Landtag

Bayerns Landtag hat auf Geheiß der Landtagspräsidentin die Zutrittsregeln verschärft. (Foto: dpa/Matthias Balk)

26.09.2025

Onlineanmeldung und Social-Media-Check

Mit Palästinenserschal in den Landtag? Oder mit Slogans am Shirt à la „Fleisch ist Mord“? Das könnte künftig schwierig werden. Wer in den Landtag reindarf, ist jetzt strenger geregelt. Gäste in spe müssen damit rechnen, dass der Landtag ihre Social-Media-Kanäle checkt. Es sei „erschreckend“, wie sich ein Haus, das für die Bürger da sein soll, zunehmend abschotte, sagt Bayerns Linken-Chef Martin Bauhof. Und auch die AfD ist empört

Mit Palästinenserschal in den Landtag? Oder mit Slogans am Shirt à la „Fleisch ist Mord“? Das könnte künftig schwierig werden. Bayerns Landtag hat seine Hausordnung verschärft, auf Initiative von Präsidentin Ilse Aigner. Die Sicherheit im Landtag, betonte sie in einem Schreiben an die Abgeordneten, sei ihr „ein großes Anliegen“.

Die Neuregelungen führen zu teils heiklen Abwägungen und zur grundsätzlichen Frage, wie stark ein Parlament sich abschotten soll.
Relevant sind vor allem folgende Bestimmungen: Das Tragen politischer Botschaften „insbesondere auf Kleidungsstücken oder Accessoires“, die geeignet seien, „auf den Sitzungsverlauf einzuwirken“, ist für Besucherinnen und Besucher unzulässig. Doch wer bestimmt, dass etwas den Sitzungsverlauf stören kann? Parteisticker etwa sind erlaubt, ebenso Kippas, verlautet aus dem Präsidium.

Außerdem werden viele, die reinwollen in den Landtag, strenger kontrolliert. Besuchergruppen müssen sich „spätestens“ vier Wochen vorher schriftlich anmelden – mit Geburtsdatum plus Privatanschrift. Auch Gäste von Veranstaltungen, die im Landtag stattfinden, etwa Podiumsdiskussionen oder reine Fraktionsveranstaltungen, müssen sich zweifach identifizieren.

Findet sich bei Facebook und Co Missliebiges, kann die Präsidentin eine Veranstaltung einfach canceln

Gäste in spe müssen zudem damit rechnen, dass der Landtag ihre Social-Media-Kanäle checkt. Findet sich dort bei „problematischen Gästen“ Missliebiges, kann die Präsidentin die ganze Veranstaltung absagen. Was genau darunter fällt, wird nicht präzisiert.

Kritik kommt von der AfD und der Linken. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Christoph Maier spricht von Schikane und „systematischer Ausgrenzung der größten Oppositionsfraktion“. Er erinnerte daran, dass bereits beim Sommerempfang der Landtagspräsidentin „Gäste willkürlich ausgeladen wurden, weil sie politisch nicht opportun waren“. 

Die Linke ist entsetzt und spricht von Willkür

Schärfere Kritik kommt von der außerparlamentarischen Opposition. Es sei „erschreckend“, wie sich ein Haus, das für die Bürger da sein soll, zunehmend abschotte, sagt Bayerns Linken-Chef Martin Bauhof. Mit Blick auf die bereits bislang empfohlene Online-anmeldung für das Plenum und die für fast alle Besucher obligatorischen Sicherheits-checks wie an Flughäfen sei es längst zweifelhaft, ob die Öffentlichkeit der Debatten noch gegeben sei.

Besonders irritierend findet der Linken-Chef die neue Kleiderordnung. Bauhof kritisiert, dass die betreffende Formulierung viel zu schwammig sei. „Da ist Willkür Tür und Tor geöffnet.“ Tatsächlich stellt sich die Frage, wer bestimmt, was auf den Sitzungsverlauf einwirkt und wo hier die Grenze liegt. Es drohen Konflikte. Ist künftig bereits das Palästinensertuch eines deutschen Schülers auf der Zuschauertribüne ein unzulässiges, störendes Statement? Und wie verhält es sich bei einem Palästinenser, für den dieses Kleidungsstück womöglich genauso zur Identität gehört wie für den Oberbayern die Lederhose?

