Landtag

Patrouillieren verstärkt in Städten: Neonazis. (Foto: dpa/Daniel Schäfer)

17.05.2019

Neonazis auf Streife

Die Grünen präsentieren ein Lagebild zu den Gefahren von rechts – mit alarmierenden Zahlen

Es ist ein Trend, der beunruhigt: Selbst ernannte Bürgerwehren machen nicht nur im Netz, sondern auch auf der Straße verstärkt Stimmung gegen Geflüchtete und Ausländer. Neonazis gehen in Bayerns Städten auf Streife, patrouillieren vor Asylunterkünften. Von 28 solcher Patrouillen im Jahr 2018 wissen Bayerns Sicherheitsbehörden. Das sind doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein.

Und das ist nicht die einzige alarmierende Zahl des Lageberichts zu Antisemitismus und Rechtsextremismus, den der Grüne Cemal Bozoglu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus, diese Woche vorstellte. Die Daten basieren auf den Antworten der Staatsregierung auf über ein Dutzend seiner schriftlichen Anfragen. Eine der Erkenntnisse: Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten ging laut Innenministerium zwar binnen Jahresfrist von 1897 auf 1771 zurück, die Zahl antisemitischer Straftaten nahm jedoch von 148 auf 219 zu. 90 Prozent davon werden der rechten Szene zugerechnet. Und auch die Zahl der untergetauchten Neonazis stieg an. 81 mit einem Haftbefehl gesuchte Rechtsextremisten entziehen sich aktuell der Festnahme.

81 untergetauchte Neonazis, darunter einige Gewalttäter

„Unter den Gesuchten befinden sich schwerste Gewalttäter“, erklären die Grünen. Sie führten ein „Halbwelt-Dasein“ und stellten eine ernstzunehmende Gefahr dar. „Das wissen wir spätestens seit der Enttarnung des NSU.“

Dass Erkenntnisse aus dem NSU-Komplex zu wenig in Bayerns Sicherheitsapparat eingeflossen seien, ist einer der Kritikpunkte des Grünen Bozoglu. „In Bayern gibt es zum Beispiel drei auf antisemitische Straftaten spezialisierte Staatsanwälte“, lobt er. Entsprechende Spezialstellen fordert er aber auch für die Polizei. Und für weitere Bereiche von Hass-Kriminalität.

Auch im bestehenden Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus sieht Bozoglu Defizite. Es sei unzureichend, müsse überarbeitet und breiter gefasst werden. Eine seiner Forderungen: kommunale und zivilgesellschaftliche Akteure einzubeziehen. Eine andere: den Ermittlungs- und Fahndungsdruck auf die rechte Szene zu erhöhen. Da liefe noch einiges schief, so Bozoglu. Als im Allgäu zum Beispiel Hitlerverehrer sich an dessen Geburtstag trafen, sei die Reaktion der örtlichen Polizei gewesen: „Ach, lass die Jungs mal feiern.“ Dazu kommt: Nur 45 Prozent der fremdenfeindlichen Straftaten wurden 2018 aufgeklärt. Zum Vergleich: Die allgemeine Aufklärungsquote lag in Bayern 2018 bei 66,7 Prozent.

Angriffe auf Flüchtlinge, Flüchtlingshelfer und Unterkünfte nahmen im Vergleich zu den beiden Vorjahren signifikant ab, blieben aber – gemessen an den gesunkenen Flüchtlingszahlen – hoch. 13 fremdenfeindliche Übergriffe auf Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkünfte hat die Polizei im vergangenen Jahr registriert. In sechs Fällen kam es zu einer gefährlichen Körperverletzung. Und auch sieben Flüchtlingshelferinnen und -helfer wurden Opfer rechtsextremistisch motivierter Straftaten – meist Beleidigungen und Bedrohungen.

Auffallend: Einschüchterungs- und Bedrohungsversuche nahmen im vergangenen Jahr insgesamt zu – ihre Zahl stieg 2018 mit 44 Fällen auf ein Rekord-Niveau. Neben Flüchtlingen und Flüchtlingshelfern waren dabei vor allem Amts- und Mandatsträger im Visier der Rechten. Aber nicht immer blieb es bei Drohungen. „Aktionen gegen Büros von Abgeordneten sind keine Ausnahme mehr“, sagt Bozoglu. Sachbeschädigungen gab es auch. Und ebenfalls ein Trend: Neurechte Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung erhalten Zulauf – und sind laut Bozoglu personell mit bayerischen AfD-Vertretern verflochten.

Bozoglus Fazit: Nur mit dem Dreiklang „Informationen sammeln, Maßnahmen weiterentwickeln und Präventionsarbeit ausbauen“ könne angemessen auf den Rechtsextremismus reagiert werden, „eine der größten Herausforderungen und Gefahren für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft“. Fünf rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten im Schnitt an jedem Tag in Bayern zeigten deutlich: „Das Handlungskonzept der CSU muss an die Realitäten angepasst werden.“ (Angelika Kahl)

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