Landtag

Noch sind Palmen wie hier in München in Bayern die Ausnahme. Bei nächtlichen Tiefstwerten um 30 Grad könnte sich das ändern. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

14.02.2020

"Nur ein Hauch davon, was kommen wird"

Acht von neun geladenen Experten warnen vor dem Klimawandel – nur der von der AfD bestellte Geologe hat Zweifel

Bei einer Expertenanhörung im Umweltausschuss des Landtags haben acht der neun geladenen Sachverständigen in teils eindringlichen Worten vor den Auswirkungen des Klimawandels für Bayern gewarnt und den Freistaat aufgefordert, deutlich mehr in den Klimaschutz und die Abmilderung von dessen Folgen zu investieren. „Der Klimawandel ist evident“, erklärte Professor Michael Bittner, der im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei der Fernerkundung der Erdatmosphäre tätig ist. Einzig der von der AfD aufgebotene Geologe Sebastian Lüning bezweifelte die Aussagekraft der gängigen wissenschaftlichen Klimamodelle und sprach von „Alarmismus“.

In ihrer Mehrheit waren sich die Experten einig, dass der auch in Bayern seit Jahren messbare, nahezu kontinuierliche Anstieg der Durchschnittstemperatur sowie die immer häufigeren Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Dürren Folgen eines menschengemachten Klimawandels sind. „Wir haben seit 2010 ein Wärmerekordjahr nach dem anderen“, sagte der Würzburger Klimatologe Professor Heiko Paeth. Hotspot des Klimawandels in Bayern sei Unterfranken. Als Beispiel nannte Paeth die Zahl der „Tropennächte“ im Sommer, in denen die Temperatur nachts nicht unter 20 Grad sinke. 2018 seien in Würzburg 17 solcher Nächte gemessen worden, vor dem Jahr 2000 habe es durchschnittlich alle fünf Jahre eine gegeben. In Zukunft drohten nächtliche Tiefstwerte von nahe 30 Grad.

Lüning erklärte, auch er sei davon überzeugt, dass CO2 in der Atmosphäre erwärmend wirke, doch werde dessen Beitrag zur globalen Erwärmung überschätzt. Er verwies auf erdgeschichtliche Wärmeperioden lange vor der Zeit der Industrialisierung. Die aktuelle Wärmephase sei deshalb „nicht beispiellos“. Die gegenwärtigen Klimamodelle seien für Prognosen ungeeignet, da sie zur Berechnung frühere Warmzeiten nicht einbezögen sowie natürliche Zyklen wie schwankende Intensität der Sonneneinstrahlung und Klimaphänomene zu wenig berücksichtigten. „Ich bin auch für Klimaschutz und CO2-Minderung, aber wir sollten dafür nicht Kopf und Kragen riskieren“, sagte Lüning.

Es drohen "Tropennächte" in Bayern mit über 30 Grad

Den Einschätzungen Lünings widersprach unter anderem Paeth vehement. Lüning berufe sich auf einen längst überholten Stand der Forschung. Zudem ignoriere er nicht nur die regional, sondern global messbare Erwärmung und die nicht mit natürlichen Ursachen zu erklärende Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs. „So große Veränderungen gab es auch schon früher, nur waren damals Meteoriteneinschläge oder Hyper-Vulkanismus dafür verantwortlich“, erklärte Paeth. Deren Auswirkungen dürfe man nicht verschweigen. „Das waren immer die großen Phasen des Massensterbens.“ Auch die Sonnenaktivität könne als Erklärung nicht dienen, weil diese seit etwa 1970 wieder abnehme. Dies müsste eigentlich zu einer globalen Abkühlung führen, so Paeth.

