Landtag

20 der 25 in dieser Legislaturperiode ausgesprochenen Rügen betrafen die AfD, zwei weitere einen ihrer Ex-Abgeordneten. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

14.07.2023

Rügen sollen künftig Geld kosten

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sieht bei ihrer Bilanz zum Ende der Legislaturperiode die Demokratie durch äußere und innere Feinde „unter Feuer“

Landtagspräsidentin Ilse Aig-ner (CSU) strebt eine zweite Amtszeit an. Im Falle ihrer Wiederwahl plant sie „effektive Ordnungsmaßnahmen“, um die zuletzt gesunkene Debattenkultur im Parlament wieder auf ein der Würde des Hauses angemessenes Niveau zu heben und den Landtag zu einem Vorbild für die sachorientierte politische Auseinandersetzung zu machen. Sie treibe der Einsatz für die Demokratie und der Wille, der Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken, an. Konkret hat Aigner vor, ein Ordnungsgeld für Verstöße gegen die parlamentarischen Regeln und einen Demokratiekodex auf freiwilliger Basis einzuführen sowie eine mit klareren Regeln und Sanktionen ausgestattete Hausordnung zu erlassen. Sie sei „fest entschlossen“, diese Themen anzugehen.

„Die Demokratie steht unter Feuer“, erklärte Aigner in einer Bilanz der nun auslaufenden Legislaturperiode. Druck komme von außen, aber auch von „Feinden im Innern“. „Der Einzug der AfD in den Landtag 2018 war eine Zäsur“, urteilte sie. Die Partei sei seither vor allem durch Eklats und Provokationen aufgefallen. Aigner erinnerte an den Teilauszug der AfD-Abgeordneten beim Holocaust-Gedenktag und den Gasmaskenauftritt eines AfD-Fraktionsmitglieds am Rednerpult des Plenarsaals. All das habe das Ziel, Demokratie, Parlament und Erinnerungskultur verächtlich zu machen. „Wer meint, dass Provokationen, Eklats und Rügen zur Leistungsbilanz eines Abgeordneten gehören, der irrt gewaltig“, stellte Aigner klar.

20 der 25 zuletzt ausgesprochenen Rügen im Landtag betrafen die AfD, zwei weitere einen ihrer ehemaligen Abgeordneten. In den Wahlperioden davor gab es gar keine Rügen. „Der Ton im Landtag ist rauer geworden, die Debattenkultur hat gelitten, manche Wortbeiträge waren schlicht und ergreifend unterirdisch“, resümierte die Präsidentin. Eine Rüge, betonte sie, sollte Makel sein und nicht Trophäe. Doch manche in der AfD sähen das anders, deuteten die Reaktion auf ihr Fehlverhalten als Angriff auf die Meinungsfreiheit um, und behaupteten, man wolle sie mundtot machen. „Das ist eine boshafte Unwahrheit“, sagte Aigner.

Mit dem Ordnungsgeld will Aigner dafür sorgen, dass Rügen künftig nicht einfach hingenommen, sondern auch im Geldbeutel der Abgeordneten spürbar würden. Vorbild sei eine entsprechende Regelung im Bundestag. Aig-ner räumte allerdings ein, dass die Umsetzung einer verfassungsrechtlichen Klärung bedürfe, weil das Ordnungsgeld die Ausübung des freien Mandats und die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Parlamentarier*innen betreffe. Die Höhe der Strafzahlung sei noch offen, „aber nur 10 Euro werden es nicht sein“, sagte Aigner.

Nachgeschärft werden soll auch die Hausordnung des Landtags, nachdem kürzlich zwei AfD-Abgeordnete zu einem Treffen im Maximilianeum eingeladen hatten, zu dem auch Personen aus dem rechtsextremen Spektrum gekommen waren, die unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. „Verfassungsfeindliche Gesinnungstrinker dürfen im Landtag keine Bühne bekommen“, erklärte Aigner. Die Volksvertretung solle ein offenes Haus bleiben, aber nur für Personen, die auf dem Boden der Verfassung stünden. Wenn eine Gästegruppe „außer Kontrolle gerät“, dann müsse der Gastgeber zur Verantwortung gezogen werden können. Das Hausrecht müsse künftig in solchen Fällen konsequent durchgesetzt, die Veranstaltungen „unmittelbar beendet“ werden. Auch müssten Hausverbote ausgesprochen werden.

