Landtag

Die Zahl der Asylverfahren in Bayern hat sich in den letzten zwei Jahren verzehnfacht – die Zahl der Richter hingegen nicht. (Foto: dpa)

05.01.2018

Überarbeitet und unterbezahlt

Die Arbeitsbelastung in bayerischen Behörden nimmt zu – gleichzeitig verabschieden sich immer mehr Beamte in den Ruhestand

Die Zahl der Asylverfahren in Deutschland hat sich seit 2016 auf 320 000 Verfahren beinahe verfünffacht. „Auch die rund 250 Richterinnen und Richter an den Verwaltungsgerichten in Bayern arbeiten absolut am Anschlag und müssen dringend entlastet werden“, glaubt Horst Arnold (SPD). Seine Fraktion wollte daher von der Staatsregierung wissen, wie viele Einsprüche es gegen ablehnende Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an den sechs Verwaltungsgerichten in Bayern gab.

Das Innenministerium schreibt in seiner Antwort, die Verfahren hätten sich in den letzten beiden Jahren verzehnfacht: von rund 3900 am 31. August 2015 auf 39 940 am 31. August 2017. Fast jedes zweite Verfahren davon wurde in München geführt, gefolgt von den Verwaltungsgerichten in Ansbach (6337) und Regensburg (5145). Die Gesamtzahl der Verfahren lag bis zum dritten Quartal 2017 bereits bei 60 000 Verfahren, 2016 waren es im gesamten Jahr lediglich 40 000.

„Wir sind an der oberen Leistungsgrenze angelangt“, bestätigt eine Sprecherin der bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Auch der bayerische Richterverein beklagt einen Fehlbestand von mehreren hundert Richtern und Staatsanwälten. „Dadurch, dass die Justiz trotz der Überlastung funktioniert, wurde das Problem lange nicht ernstgenommen“, erklärt die Vorsitzende Andrea Titz.

Um Abhilfe zu schaffen, hat die Staatsregierung in den letzten zwei Jahren zusammen 66 neue Richterstellen zur Verfügung gestellt. Allerdings waren im Dezember 16 Plätze noch nicht besetzt. Weiterer Handlungsbedarf wird dennoch nicht gesehen. Das Ressort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) glaubt, „dass die Zahl der Asyleingänge ab 2018 deutlich zurückgehen wird, wenn das BAMF die aus der Zeit vor dem 1. Januar 2017 stammenden Altfälle abgebaut haben wird“.

Jeder fünfte Justizvollzugsbeamten in Bayern geht einer Nebentätigkeit nach

Über Arbeitsüberlastung klagen auch die Justizvollzugsbeamten in Bayern – wenn auch aus einem anderen Grund. 803 von insgesamt 4478 Arbeitnehmern gehen einer Nebentätigkeit nach, wie eine Anfrage von Klaus Adelt (SPD) ergab. Das ist fast jeder Fünfte, obwohl 92 Prozent in Vollzeit für den Staat arbeiten. Dabei handelt es sich um 571 Angehörige des allgemeinen Vollzugsdienstes, 178 des Werkdienstes und 43 des Krankenpflegedienstes. Daneben übten elf Nachwuchsbeamte des uniformierten Dienstes eine Nebentätigkeit aus.

Die Situation im bayerischen Justizvollzug dürfte in den nächsten Jahren nicht besser werden. Adelt verweist auf eine frühere Anfrage, wonach allein in einem Jahr fast eine halbe Million Überstunden angefallen sind. Hinzu kommt, dass immer mehr Beamte in Rente gehen. „In den Jahren 2015 bis 2017 haben insgesamt 309 Beamte aller fachlichen Schwerpunkte den Ruhestand angetreten“, heißt es in der Antwort. Demgegenüber steht zwar eine höhere, aber abnehmende Zahl an Nachwuchskräften.

Überlastet sind auch die bayerischen Finanzbeamten, wie die Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage von Inge Aures (SPD) offenbart. Der Urlaubsrückstand aus früheren Jahren betrug zum Stichtag 31. Dezember 2016 rund 140 200 Tage, also 384 Jahre. Gegenüber dem Vorjahr sind die freien Tage der Mitarbeiter sogar noch weiter angestiegen – 2015 waren es noch 4770 aufgehäufte Tage weniger. Das Finanzministerium betont, dass im Jahr 2016 kein Finanzbeamter aufgrund der angespannten Personalsituation den Urlaub verfallen lassen musste – Mitarbeiter bestreiten das jedoch. Zukünftig dürfte sich die Situation weiter verschärfen. „Bis 2020“, mahnt Landtagsvizepräsidentin Aures, „werden in Bayern insgesamt 1809 Finanzbeamte in den Ruhestand gehen.“ (David Lohmann)

INFO: Sanierungsbedarf von bayerischen Polizeigebäuden
In bayerischen Behörden mangelt es vielerorts nicht nur an Personal, sondern auch an baulichen Investitionen – das zeigt eine Anfrage von SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Der Sanierungsbedarf an Polizeigebäuden im Freistaat beläuft sich aktuell auf 826 Millionen Euro. Die Kosten im Rahmen von „Bayern barrierefrei 2023“ sind dabei noch nicht mit eingerechnet.

Gründe für die Maßnahmen sind laut Innenministerium unter anderem Brandschutz, Gebäudedämmung und Fassadensanierungen. Während die meisten Posten Kosten im fünf- bis sechsstelligen Bereich nach sich ziehen, schlägt die Sanierung der Bereitschaftspolizei in Nürnberg sogleich mit 120 Millionen Euro zu Buche. Ebenso viel ist für die Erneuerung der Bereitschaftspolizei in Königsbrunn veranschlagt. Die Generalsanierung der Bereitschaftspolizeiabteilungen in Ingolstadt kostet rund 60 Millionen Euro.

Der Neubau in Freyung für ein Trainingszentrum für Spezialeinheiten schlägt mit 130 Millionen Euro zu Buche. In Bamberg sind für 21 Millionen Euro geschätzte Gesamtkosten eine Verkehrspolizeidirektion, weitere Dienststellen, neue Dienstgebäude und ein Zentrum für polizeiliches Einsatztraining geplant.

Hinzu kommt eine Vielzahl an Gebäuden der Polizei, bei denen die Sanierung noch nicht begonnen wurde – etwa weil die Mittel noch nicht freigegeben wurden. Die hier nötigen Investitionen umfassen mehr als 277 Millionen Euro. Rinderspacher mahnt die Staatsregierung, die seit 2013 um 15 Prozent gekürzten Investitionsmittel heuer wieder zu erhöhen. (loh)

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