Landtag

Markus Söder (CSU) brachte im April Saatgut für einen Blühstreifen aus. (Foto: dpa/Timm Schamberger)

10.05.2019

"Schöne Blühstreifen reichen nicht"

Beim Fachgespräch zum Insektensterben im Umweltausschuss warnen Experten von Aktionismus und fordern mehr Mut zur Wildnis

Rund 80 Prozent der in Bayern staatlich geförderten, ökologisch ausgerichteten Greening-Maßnahmen in der Landwirtschaft sind für den Erhalt der Artenvielfalt wertlos. Gründe dafür seien die falsche Anlage der Flächen und ihr Besatz mit ungeeigneten Samenmischungen, erklärte der Kurator der Botanischen Staatssammlung in München, Andreas Fleischmann, im Rahmen eines Fachgesprächs zum Insektensterben im Umweltausschuss. „Das schaut oft schön bunt aus, nützt aber nicht viel“, sagte Fleischmann. Vor diesem Hintergrund sprach er sich für eine Umstellung der Fördersystematik aus, die letztlich auch den Landwirten einen höheren Mehrwert bringe.

Fleischmann verwies auf das Schweizer Vorbild, wo die Förderung „ergebnisorientiert“ erfolge. Dies bedeute, dass die Landwirte keine reinen Umwidmungsprämien und Ausgleichszahlungen erhielten. Vielmehr würden konkrete Zielvorgaben vereinbart, wie die Ansiedlung von Wiesenbrütern. Auf dieses Ziel würden Förderung und fachliche Beratung ausgerichtet. „Das schafft für die Landwirte einen echten Anreiz, tatsächlich etwas für die Biodiversität zu tun“, sagte Fleischmann.

Stärker gefördert werden müsste zudem die extensive Bewirtschaftung von Grünland. „Wenn eine Wiese dreimal im Jahr gedüngt und fünfmal gemäht wird, wächst da nichts mehr, was unseren Insekten nützen könnte.“ In Bayern fehlten die früher üblichen, nun aber vorwiegend nur noch im Alpenraum vorhandenen mageren Blumenwiesen, die zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas gehörten. „Das Insektensterben ist die Folge des Sterbens von Wiesen und Hecken“, erläuterte Fleischmann. Um einen Wandel einzuleiten, müsse man sich eigentlich nur anschauen, was im Rahmen der Flurbereinigung vor 40 Jahren passiert sei „und dann genau das Gegenteil machen“.

Blühränder können zur tödlichen Falle für Insekten werden

Die Politik warnte Fleischmann beim Artenschutz vor Aktionismus. Jetzt im ganzen Land einfach schön anzusehende Blühstreifen anzulegen, sei weder sinnvoll, noch ausreichend. Wichtiger wären vor allem von der Nutzung freigehaltene Ackerrandstreifen mit heimischen Blumen oder Kräutern. Samenmischungen aus dem Baumarkt seien dafür in der Regel ungeeignet. Allerdings müsse dafür auch der Einsatz von Pestiziden auf den Äckern reduziert werden, da die Blühränder sonst zur „tödlichen Falle“ für Insekten würden, erklärte Fleischmann. Wichtig sei zudem, bestehende Biotope und Naturschutzgebiete besser miteinander zu vernetzen. Dazu müssten landesweit „Biotopbrücken“ eingerichtet werden.

Professor Michael Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung München appellierte an die Politik, an den Hochschulen wieder mehr Stellen für Artenforscher zu schaffen. Um die Entwicklung von Arten dokumentieren zu können, brauche es mehr ausgebildete Taxonomen, die Tierarten bestimmen könnten. Nötig sei eine „komplette Arteninventur für ganz Bayern“, sagte er. Zudem bat Schrödl die Politik, vor der Umsetzung von Maßnahmen zum Artenschutz den Rat der Wissenschaft einzuholen. Manch gut gemeinte Maßnahme wirke sich in der Natur kontraproduktiv aus. Dies lasse sich durch eine vorab eingeholte fachliche Expertise vermeiden.

Grundsätzlich sprach sich Schrödl für eine „möglichst naturverträgliche Nutzung“ der Flächen aus. In Parks, Gärten, aber auch im offenen Land brauche es „mehr Mut zur Wildnis“. Vor diesem Hintergrund plädierte Schrödl für die Ausweisung weiterer Nationalparks in Bayern. Außerdem müsse der Klimawandel in den Griff bekommen werden. Nur dann lasse sich Artenvielfalt erhalten. Als Beispiele nannte Schrödl den Alpenraum und die Laubwälder. Beide Bereiche seien derzeit die noch stabilsten Ökosysteme in Bayern, würden sich aber mit fortschreitendem Klimawandel immer stärker verändern. Solche Veränderungen seien immer mit dem Verlust von Arten verbunden, die auf einen bestimmten Lebensraum angewiesen seien. Insgesamt brauche es für den Artenschutz ein ganzes Maßnahmenbündel. Dabei dürften einzelne Aspekte nicht gegeneinander ausgespielt werden, warnte er.

Die Abgeordneten zeigten sich fraktionsübergreifend interessiert an der Expertise der Wissenschaftler. Der CSU-Abgeordnete Volker Bauer sprach sich für eine Optimierung der Förderprogramme im Sinne eines effektiven Artenschutzes aus. Sein Fraktionskollege Klaus Steiner vermisste dagegen die ganzheitliche Betrachtung der Wissenschaftler. Die pauschale Unterschutzstellung von Flächen sei nicht der richtige Weg, weil erst die von Landwirten gepflegte Kulturlandschaft für Artenvielfalt sorge. Ingo Hahn (AfD) unterstützte die Forderung Schrödls nach mehr Taxonomen. Nur so könne festgestellt werden, ob es tatsächlich einen großflächigen Artenschwund gebe. (Jürgen Umlauft)

Kommentare (2)

  1. Ducks am 12.05.2019
    Zuerst auf dem Blühstreifen füttern und dann mit Neonicotinoiden so verwirren, dass sie nicht mehr nach Hause finden und sterben. Das kann nicht das Ziel sein.
  2. Adibauer am 11.05.2019
    Der werte Herr Fleischmann möge sich bitte einmal in Blühflächen oder auch blühende Zwischenfruchtflächen begeben, dort zehn Minuten ruhig verharren und mir dann erklären, dass diese Flächen für Insekten wertlos sind. Warum sind dann so viele da ?
    Natürlich werden langjährig angelegte Blühflächen allein durch die Nichtnutzung zu Rückzugsflächen für viele Arten, ABER: diese Flächen bieten nicht das Bild, das die Bienenretter vor Augen haben , denn dort gibt es kaum bunte Blumen.
    Wir machen Blühflächen und Gewässerrandstreifen schon seit zwanzig Jahren und wissen mittlerweile, worüber wir reden.
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