Auch die Hausordnung will Aigner „nachschärfen“

Ergänzend plant Aigner einen „Demokratiekodex“, eine Art freiwillige Selbstverpflichtung der Abgeordneten, sich im Sinne der Demokratie auch außerhalb des Landtags und in sozialen Netzwerken vorbildlich zu verhalten. Der Kodex solle abzielen auf die Einhaltung parlamentarischer Regeln, die Abgrenzung von Hetze und Antisemitismus sowie die Nichtverbreitung von Verschwörungstheorien und Desinformation. Es gehe nicht um eine Beschneidung der Redefreiheit, betonte Aigner. „Für die vernünftigen Abgeordneten sollte die Einhaltung des Kodex eine Selbstverständlichkeit sein.“ Über die anderen solle die Öffentlichkeit richten. Aigner will dazu die Namen der Unterzeichner und der Nichtunterzeichner des Kodex veröffentlichen.

Aigner sah aber auch politischen Handlungsbedarf. Die AfD finde bei vielen Menschen Gehör, die unzufrieden seien oder sich von der Politik überfordert oder unverstanden fühlten. Die Parteien der demokratischen Mitte müssten deshalb die Themenhoheit zurückgewinnen. „Das geht nur mit Argumenten, und das passiert aus meiner Sicht zu wenig“, sagte Aigner. Empören und ignorieren habe ganz offensichtlich nichts gebracht. „Wir müssen raus aus dem Empörungsmodus, hin zu einer inhaltlich harten Auseinandersetzung“, forderte sie. „Viele Menschen wissen gar nicht, wofür die AfD wirklich steht, was es bedeuten würde, wenn sie in Regierungsverantwortung käme.“

In ihrem Tätigkeitsbericht verwies Aigner darauf, dass sich der Landtag weiter für die Bürger*innen geöffnet habe. Mit dem neu angeschafften „LandTruck“ habe man 23 Orte in ganz Bayern angefahren, um über die Arbeit des Parlaments zu informieren und ins Gespräch mit den Menschen zu kommen. Stark genutzt würden auch die Social-Media-Kanäle des Landtags. Im Herbst werde zudem das neue Besucherfoyer im Maximilianeum eröffnet. Umgesetzt worden seien mehrere bauliche Maßnahmen, darunter die Sanierung des Glasdachs über dem Plenarsaal. „Die Schlagzeile ’Der Landtag ist nicht ganz dicht!‘ gehört definitiv der Vergangenheit an“, sagte sie. Bis 2028 soll das Maximilianeum „echt klimaneutral“ sein.

Trotz der zeitweiligen coronabedingten Einschränkungen hat der Landtag laut einer Auflistung der Verwaltung in der nun auslaufenden Legislaturperiode so viel gearbeitet wie nie zuvor. Es gab demnach 152 Plenarsitzungen, zwölf mehr als zwischen 2013 und 2018, 31 Regierungserklärungen (+14), 11 904 parlamentarische Anfragen (+1493) und 10 179 Anträge (+2678). Nur die Zahl der behandelten Gesetzentwürfe ging auf 250 zurück (-16). Dazu kamen 1203 Ausschusssitzungen, 190 Expertenanhörungen und -fachgespräche sowie vier Untersuchungsausschüsse.

Nach Angaben von Landtagsdirektor Peter Worm hat sich die Verwaltung für die digitale Zukunft des Parlaments aufgestellt und damit auch eine „neue Stufe an Transparenz und Bürgernähe“ erreicht. Auch als Arbeitgeber sei der Landtag attraktiv. Worm hob den hohen Frauenanteil unter den Führungskräften in der Verwaltung von über 50 Prozent hervor. Gelungen sei dies unter anderem durch die Schaffung passender Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er nannte die hauseigene Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit von bis zu 100 Prozent Homeoffice. (Jürgen Umlauft)

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