Bayern weitet seine Vorbereitungen zur Bewältigung von Naturkatastrophen, aber auch gegen die Folgen geheimdienstlicher oder militärischer Attacken aus dem Ausland aus. Als Konsequenz aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie, den Lehren aus dem verheerenden Hochwasser im Ahrtal in Rheinland-Pfalz sowie wegen der neuen Bedrohungslage vor allem durch Russland erarbeitete das Innenministerium zusammen mit Rettungs- und Hilfsorganisationen sowie der Feuer- und der Bundeswehr das Konzept „Katastrophenschutz Bayern 2025“, das zwölf bayernweit wirksame Handlungsempfehlungen enthält.
Die Umsetzung aller Maßnahmen soll in den kommenden Jahren abgeschlossen werden, kündigte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Innenausschuss an. Dreh- und Angelpunkt ist das neue Melde- und Lagezentrum (MLZ) im Innenministerium. Dieses habe sich bei der Koordinierung der Hilfs- und Rettungseinsätze beim Juni-Hochwasser im vergangenen Jahr in Südbayern bewährt, erklärte Herrmann. Auf dem Weg sei zudem die weitere Vernetzung regionaler Leit- und Dienststellen, die raschere und vereinheitlichte Übertragung von Daten, die landesweite, am regionalen Bedarf orientierte Einrichtung von Lagern für Gerätschaften und Hilfsmittel für den Katastrophenfall und die gezielte Ausbildung von Rettungskräften. Hohe Bedeutung habe dabei das Zentrum für besondere Einsatzlagen in Windisch-eschenbach, wo mehrere Organisationen gemeinsam für den Ernstfall üben könnten.
Neues Meldezentrum
Erheblichen Nachholbedarf sah Herrmann beim Wissen der Bevölkerung im Umgang mit und beim richtigen Verhalten in Gefahrenlagen. „Wir müssen die Menschen auf Not- und Katastrophenlagen vorbereiten, ohne ihnen dabei Angst einzujagen oder Panik zu verbreiten“, sagte Herrmann. Demnächst soll deshalb eine überarbeitete Empfehlung mit Verhaltensregeln und Vorsorgemaßnahmen veröffentlicht werden. „Es geht um die angemessene Reaktion auf amtliche Warnungen sowie um Eigenversorgung und Selbsthilfefähigkeit in Notlagen“, erklärte Herrmann. Im Katastrophenfall könnten Rettungskräfte in erster Linie nur denen helfen, die direkt betroffen seien, für alle anderen gelte zunächst das Prinzip der Eigenverantwortung und Selbsthilfe. Eine „Vollkasko-Mentalität“ sei im Katastrophenfall fehl am Platz.
Zur Warnung der Bevölkerung vor Not- und Katastrophenlagen soll in Bayern das Sirenennetz wieder flächendeckend aufgebaut werden. Aktuell stünden dafür laut Herrmann pro Jahr nur 1,7 Millionen Euro an Bundes- und Landesmitteln zur Verfügung. Er setze darauf, dass die neue Bundesregierung schon für das kommende Jahr ihre Ankündigung umsetze und die Mittel deutlich aufstocke. Bayern werde sich dem dann anschließen. Insgesamt strebe man einen „Warnmittelmix“ aus Sirenen, digitalen Warn-Apps sowie Alarmierungen auf weiteren Kommunikationswegen an. Es brauche ein stabiles System zur Auslösung und Übertragung von Warnungen, um die Bevölkerung rechtzeitig informieren zu können. „Wir müssen im Ernstfall möglichst viele Menschen schnell und zuverlässig erreichen können“, sagte Herrmann.
Auch den Bereich des Zivilschutzes im Verteidigungsfall, für den federführend der Bund zuständig ist, will Herrmann analog zum Katastrophenschutz ausbauen. Viele Maßnahmen könnten hier parallel eingeleitet werden. Ergänzend sei aber der Bau neuer Schutzräume für die Bevölkerung erforderlich. Bis 1990 habe es in Bayern knapp 500 Schutzeinrichtungen – vor allem Bunker – gegeben. 150 davon würden noch existieren, seien aber entweder für andere Nutzungen umgebaut oder „nicht mehr brauchbar“.
Update für Zivilschutz
Florian Siekmann (Grüne) forderte mehr Tempo bei der Umsetzung der Maßnahmen zum Katastrophenschutz und ein Update für den Zivilschutz. Die von Herrmann vorgestellten Maßnahmen bezeichnete er – wie Redner anderer Fraktionen auch – als „gutes Konzept“. Nacharbeiten müsse man noch bei der Vorbereitung und Steuerung großer Evakuierungen und beim Schutz der kritischen Infrastruktur, meinte Siekmann.
Die Notwendigkeit einer besseren Vorbereitung auf lang andauernde Katastrophenfälle erkannte Thorsten Freudenberger (CSU). Dies müsse eine Lehre aus der Corona-Zeit sein. Dauerten Einsätze über Wochen oder gar Monate, können die „Grenzen der personellen Belastbarkeit und Verfügbarkeit schnell erreicht sein“, berichtete Freudenberger aus seiner Erfahrung als Landrat. Deshalb müsse der Bestand vor allem auch für Leitungsfunktionen verbreitert werden. „Wenn Details nicht funktionieren, funktioniert das ganze System nicht“, warnte er. (Jürgen Umlauft)
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