Seit Rot-Grün-Gelb im Bund regiert, stürzt die FDP ab. Zuletzt flog sie bei drei Wahlen aus den jeweiligen Landtagen. In Bayern rangieren die Liberalen zwischen 3 und 4 Prozent. Keine gute Ausgangsbasis für die Landtagswahl, die im Oktober stattfindet.
BSZ: Herr Hagen, die Ampel hat Ihrer Partei kein Glück gebracht. Es geht nur noch abwärts. Wie kommt’s?
Martin Hagen: Für den Koalitionsvertrag und die darin vereinbarten Fortschrittsprojekte haben wir sehr viel Zustimmung erfahren. Das rückte in den Hintergrund, als sich die Ampel nach dem schrecklichen Krieg in der Ukraine hauptsächlich ums Krisenmanagement kümmern musste. Ich denke, das Krisenmanagement der Ampel lief gut, aber das fällt im Moment eben noch nicht auf die FDP zurück. Jetzt heißt es: Liberale Projekte im Bund umsetzen und in den Ländern weiter gute Arbeit leisten.
BSZ: Wer macht es Ihnen in Berlin schwerer: die SPD oder die Grünen?
Hagen: Wir erleben die SPD als sehr fairen Koalitionspartner – fairer, als es die CDU unter Merkel war. Bei den Grünen ärgert mich, dass sie immer wieder Themen aufmachen, die man eigentlich im Koalitionsvertrag ausgeschlossen hatte. Und zwar vom ersten Tag an. Seien es höhere Steuern, sei es das Tempolimit. Das macht natürlich das Regieren etwas mühsam. Und es vermittelt den Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck, dass viel gestritten wird.
BSZ: Im Oktober wird in Bayern gewählt, für Ihre Partei sieht es verheerend aus. Viele Leute, die die FDP eigentlich gut finden, sagen sich, warum soll ich eine Partei wählen, die eh nicht in den Landtag kommt, da ist meine Stimme verloren.
Hagen: Ich gehe davon aus, dass wir vor der Wahl deutlich besser liegen als momentan – dann stellt sich diese Frage für die Wählerinnen und Wähler nicht. Die aktuell schlechten Umfrageergebnisse sind ja stark geprägt von der Niederlage bei der Berlin-Wahl. Hinzu kommt: Es wird in den Medien noch kaum über Landespolitik geredet. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Umfragen stark ändern, wenn der Fokus auf Bayern gelegt wird.
"Um uns FDP-Abgeordnete muss sich niemand Sorgen machen, wir haben alle etwas Ordentliches gelernt"
BSZ: Wieso redet man nicht über Landespolitik? Müsste nicht auch die CSU daran interessiert sein?
Hagen: Die CSU hat kein Interesse, über Landespolitik zu sprechen, weil dann ihre schlechte Bilanz sichtbar würde. Zum Beispiel beim Wohnungsbau, wo sie viel versprochen und nichts gehalten hat. Oder beim Thema Energie, wo die CSU viele Jahre die erneuerbaren Energien und den Stromtrassenbau ausgebremst hat. Auch bei der Bildung, wo wir einen akuten Lehrkräftemangel verzeichnen. Und bei der Infrastruktur, ich verweise nur auf das Debakel um die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München. Wenn wir in der heißen Wahlkampfphase sind, werden aber auch die Bürgerinnen und Bürger stärker auf die Landespolitik schauen.
BSZ: Umfragen ergeben, dass das Thema Migration neben der hohen Inflation die Menschen am stärksten beschäftigt. Welche Antwort geben Sie darauf?
Hagen: Ich fürchte, die Flüchtlingskrise könnte sich dieses Jahr weiter verschärfen. Die Politik muss es ganz schnell schaffen, die irreguläre Migration einzudämmen. Wir brauchen Migration in unseren Arbeitsmarkt – dafür hat die Ampel mit dem Einwanderungsgesetz wichtige Weichen gestellt. Wir bieten außerdem den Menschen Zuflucht, die im Moment zum Beispiel aus der Ukraine vor Krieg fliehen. Aber: Es kommen derzeit auch wieder sehr viele Menschen, die kein Recht haben, hier einzuwandern, von denen am Ende aber sehr viele bleiben und vom Sozialstaat leben. Das überlastet gerade unsere Kommunen, da müssen wir Antworten geben. Das heißt: schnellere Asylverfahren, konsequentere Rückführungen und besserer Schutz der EU-Außengrenzen.
BSZ: Was ist bislang der größte Fehler der Ampel?
Hagen: Dass wir die Grünen nicht überzeugen konnten, noch etwas länger auf die Kernkraft zu setzen. Es ist mit Blick auf den Klimaschutz falsch, Kohlekraftwerke zu reaktivieren.
BSZ: Sollte es die FDP tatsächlich nicht in den Landtag schaffen, was machen Sie dann eigentlich?
Hagen: Um uns FDP-Abgeordnete muss sich niemand Sorgen machen, wir haben alle etwas Ordentliches gelernt. Aber unserem Land täte eine starke FDP gut. Ich gehe davon aus, dass wir es schaffen. (Interview: Waltraud Taschner)
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