Bis auf Lüning ermunterten alle Experten die Politik, die Anstrengungen zum Klimaschutz zu erhöhen. Bayern könne dabei eine Vorbildrolle einnehmen, sagte die Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie an der Uni München, Julia Pongratz. Der Freistaat zeichne sich durch eine hohe Innovationskraft und die nötige wirtschaftliche Stärke aus. Pongratz drängte zur Eile. „Die Zeit wird knapp, wir haben nicht mehr den Luxus, uns aussuchen zu können, wo wir CO2 einsparen können“, erklärte sie. Dies müsse auf allen Feldern geschehen.

DLR-Forscher Bittner forderte den Umstieg von einer „verbrauchsorientierten zu einer ökologisch-nachhaltigen Wirtschaftsweise“. Bayern brauche neben der mit rund zwei Milliarden Euro ausgestatteten „Hightech-Agenda“ eine mindestens ebenso hoch dotierte „grüne Technologie-Offensive“. Der Energieexperte Michael Sterner von der OTH Regensburg sprach sich für die konsequente Umsetzung der Energiewende aus. Vor allem die Potenziale für Windkraft und Photovoltaik in Bayern müssten deutlich besser ausgeschöpft werden. Dazu brauche es den Abbau behindernder Vorschriften wie die 10H-Abstandsregel oder im Denkmal- und Artenschutz. „Ohne Vorrang für den Klimaschutz werden wir nicht vorankommen“, sagte Sterner. Ansonsten seien schon in wenigen Jahrzehnten die natürlichen Lebensgrundlagen in Bayern bedroht.

Konkrete Maßnahmen zur Abmilderung von Klimafolgeschäden regte der Hydrologe Markus Disse von der TU München an. Dazu müsste die vielerorts „ausgeräumte Landschaft“ wieder bereichert und für mehr Wasserrückhalt gesorgt werden. Dies verbessere auf der einen Seite den Hochwasserschutz, auf der anderen würden die Neubildung von Grundwasser unterstützt und Wasserspeicher für Trockenphasen angelegt. Paeth richtete seinen Fokus auf die im Sommer immer heißer werdenden Städte. Diese müssten viel umfangreicher begrünt werden. Außerdem müssten, wo möglich, mehr Wasserflächen entstehen. Andernfalls werde die Zahl der Hitzetoten im Sommer sprunghaft nach oben gehen. Sterner ergänzte, ohne umfassende Gegenmaßnahmen werde der Hitzesommer 2015 „nur ein Hauch im Vergleich zu dem gewesen sein, was kommen wird“. (Jürgen Umlauft)

Kommentare (5)

  1. Liselotte am 17.02.2020
    @AFDNOGO

    "nur bei näherem Hinsehen entpuppt sich alles wieder als Mumpitz"

    In ihrem Kommentar finde ich nichts, was darauf schließen lässt, Sie hätten näher hingesehen.

    Widerlegen Sie die wissenschaftlichen peer-reviewed paper von Dr. Lüning mit wissenschaftlichen Methoden. Dafür gibt es das so genannte "debate paper". Oder lassen Sie es bleiben. (Das Cui-Bono-Argument ist in der Sache keines. Es berechtigt dazu, misstrauisch zu werden, aber dann muss fundierte Sachkritik kommen, oder man muss zugeben, dass man den Gegner vielleicht unsympathisch findet, dass man aber fachlich nicht an ihm vorbei kommt.)

