Landtag

Mit dem Deutschlernen tun sich ukrainische Kinder oft schwer. (Foto: dpa/Frankenberg)

19.05.2023

Ukraine-Kinder besser fördern

Die Situation für geflüchtete Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine ist schwierig, deren Zukunft weiterhin ungewiss. Für die Schulen auch im Freistaat ist das eine gewaltige Herausforderung. Die Landtags-FDP hat sich jetzt des Themas angenommen: Wie soll es an den Schulen hier weitergehen, was ist nötig, wo sollen die Lehrkräfte herkommen?

Kein Mensch weiß, wie lange der Krieg die Heimat der Ukraine-Kinder noch im Griff hat. Was also tun mit den schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen? Sollen sie sich ins bayerische Schulsystem integrieren, auf Proben lernen, Prüfungen vorbereiten, den Übertritt anpeilen? Reichen ihre Deutschkenntnisse überhaupt aus, eine Schulkarriere zu durchlaufen, die ihren Fähigkeiten entspricht? Oder ist es besser, zweigleisig zu fahren und sie weiterhin aus der Ukraine online zu beschulen, inklusive Noten und Abschlüssen?

Das bayerische Kultusministerium hält an seinen bisherigen Lösungen fest: Grundschulkinder aus der Ukraine gehen in die ganz normale Regelschule. Die Hoffnung: Das Sprachbad, in das sie plumpsen, wird schon dafür sorgen, dass sie Deutsch lernen. Schließlich fällt das Erlernen einer fremden Sprache jüngeren Kindern besonders leicht – vor allem, wenn sie viele Gleichaltrige um sich haben. Anders in den Klassen 5 bis 9: Hier hat man in Bayern über 800 schulartübergreifende Brückenklassen eingerichtet, die sie fit machen sollen, irgendwann am normalen Unterricht teilzunehmen.
Das Konzept klingt vernünftig, steckt in der Praxis allerdings voller Probleme, weshalb die FDP-Fraktion im Landtag einen deutlichen Kurswechsel fordert. Der Tenor dreier Anträge der Liberalen, die frisch auf dem Tisch liegen: mehr Integration.

Bereits im März hatte auf Antrag der FDP eine Sachverständigenanhörung im Landtag stattgefunden zu der Frage, wie die schulische Integration vorankommt. „Das Fazit“, so der FDP-Abgeordnete Matthias Fischbach, „war verheerend“. In den Klassen herrschten Motivationsprobleme. Beim Spracherwerb gehe zu wenig voran; das Ziel, nach einem Schuljahr in der Brückenklasse in eine weiterführende Schule zu wechseln, werde in der Regel nicht erreicht.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Während die sogenannten Deutschklassen Geflüchtete verschiedener Nationalitäten aufnehmen und Deutsch als gemeinsame Sprache sprechen, bleiben die ukrainischen Schüler*innen in den Brückenklassen unter sich. Von einem belebenden „Sprachbad“ kann in dieser Altersgruppe also keine Rede sein.

Hinzu kommt: Weil die Hoffnung auf baldige Rückkehr in die Heimat groß ist, konzentrieren viele Kinder ihre Kräfte auf den ukrainischen Online-Unterricht. Kein Wunder also, dass es mit dem Deutschlernen nicht richtig klappt.

„Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Ukrainer bleiben werden“

Das Kultusministerium hat bereits reagiert: Es räumt allen Kindern aus der Ukraine, deren Deutschkenntnisse für den Besuch der Regelschule nicht ausreichen, ein, auch im nächsten Schuljahr eine Brückenklasse zu besuchen. Die Landtags-FDP dagegen fordert, das Konzept wissenschaftlich zu evaluieren und das übergeordnete Ziel, den Schüler*innen eine erfolgreiche Schullaufbahn in Bayern und die Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen, nachdrücklicher zu verfolgen.

Der konkrete Vorschlag lautet, die Klassen bis spätestens zum Schuljahr 2024/25 aufzulösen und schnellstmöglich in die bestehenden Deutschklassen zu überführen. „Die Brückenklassen dürfen keine Dauerlösung sein. Und nicht einfach als Verwahrklassen fortgeführt werden“, so Matthias Fischbach.

In der Übergangszeit will die FDP die Motivation und Leistungsbereitschaft der geflüchteten Kinder und Jugendlichen in den Klassen verbessern, zum Beispiel durch direktes Feedback, die Vereinbarung individueller Jahresziele und differenzierte Lernangebote. Auch an eine Laufbahnberatung wird gedacht, unterstützt von Sprachkundigen, für die bessere Verständigung. Zusätzliche Möglichkeiten zum sozialen Austausch will man ebenfalls anschieben, etwa durch ein verbessertes Sport- und Kulturangebot oder ein „Peer-Mentoring“ durch Gleichaltrige. Ab der dritten Klasse wünscht sich die FDP spezielle Förderangebote, die das Deutschlernen erleichtern. Darüber hinaus fordert sie ein Konzept für den Umgang mit psychosozialen Belastungen und Kriegstraumata, ein bayernweites multiprofessionelles Netzwerk von Psycholog*innen und Sozialpädagog*innen, ergänzt durch niedrigschwellige Digitalangebote.

Apropos digital: Auch für die flächendeckende Ausstattung mit digitalen Endgeräten plädieren die Liberalen, das allerdings schon lange und unabhängig von Putins Krieg, zur Verbesserung des individuellen Lernens und zur Entlastung der Lehrkräfte. Die allerdings sind bekanntlich Mangelware, woran auch die Idee der Liberalen, die Attraktivität des Ergänzungsfachs „Deutsch als Zweitsprache“ in der Lehrerausbildung zu steigern, erst mal nichts ändert.

Und natürlich fehlen vor Ort auch psychologische und andere Fachkräfte, die im besten Fall Ukrainisch sprechen und dabei helfen können, traumatische Erfahrungen aufzuarbeiten. Alles ist nun mal auf Kante genäht. Die Liberalen fordern darum langfristige Budgets für muttersprachliche Drittkräfte und verbesserte Einstellungsverfahren, um die personelle Ausstattung der Integrationsangebote zu sichern. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Ukrainer bleiben werden“, sagt Fischbach und erinnert an die Gastarbeiter, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren nach Deutschland gekommen waren, etwa aus der Türkei. Fischbach sagt: „Damals dachte man auch, dass die Menschen zurückgehen werden, aber sie sind geblieben.“ (Monika Goetsch)
 

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