Landtag

Sicherheitskontrolle am Münchner Flughafen: Seit vergangenem Herbst werden neue Sprengstoffsuchgeräte eingesetzt. (Foto: dpa)

20.04.2016

Stinkende Technik

Machen die neuen Sprengstoffsuchgeräte am Münchner Flughafen die Mitarbeiter krank? Dazu gibt es neue Diskussionen im Landtag - und immer noch offene Fragen

21 Jahre lang arbeitete Hannelore Deuter mit Freude bei der staatlichen Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München (SGM). Doch seitdem im September letzten Jahres die neuen Sprengstoffsuchgeräte in Betrieb gingen, klagt sie über Schmerzen, Schwindel und Atemnot. „Zuerst habe ich es nicht auf die Geräte geschoben und dachte an eine Grippe“, erklärte sie stellvertretend für ihre Kollegen im Gesundheitsausschuss. Doch als sie zwei Wochen später wieder arbeiten wollte, hätten die Symptome kurz nach Arbeitsbeginn erneut begonnen. Zweieinhalb Monate war sie anschließend krankgeschrieben. „Jetzt habe ich diagnostiziertes Asthma“, klagte sie. Seit 1. September 2015 verlangt eine Neuregelung der Europäischen Union, Passagiere verstärkt auf Sprengstoff zu untersuchen. Dabei werden Personen und Handgepäck mit einem so genannten Ticket abgewischt, um gelöste Sprengstoffteile einzufangen. Im Sprengstoffsuchgerät wird der Probenträger ionisiert, also in Bewegung gebracht. Dadurch lässt sich feststellen, ob die Verbindung ungefährlich ist oder beispielsweise Trinitrotoluol (TNT) enthält. Nicht erst seit dem Terroranschlag in Brüssel versuchen Sicherheitsbehörden auf diese Weise, Bombenattentate an Flughäfen zu verhindern. Obwohl sich bei der SGM bis November 200 Mitarbeiter mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemeldet haben und 99 krankgeschrieben wurden, hält das Verkehrsministerium einen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und den neuen Geräten für ausgeschlossen. Zwar habe die Expertenorganisationen Dekra bei ihrem Gutachten in der Prüfkammer beim Gerät „Sniffer“ unter anderem die Ausgasung von Formaldehyd über dem erlaubten Richtwert festgestellt. „Es sind aber die Vor-Ort-Messungen ausschlaggebend“, erläuterte der Leiter des Luftamts Südbayern Uwe Büchner. Und bei dieser habe die Ingenieurgesellschaft Müller BBM keine Ausgasungen von flüchtig organischen Verbindungen festgestellt.

Das Ministerium glaubt an ein "Sick-Building-Syndrom"

Für Büchner liegen die Krankheitsursachen daher im „Sick-Building-Syndrom“ (SBS): „Dabei führen an sich harmlose Merkmale zu der Wahrnehmung, dass ich mich nicht nur krank fühle, sondern auch krank werde“, erklärt der Luftamtsleiter. Sein Hauptargument dafür: Der Schwerpunkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei in der Zeit gemeldet worden, als der Sniffer bereits vorsorglich aus dem Terminal entfernt wurde. „Obwohl am Memminger Flughafen die Geräte aus München aufgestellt wurden, kommen nur vom Münchner Flughafen Beschwerden“, betont Büchner. Selbst weltweit seien ihm keine ähnlichen Probleme bekannt. Seitdem das Gerät im Erdinger Moos wieder im Einsatz ist, gab es zwar erneut knapp 150 Mitarbeiterbeschwerden über „Geruchserscheinungen“ und über 110 „Befindlichkeitsstörungen“. „Die meisten sind aber identisch mit klassischen Erkältungserscheinungen wie sie im März üblich sind“, versichert Büchner. Auch der Krankenstand sei nicht signifikant höher als im März letzten Jahres, im April liege er bisher mit knapp unter fünf Prozent sogar leicht darunter. Beide Geräte sind daher wieder für den Betrieb freigegeben. Aktuell werde allerdings noch nach dem optimalen Aufstellungsort gesucht. Ausschusschefin Kathrin Sonnenholzner (SPD) kann sich nicht vorstellen, dass es sich bei den Mitarbeiterbeschwerden um ein SBS handelt: „Mir fehlt die Fantasie, dass dies alle Angestellten gleichzeitig bekommen.“ Außerdem müssten die Symptome dann beim Verlassen des Gebäudes aufhören. Selbst wenn die Ausdünstungen für chemische Substanzen unter dem gesetzlichen Grenzwert liegen, befürchtet sie „Additionseffekte“. Aus diesem Grund, wegen der widersprüchlichen Aussagen der Gutachter und weil das SBS eine von der Weltgesundheitsorganisation anerkannte Krankheit ist, sieht Sonnenholzner einen Handlungsbedarf seitens des Arbeitgebers, also des Freistaats. „Zur Sicherheit am Flughafen gehören gesunde Mitarbeiter – und die haben wir nicht mehr“, ergänzte Christian Magerl (Grüne). Doch stattdessen würde das Verkehrsministerium von „Massenhysterie“ sprechen und die Probleme mit viel „weißer Salbe“ als Erfindung der Angestellten abtun. „Für mich ist Feuer am Dach, wenn Mitarbeiter den ganzen Arbeitstag möglicherweise krebserregenden Substanzen ausgesetzt sind.“ Statt dem Druck der Hersteller nachzugeben, forderte er, ein Ende des „Herumexperimentierens“. Benno Zierer (Freie Wähler) verlangte, sich solange mit dem Thema zu befassen, bis die Vorfälle abgestellt sind: „Es geht nicht, die Krankheitsbilder zu vernachlässigen, nur weil sie rational nicht erklärbar sind.“ Zudem hätten die Messungen zwischen 23 und 1 Uhr und damit nicht unter Echtzeitbedingungen stattgefunden. „Gerade im Sommer und bei vielen Fehlalarmen hitzen sich die Geräte aber auf – bis hin zu Brandstellen an der Außenhaut.“ (David Lohmann)

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