Landtag

Arbeiten im Maximilianeum? Von wegen. Die Volksvertreter wie Sebastian Körber (FDP) sind im Homeoffice. (Foto: privat)

03.04.2020

Volksvertreter im Homeoffice

Corona-Krise: Wie die Abgeordneten mit den Beschränkungen umgehen

Die Corona-Krise treibt - bei aller Dramatik - auch einige seltsame Blüten. Zum Beispiel können wegen der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen unsere Volksvertreter ihr Volk nicht mehr treffen. Termine und öffentlichen Veranstaltungen sind abgesagt. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Landtagsabgeordneten ihre Bürgerbüros für den Publikumsverkehr geschlossen, viele haben sogar ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Dort stecken auch die Parlamentarier selbst fest, denn im Landtag finden fast keine Präsenzsitzungen mehr statt. Fragt man unter Abgeordneten nach, erreicht einen vor allem eine Feststellung: Corona hat auch ihren Arbeitsalltag ziemlich umgekrempelt.

Vergleichsweise wenig Umstellung erlebt noch der FDP-Abgeordnete Sebastian Körber. "Mein Abgeordnetenbüro, mein Architekturbüro und meine private Wohnung befinden sich im gleichen Gebäude", teilt der Oberfranke aus Forchheim mit. Er sei deshalb Arbeit im Homeoffice schon gewohnt gewesen.

Kaum Umstellung verspürt auch CSU-Generalsekretär Markus Blume. Der hält wie sonst auch in der Parteizentrale die Stellung - allerdings mit verkleinerter Mannschaft. Und überhaupt: "Als Generalsekretär einer modernen Volkspartei arbeite ich schon immer digital und mobil." Mobiltelefon und Laptop seien auch bisher ständige Wegbegleiter gewesen.

Für den SPD-Abgeordneten Arif Tasdelen ist Homeoffice dagegen eine "große Herausforderung". Wegen der Schul- und Kita-Schließung hüpfen die beiden Töchter des Nürnbergers (zwei und neun Jahre) durch die Wohnung - ohne Rücksicht auf Papas Arbeiten am Schreibtisch und die ständigen Telefonkonferenzen zu nehmen. "Ich bin sehr froh, dass es da eine Stummtaste gibt." Muss ja nicht jeder mitbekommen, was so los ist bei Tasdelens. Ein anderes Problem hat der Grüne Jürgen Mistol entdeckt: dass sich die Tage ohne Außentermine und persönliche Begegnungen doch sehr gleichen. "Deshalb ist es wichtig, den Arbeitstag gut zu strukturieren", berichtet er. Wenigstens gebe es die technischen Voraussetzungen, um mit Bürgern, Mitarbeitern und Kollegen per Telefon- oder Videokonferenz in Kontakt zu bleiben und sich so trotz Homeoffice auch sehen zu können. Der Freie Wähler Tobias Gotthardt hat sein Büro derweil auf "schlagkräftigen Krisenmodus" umgestellt. Er und sein Team werkeln komplett im Homeoffice.

Wenn die Kinder durchs Arbeitszimmer hüpfen

Über weniger Arbeit klagt keiner, im Gegenteil. "Bei mir hat sich die Zahl der Bürgeranfragen verzehnfacht", hat Gotthardt festgestellt. Bespielt würden dabei alle möglichen Kanäle "von sechs Uhr früh bis 22 Uhr abends". Natürlich dreht sich im Moment fast alles um Corona. Oft müsse er erklären, was es mit den Allgemeinverfügungen der Staatsregierung so auf sich habe, was nun noch erlaubt sei oder besser unterlassen werden sollte. "Manchmal geht es auch nur darum, da zu sein und zuzuhören", sagt Gotthardt. Auch wenn das alles nicht ganz einfach zu koordinieren sei, "ich finde es wichtig, diesen direkten Draht in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen zu bieten". Gotthardts Mail-Adresse lautet wohl nicht umsonst buergernah@tobias-gotthardt.de.

"Gefühlt hänge ich täglich sechs Stunden am Telefon", bilanziert Arif Tasdelen. Gewöhnungsbedürftig sei das für ihn, weil auch er zu den Männern gehöre, die Telefonate bislang eher "sehr kurz gehalten" hätten. Es gebe aber Redebedarf. Von Bürgern, die Angst um ihren Arbeitsplatz und ihre Existenz hätten. Von Eltern, die ihren Kindern nur schwer erklären könnten, warum das Spielen mit denen von nebenan jetzt nicht erlaubt sei. Von Alleinstehenden, denen plötzlich die persönlichen sozialen Kontakte fehlten. Da müsse er nun eben öfter mal länger am Hörer bleiben.

Auch der Liberale Körber telefoniert nun mehr. Seine wöchentliche Bürgersprechstunde hat er zur Telefonsprechstunde umfunktioniert, genauso wie CSU-General Blume. Der hat zudem festgestellt, dass das CSU-Motto "Näher am Menschen" gerade auch digital funktioniere. "Wir hatten noch nie einen so intensiven Austausch über unsere sozialen Netzwerke wie im Moment", berichtet er. Parteiintern klappe der Meinungsaustausch ebenfalls digital. Diese Woche habe es die erste virtuelle Präsidiumssitzung in der Geschichte der CSU gegeben, verkündet Blume stolz. Den Grünen Mistol, wohnungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, erreichen noch mehr als sonst besorgte Anfragen zum Thema Mieten - von Mietern und Vermietern gleichermaßen.

Wie die AfD in Zeiten von Corona arbeitet? Deren Abgeordneter Martin Böhm ließ eine BSZ-Anfrage unbeantwortet.

Obwohl alle froh über die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sind, der persönliche Kontakt zu anderen Menschen, das zwanglose Gespräch in lockerer Atmosphäre geht den Volksvertretern schon ab. "Die größte Herausforderung für mich ist, dass ich Menschen nicht mehr persönlich treffen kann - oder einfach ins Café oder in die Eisdiele gehen", bedauert Tasdelen. Dort entwickelten sich erfahrungsgemäß die besten politischen Gespräche.

Körber pflichtet ihm bei. Das persönliche Gespräch in Betrieben, bei Vereinen, mit Bürgern sei "nur sehr schwer ersetzbar". Und so manches fachliche Anliegen lasse sich eben nur dann lösen, wenn man sich sein eigenes Bild vor Ort gemacht habe. Arif Tasdelen kann der Lage wenigstens ein Gutes abgewinnen: "Was ich nicht vermisse, ist die viele Zeit, die ich bisher im ICE verbringen musste." Es wird in dieser Krise wohl der Tag kommen, an dem er selbst das zurückwünscht. (Jürgen Umlauft)

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