdige, unehrliche und unanständige Politik“ aufstehe. Den verfassungsrechtlichen Bedenken der anderen Oppositionsfraktionen schloss sich Muthmann an. „Die FDP will den schlanken Staat und keine unnötigen Stellen und Pöstchen“, bilanzierte er.

Für die Freien Wähler wies Alexander Hold die Vorwürfe zurück und verteidigte die Amtsinhaber. Die Posten der Beauftragten seien von „ausgesuchten Fachleuten“ mit jahrelanger Erfahrung im jeweiligen Bereich besetzt. Den Meinungswandel bei den Freien Wählern bezüglich der Beauftragten begründete Hold damit, dass nun alle in der Verfassungsklage geäußerten Bedenken ausgeräumt seien. So werde eine gesetzliche Grundlage für die Beauftragten geschaffen, die sie alle zwei Jahre zu einem Rechenschaftsbericht gegenüber dem Landtag verpflichte. Außerdem werde ihre Anzahl auf sieben begrenzt, was eine beliebig große Zahl an Berufungen verhindere. Und schließlich schaffe das Gesetz eine Deckelung bei Ausstattung und Entschädigung. Der CSU-Abgeordnete Tobias Reiß ergänzte, die Beauftragten seien mehr als Experten oder Berater, sie seien „Kümmerer für die Bürger“. Dass die Posten mit Abgeordneten besetzt würden, sei daher folgerichtig. Die hohe Zahl der Bürgeranfragen belege, wie notwendig und gleichzeitig akzeptiert die Regierungsbeauftragten seien. (Jürgen Umlauft)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.