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Aus der Psychiatrie entlassen wird, wer als geheilt gilt. Trotzdem soll zukünftig die Polizei über die Entlassung informiert werden. (Foto: dpa)

27.04.2018

Meldepflicht als Unterbringungsdatei-Ersatz?

Expertenanhörung zum Gesetzentwurf für ein Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz

Selten führte ein Gesetzentwurf zu so einem großen Aufruhr in der Öffentlichkeit wie der für das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG). Kritiker bemängelten, dieser würde psychisch Kranke unter Generalverdacht stellen und der Polizei Einsicht in Patientendaten ermöglichen. Die Staatsregierung betonte, er sei maßgeschneidert auf einen kleinen Teil psychisch kranker Menschen, die sich oder andere konkret gefährden. In einer gemeinsamen Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses wurde gemeinsam mit Experten diskutiert, ob Änderungen an dem Entwurf nötig sind. Fazit: ja, sehr viele.

Das geplante BayPsychKHG ist in zwei Teile aufgegliedert. Im ersten geht es darum, die Hilfe für psychisch Kranke zu verbessern, um eine Unterbringung zu vermeiden. Wichtigster Baustein dabei ist die landesweite Einführung von Krisendiensten. Das wurde in der Anhörung von allen Seiten begrüßt. „Dadurch können wir wohnortnahe Angebote schaffen und zum Beispiel Krisentelefone einrichten“, sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer. „Großartig“ nannte es Peter Brieger, ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums München-Ost, dass die Krisendienste in die Regelversorgung aufgenommen werden sollen. Lediglich die Bereitstellung von Krisendiensten in Justizvollzugsanstalten sei unrealistisch. Karl Heinz Möhrmann, Vorsitzender des bayerischen Landesverbands der Angehörigen psychisch Kranker, wünschte sich mehr konkrete Maßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen sowie für die besondere Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Uneinig waren sich die Experten, ob die Polizei verpflichtend bei jeder Unterbringung eines psychisch Kranken den Krisendienst hinzurufen muss.

Besonders strittig war der zweite Teil des BayPsychKHG, der die Unterbringung von psychisch Kranken regelt. In einer Unterbringungsdatei sollten die Daten von allen auf Anordnung eines Gerichts in die Psychiatrie eingewiesenen Menschen gespeichert werden. Parallel zur Expertenanhörung kündigte die Staatsregierung allerdings an, diese ersatzlos zu streichen (siehe Infokasten). Weiterhin bestehen bleiben soll jedoch die Meldepflicht an die Polizei, wenn psychisch Kranke entlassen werden. „Das darf nicht zum Ersatz für die Unterbringungsdatei werden“, sagte Celia Wenk-Wolff vom bayerischen Bezirketag. Die Meldepflicht gehe aufgrund der wenigen gefährlichen Einzelfälle sowieso an der Realität vorbei, meinte Oliver Pogarell vom Klinikum der Universität München. Auch Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri mahnte, „die Meldepflichten unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nochmal in den Blick zu nehmen“. Oliver Etges vom Münchner Polizeipräsidium forderte hingegen, die geplante Meldepflicht beizubehalten. Nur so könne die Polizei prüfen, ob nach der Entlassung – vor allem von sogenannten Fremdgefährdern – weitere Schutzmaßnahmen nötig sind.

"Die Meldepflicht geht an der Realität vorbei"

Ein weiterer Kritikpunkt war, ab wann Personen eingewiesen werden können. Davor Stubican vom Paritätischen Wohlfahrtsverband störte sich insbesondere an dem schwammigen Begriff „Gefährdung des Allgemeinwohls“ im Gesetzentwurf. „Dadurch wird der Personenkreis massiv ausgeweitet“, sagte er. Das gebe es sonst in keinem anderen PsychKHG in Deutschland. Peter Falkai, Direktor der Psychiatrischen Klinik der Universität München, mahnte, die Grenze genauer zu definieren. Nur so könne im Nachhinein rekonstruiert werden, warum eine Unterbringung stattgefunden hat. Bezirkstagspräsident Mederer sagte zum Schluss: „Helfen heißt heilen, nicht unterbringen und wegsperren.“ Damit dürfte er den meisten Experten und den zahlreichen Ausschussbesuchern aus der Seele gesprochen haben. (David Lohmann)

INFO: Geplante Änderungen am Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz
Selbst in der CSU-Fraktion regte sich Unmut, als die Staatsregierung ausgerechnet während der Expertenanhörung zum PsychKHG eine Pressekonferenz zu den geplanten Änderungen gab.
Das Bayerische Kabinett kündigte an, auf die Unterbringungsdatei vollständig zu verzichten, um „das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu bewahren“. Auch die Sprache des Gesetzes soll den Belangen der psychisch Kranken besser Rechnung tragen. Die Verweisungen vom Maßregelvollzugsgesetz in das PsychKHG sollen gestrichen werden, die bisherigen Besuchskommissionen werden fortgeführt. Das ist eine Abordnung, die Kliniken einmal im Jahr unangekündigt überprüft. Außerdem soll der Dialog über die jetzigen Empfehlungen hinaus weitergeführt werden.

Die CSU-Fraktion kündigte zur selben Zeit an, viele Änderungsanträge zum PsychKHG einzubringen. Zum einen solle das Ziel der Heilung von Patienten denselben Stellenwert bekommen wie die Gefahrenabwehr. Zweitens werde das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz parallel zum PsychKHG bestehen bleiben. Die Einführung von Untersuchungsbeiräten soll gestrichen und stattdessen die bestehenden Besuchskommissionen weiterentwickelt werden. Auch eine doppelte Aktenführung für Kliniken und Polizei werde es nicht geben, wenn die zentrale Unterbringungsdatei abgeschafft wurde.

SPD, Freie Wähler und Grüne feierten das Einlenken von CSU-Staatsregierung und CSU-Fraktion unisono als großen Erfolg. Jetzt werde man darüber wachen, dass den Ankündigungen auch Taten folgten. (loh)

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