Mit einem Vorschlag zur Änderung der Geschäftsordnung des Landtags haben CSU und Freie Wähler für neue Regeln beim Zugriff auf die Ausschussvorsitze durch die Fraktionen gesorgt. Demnach kommt dabei nicht mehr das bisherige Zugriffsverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers zur Anwendung, sondern nach d’Hondt.
Dieses sichert den beiden Koalitionsfraktionen die ersten drei Zugriffe auf die insgesamt 14 Ausschussvorsitze zu, statt wie bisher nur die ersten zwei. Hintergrund war die Sorge, dass sonst die vom Verfassungsschutz beobachtete AfD als größte Oppositionsfraktion die Leitung des Finanz-, des Innen- oder des Rechtsausschusses hätte übernehmen können. Insgesamt stehen der CSU sechs Zugriffe auf Vorsitze zu, den Freien Wählern drei, AfD und Grünen zwei und der SPD einer.
Durch eine weitere Änderung der Geschäftsordnung kann zudem verhindert werden, dass die AfD einen Sitz in der G10-Kommission erhält, die Einschränkungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses durch die Sicherheitsbehörden überprüft. Die G10-Kommission besteht aus zwei Vertreter*innen der Regierungsfraktionen und einem oder einer aus der Opposition. Bislang stand dieser Sitz der größten Oppositionsfraktion zu. Nun muss sich die Opposition auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin einigen. Gelingt dies nicht, braucht ein Personalvorschlag die Zustimmung von mindestens einem Fünftel der Landtagsmitglieder. Die AfD allein erreicht dieses Quorum nicht.
Ein „Ermächtigungsgesetz“: Die AfD langt verbal hin
Eine dritte Neuerung betrifft die Vertretungsregel im Falle der gleichzeitigen Verhinderung von Ausschusschef*in und Stellvertreter*in. Hier bestimmen die Ausschussmitglieder künftig mit Mehrheit eine Übergangsleitung. Nötig könnte das zum Beispiel werden, wenn die Wunschkandidat*innen der AfD für einen Ausschussvorsitz in dem Gremium nicht gewählt werden und dann einmal die Stellvertretung aus einer anderen Fraktion krankheitsbedingt ausfällt. Der Ausschuss wäre dann führungslos und nicht arbeitsfähig.
Den Änderungsvorschlägen von CSU und Freien Wählern stimmte auch die SPD zu. Grüne und AfD votierten dagegen. Die im Vorfeld der Entscheidung diskutierte Idee, die Ausschusschef*innen nicht mehr zu wählen, sondern von den zugriffsberechtigten Fraktionen benennen zu lassen, wurde dem Vernehmen nach in den internen Gesprächen verworfen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, Michael Hofmann, erklärte, eine wehrhafte Demokratie zeichne sich dadurch aus, dass sie auf aktuelle Entwicklungen schnell und effektiv reagiere. Er spielte damit auf das Erstarken der AfD zur größten Oppositionskraft an. Mit den Änderungen werde sichergestellt, dass die vom Wähler bestätigte Mehrheit im Landtag auch bei der Besetzung der Ausschussvorsitze erkennbar wird. Die Mitwirkungsrechte der Opposition würden dadurch nicht geschwächt, weil die Zahl der ihr zustehenden Vorsitze insgesamt gleich bleibe. Das geänderte Verfahren sei „gerecht, rechtlich anerkannt und verfassungsrechtlich zulässig“. Alle Änderungen zielten darauf ab, einen „möglichst harmonischen parlamentarischen Betrieb“ zu gewährleisten.
Dagegen beklagte Christoph Maier (AfD), dass sich die CSU durch Machtmissbrauch mehr Einfluss verschaffe. Er sprach von einem „Angriff auf die parlamentarischen Minderheitenrechte“. Mit der Änderung der Vertretungsregel für verhinderte Ausschussvorsitzende könnten CSU und Freie Wähler jeden Vorschlag aus der Opposition ins Leere laufen lassen. Maier kündigte namens der AfD eine Klage vor dem Verfassungsgericht an. Für heftigen Widerspruch sorgte Maier mit der Aussage, die Änderung der Geschäftsordnung sei ein „kleines Ermächtigungsgesetz für die Regierungsfraktionen“. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn wies diese gedankliche Verknüpfung mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten von 1933 empört zurück: „Wer diesen Vergleich zieht, zeigt, in welcher geistigen Tradition er steht.“
Der Grüne Jürgen Mistol kritisierte CSU und Freie Wähler für ihr Vorgehen, das auch seine Fraktion benachteiligt. „Sie führen das neue Verfahren nur ein, weil es Ihnen in den Kram passt“, sagte er. Wenn man einen Ausschusschef der AfD verhindern wolle, würde es ausreichen, den entsprechenden Kandidaten nicht zu wählen. Das sei schon nach der alten Geschäftsordnung möglich gewesen. Es brauche deshalb „keine Verrenkung der Geschäftsordnung“. Mit dem Wechsel auf d’Hondt komme zudem ein Verfahren zum Einsatz, das große Fraktionen bevorzuge und bei einer Expert*innenanhörung des Landtags als Methode bezeichnet worden sei, die die Umsetzung des Wahlergebnisses auf parlamentarische Gremien verzerre und am meisten vom Idealrahmen abweiche, erklärte Mistol.
Felix Locke (Freie Wähler) verteidigte die Änderungen. Man wende dabei ausschließlich „verfassungsrechtlich anerkannte Verfahren“ an, es handle sich „nicht um Taschenspielereien“. Man sichere damit die „Stabilität des Parlamentsbetriebs“. Die SPD stimmte dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen aus „staatspolitischer Verantwortung, aber auch schweren Herzens“ zu. „Für uns steht der Schutz der Verfassung an erster Stelle“, sagte die SPD-Abgeordnete Simone Strohmayr. „Wir wollen nicht, dass Extremisten und Verfassungsfeinde zentrale Funktionen in diesem Landtag einnehmen.“ (Jürgen Umlauft)
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