Landtag

Bayerische Landtag. (Foto: Ralf Kruse)

07.10.2021

Querdenker wollen Landtag auflösen

Schnelle Neuwahlen: Das ist das Ziel eines Volksbegehrens, das insbesondere von sogenannten "Querdenkern" angestoßen wurde und unterstützt wird. Mindestens einer der Initiatoren ist im Visier des bayerischen Verfassungsschutzes

Es ist ein in der Geschichte des Freistaats bislang einmaliger Vorgang: ein Volksbegehren zur Auflösung des bayerischen Landtags. Höchst ungewöhnlich ist auch, dass mindestens einer der Initiatoren, die die Staatsregierung in der "Querdenker"-Szene verortet, im Visier des Verfassungsschutzes ist. Am 14. Oktober beginnt die zweiwöchige Eintragungsfrist in den Rathäusern - die Hürde zum Erreichen der nächste Stufe liegt bei einer Million Unterschriften. Wer genau steckt hinter der Initiative, wie läuft das Ganze ab, was könnten die Folgen sein? Wichtige Fragen und Antworten:

Was ist ein Volksbegehren?
Zum einen können Bürgerinnen und Bürger in Bayern Landesgesetze per Volksbegehren und Volksentscheid beeinflussen. Zum anderen ist, wie im aktuellen Fall, sogar auch ein Volksbegehren zur Auflösung des Landtags möglich. In beiden Fällen muss der entsprechende Antrag mindestens 25 000 Unterschriften haben, damit es zum nächsten Schritt kommt: Dann müssen sich für einen Erfolg des Volksbegehrens binnen zwei Wochen genügend Stimmberechtigte in Unterschriftenlisten in den Rathäusern eintragen.

Bei "normalen" Volksbegehren braucht es die Unterschriften von mindestens zehn Prozent aller Stimmberechtigten, bei einem Volksbegehren zur Landtags-Auflösung sogar mindestens eine Million. Wird das Quorum erreicht, kommt es zu einem Volksentscheid - alternativ kann der Landtag schon vorher von sich aus aktiv werden.

Wer steckt hinter der Initiative für das aktuelle Volksbegehren?
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte einmal im Bayerischen Rundfunk erläutert, dass die Betreiber des Volksbegehrens "ganz eindeutig" aus der sogenannten "Querdenker"-Szene kämen. Und das ist die Wortwahl auf der Homepage des Bündnisses: Von einer "Diktatur der Parteien" und von "Kadavergehorsam" in den Fraktionen im Landtag ist dort die Rede. Man erlebe "Lügen als Grundlage der Politik". "Machtmissbrauch im Landtag demokratisch beenden", heißt es weiter, oder sogar: "Den Landtag aufräumen und in Zukunft regelmäßig putzen."

Besonders brisant: Der stellvertretende Beauftragte des Volksbegehrens, Karl Hilz, wird vom Landesamt für Verfassungsschutz dem neuen Sammelbeobachtungsobjekt "Sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebungen" zugerechnet. Im jüngsten Halbjahresbericht des Landesamts heißt es ganz speziell über Hilz unter anderem: "Mit seinem Aktivismus gegen die Corona-Schutzmaßnahmen versucht er, eine systematische Störung der Funktionsfähigkeit des Staates herbeizuführen." Unter Begehung von Rechtsverstößen rufe er beispielsweise dazu auf, Mitglieder der Regierung vor ein "Kriegsverbrechergericht" zu stellen.

Was sagen die Verantwortlichen des Volksbegehrens dazu?
Einer der Sprecher des Volksbegehrens, Gerhard Estermann, sagt zu alledem: "Wir wollen nicht den Staat ändern oder stürzen. Es geht uns um mehr direkte Demokratie." Man wolle die Bürger "aufwecken - dass sie sich ihrer demokratischen Rechte wieder bewusst werden". Estermann räumt ein: "Die Querdenker waren eine Hilfestellung, als es darum ging, die nötigen Unterschriften für den Antrag auf das Volksbegehren zu sammeln." Ansonsten gebe es keine Einflüsse. Zudem wehre man sich auch dagegen, in eine rechte Ecke geschoben zu werden.

Was soll die Auflösung des Landtags überhaupt bringen?
Die Initiatoren des Volksbegehrens räumen ein, dass bei Neuwahlen auch die "alten" Abgeordneten wohl wieder antreten werden. "Es ist uns natürlich klar, dass quasi die gleichen politischen Akteure wieder in Neuwahlen gehen würden", sagt Estermann. Aber man setze dann auf "bürgernähere Politik". Die zunächst nötigen eine Million Unterschriften nennt er im Übrigen "sportlich", aber nicht utopisch.

Was sagt die Politik zum Volksbegehren?
Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagt, die Bayerische Verfassung sehe die Möglichkeit eines solchen Volksbegehrens ausdrücklich vor, insofern sei dies voll und ganz zu respektieren. "Aber es ist schon absurd, zu behaupten, es gäbe keine Mitsprache des Volkes, wenn die Initiatoren sich genau dieses Mittels bedienen." Aigner betont: "Wenn jetzt einige wenige - weil ihnen die Corona-Maßnahmen nicht passen und das Parlament nicht nach ihrer Pfeife tanzt - den Landtag abberufen wollen, ist das falsch verstandene Demokratie." Demokratie bedeute auch, dass die Mehrheit am Ende entscheide. "Dagegen darf man gerne protestieren und sich politisch engagieren - aber eine Auflösung und damit Neuwahl des Landtags würde das nicht ändern."
(dpa)

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