In Bayern gibt es rund 2400 Grundschulen mit etwa 500.000 Grundschulkindern, die Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Eine enorme Herausforderung – vor allem, weil Caterer schwer zu finden sind. Besonders dann, wenn sie regionale und biologische Lebensmittel anbieten sollen. Auf Antrag der Grünen fand diese Woche eine Sachverständigenanhörung zum Thema landesfinanziertes Bio-Mittagessen im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus statt. Ziel war es, durch positive Beispiele aus der Praxis zu lernen.
Ein solches Beispiel kommt aus Augsburg. Dort war ursprünglich ein Bioanteil von 30 Prozent in Kantinen und städtischen Einrichtungen geplant, berichtete die zweite Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne), die auch Vorsitzende des Schulausschusses des Bayerischen Städtetags ist. Im Kita-Bereich liegt der Anteil mittlerweile sogar bei über 88 Prozent. Die Stadt bietet Coachings und Fortbildungen an. „Das Wichtigste ist aber: Den Kindern schmeckt’s – und die Eltern wollen die Rezepte haben“, betonte Wild. Gelungen sei dies durch eine Umstrukturierung beim Einkaufsverhalten und Veränderungen bei den Arbeitsabläufen. „Auch die Mitarbeiterzufriedenheit ist gestiegen.“
Ernährungswissenschaftler Stephan Lück vom Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) betonte, dass es engagierte Personen braucht, um gesunde Schulverpflegung erfolgreich umzusetzen. Er und sein Team hätten seit 2009 über 1000 Schulungen, Workshops und Coachings durchgeführt, um Schulen zu begleiten. Wichtig seien professionelle gewerbliche Küchen, qualifiziertes Personal und leckeres Essen – nur so entstehe Akzeptanz. Auch ansprechende Aufenthaltsräume seien entscheidend, „damit die Kinder nicht zum Döner laufen“.
„Wir brauchen mittags eine Essensgemeinschaft“, stimmte Martin Kümmerling vom Bürgerrat Ernährung zu. Er sprach sich entsprechend für ein kostenfreies Mittagessen aus, das den Zusammenhalt fördere. Idealerweise werde es sogar gemeinsam gekocht. Das helfe auch, der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken und ein erweitertes Bewusstsein zu schaffen. „Viele Kinder denken inzwischen, Milch kommt aus dem Tetra Pak“, erklärte Kümmerling.
Verschimmeltes Essen in der Brotbox
Der Ernährungsmediziner Hans Hauner von der Technischen Universität München hob hervor, wie wichtig gute Ernährung für Kinder ist – besonders bei sozial benachteiligten Familien. Zum einen präge das Ernährungsverhalten in der Kindheit das gesamte Leben, zum anderen sorge gesunde Ernährung für bessere Gesundheitschancen. „Andere Länder wie Schweden oder Finnland bieten kostenlose Schulverpflegung mit hoher Qualität an – das reduziert auch soziale Ungleichheit.“ Das sei besonders wichtig, da sich in Lunchboxen häufig Fast Food oder sogar verschimmeltes Essen finde.
Für Thomas Hut vom Schulcaterer Lausfehl stehen vor allem Regionalität und Frische im Fokus. Er lege Wert auf einen abwechslungsreichen Speiseplan mit Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchten – möglichst ohne Konserven oder Tiefkühlprodukte. Eine große Hilfe seien die 35 staatlich anerkannten Öko-Modellregionen, die das Bewusstsein für regionale Bio-Lebensmittel fördern sollen. Auch Transparenz und Kommunikation mit Kindern und Eltern seien ihm wichtig – deshalb besuche er regelmäßig Elternabende.
Schulleiterin Birgit Franitza von der Grundschule Kempten berichtete, dass rund 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler das Mittagessen in Anspruch nehmen. Finanziert werde es über das Bildungspaket des Bundes. „Trotzdem erleben auch wir Abmeldungen, weil sich manche Familien die Zuzahlung nicht leisten können“, sagte Franitza. Um das Angebot zu verbessern, würden regelmäßig Umfragen durchgeführt. Das größte Problem sei jedoch der Personal- und Raummangel – deshalb sei das Mittagessen oft hektisch und laut. Um Kindern die Problematik der Lebensmittelverschwendung nahezubringen, würden Essensreste gewogen.
Discounter sind eine Konkurrenz fürs Bio-Schulessen
Anja Erhart vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) erläuterte, dass der Bioanteil in der Gemeinschaftsverpflegung seit rund 20 Jahren bei nur etwa 1,4 Prozent liege. „Vieles geht direkt in den Lebensmitteleinzelhandel oder den Discounter“, erklärte sie. Eine weitere Hürde sei, dass viele Landwirte und Caterer nicht in funktionierende Wertschöpfungsketten eingebunden sind – das erschwere die Versorgung mit frischen, regionalen Bio-Produkten. Helfen könnten laut Erhart Partnerschaften zwischen Landwirtschaft und Verpflegungseinrichtungen. Sie plädierte außerdem dafür, nicht starr an dem 30-Prozent-Ziel festzuhalten, sondern pragmatisch zu schauen, was verfügbar ist. Realistisch sei dies etwa bei Kartoffeln, Karotten und Zwiebeln.
In der anschließenden Aussprache betonte Sascha Schnürer (CSU), dass Bayern auf einem guten Weg sei. Für ihn als vierfachen Vater sei es entscheidend, dass Kinder gemeinsam in Kita, Schule und Mensa essen – und nicht immer auf Fast Food zurückgreifen. Eine nachhaltige und soziale Esskultur sowie ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln seien aus seiner Sicht elementar.
Nikolaus Kraus (Freie Wähler) hob die Bedeutung gesunder Ernährung bereits in der Grundschule hervor. Die Erfahrungen aus Augsburg erschienen ihm fast zu gut, um wahr zu sein. In seiner Gemeinde gebe es vor allem finanzielle Bedenken. Essen müsse schmecken – sonst werde es nicht angenommen. Auch der Besuch von Bauernhöfen könne helfen, Kindern die Bedeutung und Herkunft von Lebensmitteln näherzubringen.
AfD: Auch konventionell angebaute Lebensmittel können gesund sein
Gerd Mannes (AfD) erinnerte daran, dass ein landesfinanziertes Mittagessen nicht kostenlos sei – sondern entweder steuer- oder elternfinanziert. „Während die obersten Einkommensschichten die Kosten kaum spüren, müssen viele Familien genau überlegen, wie sie die Beiträge zahlen.“ Die Diskussion um biologisches Essen sah Mannes kritisch: Auch konventionell angebaute Lebensmittel könnten gesund sein.
Mia Gollner (Grüne) verwies auf die hohe Zahl adipöser Minderjähriger und die enormen Folgekosten für das Gesundheitssystem. „Jeder siebte Minderjährige ist von Adipositas betroffen.“ Sie fragte, warum ein kostenloses Bio-Mittagessen bislang nicht umgesetzt wurde, und wies zugleich auf die hohen Investitionskosten für Küchen – teils bis zu einer halben Million Euro – hin.
Ruth Müller (SPD) begrüßte, dass das Thema auf der Tagesordnung stand, und lobte, dass damit die Arbeit der Bürgerräte ernst genommen werde. „Das ist ein wichtiges Thema für gesunde Ernährung und Bildungsgerechtigkeit“, betonte sie. Elementar sei auch die Frage, wie lange es dauere, bis sich Verbesserungen in den Familien zeigen und Folgeschäden vermieden werden können. Müller hofft, dass sich das neue Bundesernährungsministerium dem Thema verstärkt annimmt. (David Lohmann)
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