Was ist mit Palästinenserschal oder "Eat the Rich"-Shirt?

Im Bundestag gab es zuletzt einige Probleme mit Kleidungsstücken. Dort wurden bereits mehrfach Linke und auch eine Grüne von der Bundestagspräsidentin sanktioniert – etwa für eine Kappe mit der Aufschrift „Eat the rich“ oder ein „Palestine“-Shirt. Mögliche „Social-Media-Screenings“ hält der Linken-Landesvorsitzende ebenfalls für höchst problematisch. „Das kann natürlich gezielt eingesetzt werden.“ Generell bleiben bei der Onlineschnüffelei viele Fragen. Wie läuft diese ab? Und kann dann etwa ein nicht justiziabler Post dazu führen, dass der Zutritt verwehrt wird?

Während es schwieriger geworden ist, in den Landtag reinzukommen, geht der Landtag verstärkt zu den Menschen raus. Die Gelder für Öffentlichkeitsarbeit und die Betreuung von Besuchergruppen wurden deutlich erhöht. Dafür wurden 2016 insgesamt 2,6 Millionen Euro ausgegeben, 2025 sind es 3,4 Millionen Euro. Weitere 1,3 Millionen Euro fließen 2025 in „politische Bildungsarbeit“. Zusätzliche Mittel gibt es für Regionalbesuche und Bürgerbegegnungen des Präsidiums.

Nicht alle Landtage sind so streng wie Bayern

Nicht überall werden Mittel aufgestockt. Im Saarland gab es einem Parlamentssprecher zufolge in den letzten Jahren keinen zusätzlichen Cent für Öffentlichkeitsarbeit, in Baden-Württemberg stieg der entsprechende Etat dagegen in einem Jahrzehnt um ein Drittel – so stark wie in Bayern.

Die Praxis, die Festung Landtag strenger zu sichern, liegt dagegen überall im Trend, wie eine BSZ-Umfrage unter ausgewählten Landesparlamenten ergab. Beim Großteil gab es in letzter Zeit Verschärfungen. Meist begründen die Verantwortlichen dies mit einer veränderten Sicherheitslage. Auch die zunehmende Polarisierung der öffentlichen Debatte spielt eine Rolle. Die meisten Parlamente verfahren allerdings weniger streng als der Freistaat. 

Mit Bayern vergleichbare Kleiderordnungen, um Störungen des parlamentarischen Betriebs zu verhindern, gibt es neben dem Bundestag in einigen weiteren Landesparlamenten, etwa in Niedersachsen.

Eine flughafenähnliche Sicherheitsschleuse wie im Freistaat findet sich in Nordrhein-Westfalen sowie im Bundestag. Zahlreiche abgefragte Landesparlamente wie Niedersachsen, Brandenburg, Bremen und Hamburg verzichten dagegen noch immer auf Metalldetektoren für Besucher und darauf, Taschen und Laptops zu durchleuchten. Größere Taschen und Jacken müssen aber oft abgegeben werden, kleinere werden mitunter von Sicherheitsleuten durchsucht.

Immerhin, Spontanbesuche von Bürgern sind grundsätzlich möglich

In den meisten Ländern tagen wie in Bayern nicht nur das Landtagsplenum, sondern auch Ausschüsse öffentlich. Ausweiskontrollen sind die Regel, wenn Bürger spontan in den Landtag wollen. Seit September muss etwa auch in Brandenburg – wie in Bayern schon seit Langem – der Ausweis abgegeben werden. 

Im Bundestag ist der Besuch des Plenums nur nach Onlineanmeldung möglich, der eine routinemäßige polizeiliche Sicherheitsabfrage vorausgeht.
Überprüfungen von Social-Media-Aktivitäten verneinten diverse Landtagssprecher.

So oder so: Spontanbesuche der Landtagssitzungen von Bürgerinnen und Bürgern sind wie in vielen Landtagen auch in Bayern weiterhin möglich – „nach Maßgabe freier Zuhörerplätze“, wie es in der bayerischen Hausordnung heißt. Man muss es halt durch die Sicherheitsschleuse schaffen – und sollte außerdem aufpassen, was man anzieht.(Tobias Lill, Waltraud Taschner)

 

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