Drei Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima sieht Natascha Kohnen (SPD) die Energiewende in Gefahr. „Ich habe den Verdacht, die CSU will zurück zur Atomkraft“, schimpft die energiepolitische Sprecherin der Fraktion. Grund: Noch immer gebe es kein Konzept, wie die Energiewende im Freistaat gelingen soll. Stattdessen herrschten „Chaos, Spontanität und populistische Irreführung“. Sie rät daher, die „Atomkraft? Nein danke“-Fähnchen bereitzuhalten.
Zur Begründung zitiert Kohnen aus dem Energiekonzept des bayerischen Ministerrats „Energie Innovativ“ vom 24. Mai 2011. Darin heißt es: „Das Schlüsselwort für den Umbau der bayerischen Energieversorgung lautet Investitionen [...] in neue Stromautobahnen, die Strom aus anderen Teilen Deutschlands und dem Ausland nach Bayern transportieren.“ „Kurz vor der Kommunalwahl“, erklärt Kohnen, „will die Staatsregierung nichts mehr davon wissen“. Dabei habe die CSU die Gesetzgebung zum Netzausbau in Bayern auf Bundesebene mit angeschoben und beschlossen.
Gleiches gelte für die Windenergie. Vor zwei Jahren hieß es noch: „Man unterstützt die für die Zulassung der Windenergienutzung zuständigen Behörden durch ein klares politisches Bekenntnis zur verstärkten Windenergienutzung.“ Heute hingegen würden laut Kohnen die proklamierten Mindestabstände im Rahmen der 10H-Regel Windkraftprojekte in Bayern unmöglich machen. „Durch den Zickzackkurs der Staatsregierung in den letzten Jahren sind die Investoren verunsichert und die Finanzierung von Projekten hat sich verteuert“, ist die Abgeordnete überzeugt. Für sie klaffen Anspruch und Wirklichkeit bei der Energieversorgung immer weiter auseinander.
Bis 2021 sollte der Bereich der Photovoltaik auf 16 Prozent ausgebaut werden – aktuell liegt der Anteil laut bayerischem Landesamt für Statistik lediglich bei 9,2 Prozent. Bei der Wasserenergie beträgt die Diskrepanz 3,8 Prozent, bei der Biomasse-Energie immerhin noch 1,1 Prozent. Besonders eklatant ist der Unterschied bei der Windenergie: Das angestrebte Ziel liegt bei 10 Prozent, der Ist-Zustand beträgt magere 1,2 Prozent.
Die SPD-Fraktion fordert aus diesem Grund einen sofortigen Stopp der geplanten 10H-Regel. Ansonsten würden die Kapriolen von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auf andere Bundesländer umspringen. Außerdem müssten neue Verbünde wie ein Alpenverbund zur idealen Ausnutzung von Wasserkraft und Windstandorten sowie eine Offshore-Allianz mit Küstenländern und Transitländern geschaffen werden. Nicht zuletzt seien zwischen Land, Landkreisen, Städten und Gemeinden abgestimmte Energienutzungspläne nötig. Nur so könnten Rückschlüsse auf die optimalen Standorte von Energieerzeugungsanlagen, Speichertechnologien oder den Bedarf an Übertragungsnetzen und Verteilnetze gezogen werden.
Abschließend wagt Kohnen einen Blick in die Glaskugel: „In einem halben Jahr wird Seehofer sagen, er sei nicht schuld am Scheitern der Energiewende, sondern Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wegen der Novelle des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes“ (siehe Infokasten). Dabei versuche Gabriel durch die Reduzierung der Offshore-Windkraft diese nur rentabel zu machen. In Wirklichkeit sei es die 10H-Regel, welche die erfolgreiche Umsetzung der Energieversorgung riskiere.
Markus Blume (CSU) verweist hingegen darauf, dass die im Energiekonzept festgehaltenen 1000 bis 1500 Windanlagen „punktgenau“ erreicht würden. Für die Stromtrassen gelte, dass die Netzplanung der Erzeugungsplanung folgen müsse: Weniger Offshore-Windparks bedeuteten einen reduzierten Trassenbedarf. „Frau Kohnen kann ich nur empfehlen, sich manche Zusammenhänge der Energiewende vom Genossen Gabriel nochmals im Detail erklären zu lassen.“ (David Lohmann)
INFO: Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
Am 22. Januar 2014 beschloss die schwarz-rote Bundesregierung in Meseberg eine Novellierung des EEG. Die wichtigsten Aussagen des Eckpunktepapiers:
Ausbaukorridor: Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung soll bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent und bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigen.
Direktvermarktung: Neue Erneuerbare-Energien-Anlagen müssen ihren Strom künftig direkt, sprich: ungefördert vermarkten.
Förderung: Um die Kosteneffizienz der Förderung zu erhöhen, werden Überförderung abgebaut, Vergütung abgesenkt und Boni gestrichen.
Ausnahmen: Ganze oder teilweise Befreiung von der EEG-Umlage soll auf energieintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb beschränkt werden.
Regelungen für einzelne Technologien: Bis 2020 sollen 6,5 Gigawatt, bis 2030 15 Gigawatt Windenergie auf See installiert werden. Bei der Windenergie an Land ist ein jährlicher Zubau von bis zu 2500 Megawatt geplant. Die Solarenergie soll jährlich um 2500 Megawatt ausgebaut werden. Bei der Bioenergie ist ein Zuwachs von höchstens 100 Megawatt durch Abfall- und Reststoffe geplant. Bei Geothermie und Wasserkraft sind nach Angaben der Bundesregierung aufgrund der Marktentwicklungen keine Maßnahmen zur Mengensteuerung notwendig.
Zeitraum: Der Gesetzesentwurf soll bis Ostern beschlossen und noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden. Inkrafttreten soll das Gesetz am 1. August 2014. (LOH)
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