Landtag

Noch immer arbeiten vor allem Frauen im sozialen Bereich, wie etwa in Kliniken, und verdienen deshalb deutlich weniger. (Foto: dpa/Waltraud Grubitzsch)

16.04.2021

"Talent kennt kein Geschlecht"

Ausschuss Öffentlicher Dienst: Gleichstellungsbericht der Staatsregierung zeigt massive Benachteiligungen von Frauen auf

Bayerns Sozialministerin und Frauenbeauftragte Carolina Trautner (CSU) kritisiert, dass Mütter noch immer kaum in Führungspositionen vorstoßen. Als Ursache benennt der 6. Bericht zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes auch, dass besonders viele Frauen in Teilzeit arbeiten. Dies verschlechtert die Karrierechancen.

„Es kann nicht sein, dass nur Frauen in Führungspositionen kommen, die keine Kinder haben.“ Dieses kritische Fazit zog Sozialministerin und Frauenbeauftragte Carolina Trautner (CSU) aus dem 6. Bericht zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes, den sie im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes vorstellte. Tessa Ganserer (Grüne) und Simone Strohmayr (SPD) hatten den Bericht zuvor ganz ähnlich bewertet.

1996 trat das Bayerische Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Kraft. Es soll Artikel 118 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung verwirklichen, der nach dem Grundsatz „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ verlangt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Alle fünf Jahre hat die Regierung über den Fortschritt in dieser Sache Bericht zu erstatten. Dieser Pflicht kam Sozialministerin Trautner zusammen mit Gleichstellungsreferentin Christiane Nischler-Leibl nach. Es geht dabei allein um den öffentlichen Dienst, auf den der Staat unmittelbaren Zugriff hat. Für die Privatwirtschaft hofft man auf die Vorbildfunktion.

Da bei Neueinstellungen mehr Frauen zum Zug kommen und gleichzeitig mehr Männer in Ruhestand gehen (weil die Männer bislang eben in der Überzahl waren), ergibt sich laut Christiane Nischler-Leibl eine Erhöhung des Frauenanteils in der öffentlichen Verwaltung in den vergangenen zwanzig Jahren um zehn Prozent. Doch bei den Führungspositionen sei das Ungleichgewicht keineswegs verschwunden. Frauen seien in Führungspositionen „nach wie vor stark unterrepräsentiert“, und das liegt Nischler-Leibl zufolge nicht am Geschlecht.

Springender Punkt Teilzeit

Der springende Punkt sei vielmehr die Teilzeitbeschäftigung. 52 Prozent aller Bediensteten seien teilzeitbeschäftigt, 80 Prozent davon seien Frauen. Anders gesagt: jede zweite Frau arbeite Teilzeit, aber nur jeder fünfte Mann. In Vollzeit hätten auch Frauen gute Chancen auf Führungspositionen, in Teilzeit aber nicht, wie ein Blick auf die Ausschreibungspraxis zeige: knapp die Hälfte aller ausgeschriebenen höheren Dienststellen sei nicht teilzeitkompatibel. So sei es zu erklären, dass die Kurve der Frauen bei den Besoldungsgruppen nach dem Alter von 45 Jahren abflache, sprich: „Ab diesem Alter verdienen die Männer mehr.“

Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Tessa Ganserer (Grüne) bilanzierte den Bericht des Ministeriums deshalb nicht sehr positiv: „25 Jahre nach Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes kann von echter Gleichstellung keine Rede sein!“ Es habe sich nichts grundsätzliches geändert: „Frauen stoßen immer noch an die berüchtigte gläserne Decke.“

In Bayern, so Tessa Ganserer, herrschten nach wie vor traditionelle Geschlechterrollen vor, es seien immer noch die Frauen, die zurückträten und den Männern den Vortritt ließen. „Fehlender politischer Wille und ein gravierendes Vollzugsdefizit” seien zu konstatieren. Ein Gesetz sei nach 25 Jahren immer noch nicht realisiert: „Im Bereich Steuern würden wir da längst auf die Barrikaden gehen!“ Das Gleichstellungsgebot der bayerischen Verfassung müsse nun endlich verwirklicht werden: „Ich möchte nicht noch mal 25 Jahre warten müssen!“

Ins gleiche Horn stieß Simone Strohmayr (SPD), die den überproportionalen Teilzeitanteil der Frauen mit dem schlichten Umstand erklärte: „Die Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit als die Männer.“ Allein deshalb würden sie bei der bezahlten Arbeit in die Teilzeit abgedrängt. Wenn man die Führungspositionen auf Bezirksebene anschaue, finde man überhaupt keine Frau. Und in puncto Elternschaft sei es eindeutig so: „Männer steigen umso mehr nach oben, je mehr sie Väter sind.” Und bei den Frauen sei es genau umgekehrt: Je mehr Mütter, umso weniger Aufstieg.

Kritik von SPD und Grünen

Für Strohmayr gibt es „wenige Gesetze, die so radikal ignoriert werden wie das Gleichstellungsgesetz.” Im Gegensatz zu anderen Bereichen gebe es hier keinerlei Sanktionsmöglichkeiten. Man solle deshalb zumindest die Gleichstellungsbeauftragten besserstellen. Bayern müsse in dem Punkt „sehr viel innovativer werden”. Es bewege sich viel zu wenig, obwohl „eigentlich schon so lange feststeht, was wir tun müssen“.

Trotz der heftigen Kritik der Opposition sprach Sozialministerin Trautner davon, man sei „bei vielen Dingen gar nicht so weit auseinander“. Sie nehme das Thema Gleichstellung „sehr, sehr ernst” und setze auf ein „fraktionsübergreifendes Vorgehen”. Die CSU-Politikerin schlug ein „gemeinsames Anpacken” vor, das einem „gegenseitigen Ausspielen” vorzuziehen sei. Die Maxime müsse sein: „Talent kennt kein Geschlecht.“ Allesamt abgelehnt wurden die vier zur Abstimmung anstehenden Anträge der Opposition. Die SPD wollte die rigorose Regelung hinsichtlich Tattoos bei Polizeibeamten lockern. Arif Tasdelen (SPD) warb dafür, dass „Tätowierungen, die sehr dezent sind, eigentlich möglich sein müssten”. Grüne und FDP pflichteten dem bei. Doch AfD und CSU beharrten darauf, dass 80 Prozent der Körperoberfläche sowieso unsichtbar blieben und somit für Tätowierungen zur Verfügung stünden. Die übrigen, sichtbaren Bereiche an Kopf, Hals und Unterarmen seien einfach tabu.

Ein Antrag der Grünen, die Gesundheitsämter „schnell besser flächendeckend mit Personal und Ressourcen auszustatten“, um die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen, wurde von den Regierungsfraktionen erwartungsgemäß abgelehnt. Schließlich sei man nach einem „langen Winterschlaf“ nun „an dem Thema dran“ (Holger Dremel, CSU) und brauche deshalb keinen weiteren Antrag. Auch ein Antrag der AfD, der „Umweltkriminalität entschlossen entgegenzutreten“, fand kein Gehör.
(Florian Sendtner)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.