    P.S. Ich trete hier für ergebnisoffene Wissenschaft ein und nicht für oder gegen irgendeine politische Partei.
  2. Bluemoon am 16.02.2020
    Lüning ist kein Experte. Er ist jemand, der sich aus ideologischen Gründen der Leugnung des Klimawandels verschrieben hat. Seine Verbindungen zu Vahrenholt und zu EIKE sollten eigentlich jedem sofort die Augen öffnen (nur so: Das Buch und der Blog "Die kalte Sonne", an welchen Lüning beteiligt ist, leugnet ja sogar den globalen Temperaturanstieg - das sind nach deren Behauptungen alles Messfehler. Es würde immer kühler. Ich frage mich nur, warum diese Messfehler die Gletscher weltweit abschmelzen lassen ...).
    Eine sehr schöne, detaillierte und fundierte Widerlegung findet man bei Stefan Rahmstorf - seines Zeichens ein echter, weltweit anerkannter Klimaforscher: https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/wie-fritz-vahrenholt-den-bundestag-fuer-dumm-verkaufen-wollte/
  3. haarthhoehe am 16.02.2020
    Warum braucht man eigentlich Wissenschaftler -mit oder ohne Namen-, nur um festzustellen, dass der Kohlenstoff, den die Erde in Millionen Jahren abgelagert hatte, nun in mehr als 100 Jahren auf die Umwelt losgelassen wird? Die Folgen sind doch offensichtlich, heute z.B. Sturm und Überflutung in GB. Und wieso vergleicht man Erdalterszeiten mit der heutigen, wenn es damals keine Menschen und Autos in aktuellen Unmengen gab?
    Ich empfehle jedem einzelnen, sich Gedanken zu machen, wie man sich gegen den Trend etabliert. Den Zug werden wir wohl nicht mehr aufhalten können, aber ich z.B. trage mich mit dem Gedanken, meine Heizung auf Wärmepumpe mit Ökostrom umzustellen, Regenwasser noch mehr abzuspeichern oder die Wohnung zu klimatisieren. Wen so etwas anspricht, dem empfehle ich den CO2-Rechner im Web.
    Die Diskussion um das "Klima" ist doch nur abwegig, die Probleme sind da und real. Dank der Politik, hier und weltweit, die auf Verbrennung setzt und setzte. In den Aufbaujahren nach dem Krieg war es nötig und tragbar, heute aber nicht mehr. Also die Zeit, in der die CSU regierte. Nur mal so bemerkt.
  4. AFDNOGO am 16.02.2020
    Liebe Liselotte,

    Ihr Beitrag ist wie das meiste was von der AfD gestreut wird. Klingt zunächst interessant, nur bei näherem Hinsehen entpuppt sich alles wieder als Mumpitz. Lesen Sie mal das hier: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-08/klimaforscher-vahrenholt-kritik Natürlich ist das wieder ein Artikel aus der "Lügenpresse". Ich weiß, schrecklich all das.

    Und ist es nicht witzig, dass Ihr toller Forscher für galp energia arbeitet? Galp energia ist als Petróleos e Gás de Portugal SGPS, S.A. das größte portugiesische Unternehmen und weltweit im Öl- und Gasgeschäft tätig. Mehr braucht man über die Seriosität dieses "Forschers" nicht zu verlieren.

    Schöne Zeit in der Sonne wünsche ich!
  5. Liselotte am 15.02.2020
    Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass Dr. habil. Sebastian Lüning der mit Abstand wissenschaftlich am besten ausgewiesene Wissenschaftler der Runde war. Hier sein Schriftenverzeichnis:
    http://www.luening.info/#papers

    Der natürliche Klimawandel besteht neben dem menschgemachten unverändert fort. Dr. Lüning ist einer der wenigen in Duetschland, der das heute trotz öffentlicher Missbilligung sorgfältig erforscht.

    Beachten Sie bitte sein Projekt mit über 1000 Fachpublikationen zur Mittelalterlichen Warmzeit, die wärmer war als heute und innerhalb derer es schnellere Erwämungsphasen gab:
    https://kaltesonne.de/die-mittelalterliche-warmeperiode/

    Hier seine Internetprojekt für jedermann, Daten zum Klimawandel in Deutschland:
    http://www.klimawandel-in-deutschland.de/index.html

    Mein Fazit: Dr. Lüning ist keine "Klimawandelleugner", sondern einer der wenigen Realisten. Seine Forschung sollte von jedem/r beachtet werden, der/die verantwortlich politisch handeln will. Welcher Aufwand ist verantwortbar gegenüber welchem Nutzen? Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass das Aufstellen beliebieg vieler Windräder in Deutschland den Klimawandel in irgendeiner Weise aufhalten wird?
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