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Durch das Engagement der BAS erhalten opiatabhängige Patienten seit letztem Jahr leichter Substitutionsbehandlungen. (Foto: dpa)

16.03.2018

Vorreiterin der Drogensubstitution

Seit 20 Jahren kämpft die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen für moderne Behandlungsmethoden von Abhängigen

Schon 20 Jahre kümmert sich die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) in München um Prävention und Suchterkrankte – zum Teil auch gegen viele Widerstände aus der Politik. „Wir sind mit dem Gesundheitsministerium inhaltlich nicht immer einer Meinung“, berichtete der BAS-Vorsitzende Norbert Wodarz bei einer Bilanz zum Jubiläum im Gesundheitsausschuss. Schlussendlich sei man sich aber immer einig geworden – zuletzt sogar bei der schwierigen Frage der Substitution, also der Drogenersatztherapie. Durch die bayerische Initiative wurde letztes Jahr die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (siehe Infokasten) geändert. Die Fraktionen lobten die Arbeit der BAS, forderten aber, die legalen Drogen nicht aus den Augen zu verlieren.

Gegründet wurde die BAS im Herbst 1997. „Damals haben die Forschungsergebnisse zur Substitutionsbehandlung opiatabhängiger Personen nur zögerlich Eingang in die Behandlung gefunden“, erinnert sich Wodarz. Deswegen wurde der Informationstransfer verbessert, Telefonhotlines geschaltet, Broschüren zur Entwicklung der Zahl der Drogentoten gedruckt und ein Leitfaden für Ärzte zur substituierten Behandlung erstellt. Dieser wird laut Wodarz inzwischen deutschlandweit als Standardwerk verwendet.

Seit 2007 kümmert sich die BAS auch um das Alkoholpräventionsprojekt HaLT in Bayern, das inzwischen an 45 Standorten angeboten wird. Dabei sollen Jugendliche, aber auch Vereine, Gastronomen und Einzelhändler für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol geschult werden. Ein Jahr später kam noch die Landesstelle Glücksspielsucht hinzu. Sie koordiniert unter anderem den Ausbau von Hilfsangeboten, qualifiziert Mitarbeiter und bietet auch Trainings für Angehörige von pathologischen Glücksspielern an.

Des Weiteren beschäftigt sich die BAS mit psychoaktiv wirkenden Medikamenten, Drogen wie Crystal Meth oder anderen Abhängigkeitserkrankungen wie Essstörungen. Für Hebammen werden zum Beispiel zielgruppenspezifische Schulungen zur Tabakentwöhnung von Schwangeren angeboten. In den verschiedenen Kooperationsprojekten und Netzwerktreffen wird darüber hinaus regelmäßig über Themen wie Onlinesucht, Drogenkonsum im Strafvollzug oder Migration und Suchterkrankung informiert. „Letzteres hat bundesweit Resonanz hervorgerufen“, betont Wodarz. Am 11. April geht es um die medizinische Verwendung von Cannabis.

CSU für Methadon, Naloxon und Cannabis die Grünen freut's

Ausschusschefin Kathrin Sonnenholzner (SPD) nannte die Bilanz „beeindruckend“. Ausschussvize Bernhard Seidenath (CSU) lobte das Engagement für die Methadonsubstitution. „Sie ist ein wichtiges Element, um Suchtkranke in ein normales Leben zurückzuführen.“ Er verwies auf ein bayerisches Modellprojekt, bei dem aktuell die Abgabe von Naloxon an Laien erprobt wird. Das Gegengift soll bei einer Drogenüberdosierung die Todesrate um 30 Prozent reduzieren. Seidenath sprach sich auch für den therapeutischen Konsum von Cannabis aus. Die Effekte seien bei Patienten mit Schluckbeschwerden „so gut wie bei kaum einem anderen Medikament“.

Kerstin Celina (Grüne) freut sich, dass die CSU am Ende dieser Legislaturperiode ebenfalls vom Nutzen von Methadon, Naloxon und Cannabis überzeugt ist. Die Abgeordnete kritisierte aber, dass in bayerischen Schulbüchern noch immer die Rede von „Alkohol und Drogen“ sei. „Um das Thema Prävention ernsthaft zu bearbeiten, dürfen legale Drogen nicht länger als Genussmittel bezeichnet werden“, forderte sie. Ähnlich argumentierte Karl Vetter (Freie Wähler). „Wir dürfen die Augen nicht vor Alkohol und Nikotin verschließen“, unterstrich er. Allein Alkoholmissbrauch verursache in Deutschland volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von 70 Milliarden Euro. „Legale Drogen“, so Vetter, „sind unser Hauptproblem.“ (David Lohmann)

INFO Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung
Im Herbst 2017 trat die Reform der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) in Kraft – und mit ihr die neue Richtlinie der Bundesärztekammer.

Zahlen: In Deutschland gibt es rund 140 000 Opioidabhängige – etwa die Hälfte befindet sich in einer Substitutionsbehandlung.

Reform: Die Substitutionstherapie wird jetzt stärker durch die Ärzte bestimmt, weil sie die Therapieziele flexibler an die Situation ihres Patienten anpassen können.

Take-Home-Regelung: Stabile Patienten dürfen Substitutionsmittel durch die Neuregelung jetzt bis zu 30 Tage eigenverantwortlich einnehmen, wenn es Arbeit oder Urlaub erfordern. Früher waren maximal sieben Tage erlaubt. Viele Abhängige mussten diese aber täglich in der Arztpraxis unter Aufsicht einnehmen.

Pflege: Viele langjährig Substituierte leben in Heimen und Hospizen. Seit der Neuregelung dürfen auch dort Substitutionsmittel unter Aufsicht zum unmittelbaren Verbrauch ausgegeben werden. Dadurch soll die wohnortnahe Versorgung gesichert werden.

Konsiliarregelung: Die Vorschrift regelt die gemeinsame Behandlung mit suchtmedizinisch nicht erfahrenen Kollegen. Statt drei dürfen jetzt zehn Patienten behandelt werden.

Bürokratie: Früher bestand immer die Gefahr von Strafverfahren für die behandelnden Ärzte. Durch die erhöhte Rechtssicherheit im Rahmen der Reform bei der Betreuung von substituierten Patienten erhoffen sich Ärzteverbände, dass sich weitere Kollegen für die Substitutionsbehandlung gewinnen lassen. (loh)

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