Landtag

Vor allem die Ausgestaltung der Biodiversität sorgt in Brüssel für Streit. (Foto: dpa/Christophe Gateau)

16.10.2020

Umweltschutz oder Ernährungssicherheit?

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen soll die EU-Agrarpolitik nächste Woche reformiert werden – doch viele Fragen sind noch offen

Nächste Woche stimmt das EU-Parlament über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab. Aus diesem Grund wollte der Landwirtschaftsausschuss des Landtags nach Brüssel reisen – doch dann stiegen die Corona-Zahlen. Daher berichtete EU-Landwirtschaftsausschusschef Norbert Lins (CDU/EVP) per Video über den Stand der Verhandlungen.

Bayerns Landwirtschaftsausschusschef Leopold Herz (Freie Wähler) interessierte sich vor allem für den kommenden EU-Haushalt. Die Verhandlungen waren festgefahren, der neue Agrarhaushalt soll daher erst 2022 oder 2023 gelten. „Die bayerischen und europäischen Landwirte brauchen Planungssicherheit“, kritisierte Herz. Außerdem sei von Etatkürzungen in der Landwirtschaft von bis zu zehn Prozent die Rede. EU-Ausschusschef Lins beruhigte, in Brüssel werde bei den Haushaltsverhandlungen vor allem bei Themen wie Grenzschutz oder Gesundheit gestritten, weniger über die Agrarzahlungen. Diese würden mit voraussichtlich 390 Milliarden Euro genauso hoch wie im letzten Haushalt ausfallen. „Da durch den Brexit ein großer Nettozahler wegfällt, können wir mit diesem Budget zufrieden sein.“

Während es im Norden Deutschlands viele Mega-Ställe gibt, ist die Höfe-Struktur in Bayern kleinteiliger. Bayerns Ausschussvize Martin Schöffel (CSU) wollte daher wissen, wie es mit der Umverteilung der Direktzahlungen zugunsten kleinerer Landwirtschaftsbetriebe aussieht. Aktuell erhalten 20 Prozent der Landwirte zusammen rund 80 Prozent der Direktzahlungen. Lins antwortete, dass sich seine Fraktion bei dem Thema nicht durchsetzen konnte. Die EVP hatte gefordert, sieben Prozent der Gelder von oben nach unten umzuverteilen – davon hätten alle Betriebe bis 130 Hektar profitiert, also besonders die in Bayern und Baden-Württemberg. Stattdessen soll es jetzt bei den Direktzahlungen eine Kappungsgrenze bei Beträgen ab 100 000 Euro geben.

Gisela Sengl (Grüne) hielt Direktzahlungen grundsätzlich für das falsche Mittel – selbst der Europäische Rechnungshof habe diese bereits kritisiert. Stattdessen sollten die Gelder stärker an Umwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen der Landwirte geknüpft werden. Lins betonte, dass jetzt 30 Prozent der Direktzahlungen für sogenannte Eco-Schemes, also den Umweltschutz, eingesetzt werden sollen. „Das sehen wir als Kompromiss.“ Einen parteipolitischen Streit im EU-Parlament gibt es laut Lins aber bei der Biodiversität. Während die Parteien links der Mitte nur noch halb so viel chemischen Pflanzenschutz und 20 Prozent weniger Dünger, dafür 25 Prozent Ökolandbau wollen, hält Lins’ EVP das für rechtlich problematisch und sorgt sich um negative Konsequenzen für die Ernährungssicherheit.

Die EU-Kommission will eine verpflichtende Reduzierung der Milchmengen

Ruth Müller (SPD) interessierte sich für den sogenannten Grünlandumbruch. Da der Anteil der Wiesen und Weiden bis 2013 kontinuierlich zurückgegangen ist, muss Ackerland im Rahmen der EU-Greening-Auflagen alle fünf Jahre umgepflügt werden, um nicht zum schützenswerten Dauergrünland zu werden – zum Leidwesen der Landwirte. Lins machte Müller wenig Hoffnung auf eine Änderung, die EU-Kommission sei sehr strikt in ihren Vorgaben. Ganz anders sieht es hingegen bei der Milchproduktion aus, auf die sich Müllers zweite Frage bezog. Um die Preise zu stabilisieren, setzt sich die EU-Kommission für eine verpflichtende Reduzierung der Milchmengen ein. Das lehnen laut Lins aber die bürgerlichen Fraktionen im EU-Parlament als zu großen Eingriff in die unternehmerische Freiheit ab.

Christoph Skutella (FDP) wollte wissen, wie bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik auf die gesellschaftliche Veränderung im Bereich Ökologie reagiert wird. „Wird neben den Direktzahlungen mittelfristig auch die zweite Säule gestärkt?“, fragte er. Diese umfasst Förderprogramme für die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung. Lins verneinte: „Dafür gibt es keine Mehrheiten.“ Die Mitgliedstaaten könnten aber Mittel von der ersten in die zweite Säule umschichten. Allerdings könnte das zu Problemen bei der Wettbewerbsfähigkeit für die Landwirte in den jeweiligen Ländern führen. „Die, die voranschreiten, hätten dann das Nachsehen.“ Die AfD beteiligte sich an Fragerunde und Debatte nicht. (David Lohmann)

Kommentare (2)

  1. BSZ-Redaktion am 19.10.2020
    Sehr geehrter Herr Stadler, der Ausschussvorsitzende erklärte nach dem letzten Statement, damit seien jetzt alle anwesenden Fraktionen zu Wort gekommen. Daraufhin gab es keinen Widerspruch.
    Der entsprechende Absatz wurde geändert.

    Freundliche Grüße
    BSZ-Redaktion
  2. Ralf Stadler, MdL am 19.10.2020
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    als AfD Mitglied im Ausschuss Ernährung Landwirtschaft und Forsten war ich sehr wohl bei dieser Videokonferenz anwesend. Zu einer objektiven Berichterstattung gehört es sich zu hinterfragen anstatt auf gut Dünken anzuschwärzen. Anscheinend war dieser Herr David Lohmann, der diesen Bericht auf Home Basis anfertigte derjenige, der fehlte. Ich bitte um umgehende Berichtigung dieser Unterstellung.
    Ralf Stadler, MdL
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