Landtag

Die Bayerische Staatsoper in München ist ein viel geliebtes Aushängeschild bayerischer Kulturpolitiker. Doch auch in den Regionen blüht kulturelles Leben. (Foto: dapd)

02.12.2011

Zu viel Vergangenheit, zu viel München

Anhörung im Kulturausschuss: Experten kritisieren die „Leitlinien bayerischer Kulturpolitik“

Am Ende behielt der neue Vorsitzende Oliver Jörg (CSU) natürlich recht: An einem einzigen Vormittag lassen sich nicht alle wichtigen Aspekte der bayerischen Kulturpolitik abarbeiten. Ein eindeutiges Ergebnis brachte die Anhörung im Kulturausschuss am Mittwoch dennoch: Die geladenen Experten kritisierten unisono die von Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) im Februar 2010 veröffentlichten Leitlinien bayerischer Kulturpolitik. „Bayern ist besser als das, was in diesen Leitlinien steht“, monierte etwa Professor Max Fuchs vom Deutschen Kulturrat in Berlin. Sein ernüchterndes Fazit: „Das sind keine Leitlinien.“
Vor allem die „Rückwärtsgewandtheit“ des „dünnen Papiers“ stieß auf großen Widerspruch der Gäste. „Wenn die Landesregierung die kulturelle Identität einseitig auf das Erbe der Wittelsbacher und die Reichsstädte beschränkt, verschenkt sie den kulturellen Reichtum Bayerns“, sagte Fuchs. Eine zeitgemäße Kulturpolitik müsse sich auch mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen, etwa der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung. Doch die „eklatanten Teilhabeprobleme“ kämen viel zu kurz. Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Isabell Zacharias (SPD) griff das Stichwort dankbar auf: „Ich sehe in der Oper kaum Menschen mit Migrationshintergrund.“ Provokant fügte sie an: „Die Ureinwohner Deutschlands aber werden immer weniger.“

"Blumen blühen überall und müssen über gegossen werden"


Auch der Erlanger Kulturreferent Dieter Rossmeissl monierte, dass die „Leitlinien“ zu stark von „Traditionslinien“ geprägt seien. „Sie sind mehr Herleitung aus der Vergangenheit als Hinleitung in die Zukunft.“ Außerdem warf er dem Staatsministerium für Kunst und Wissenschaft „ein verzerrendes Geschichtsbild“ vor, wenn es das Haus Wittelsbach als prägend für ganz Bayern betrachtet.
Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper, erklärte den Begriff Leitkultur gleich für komplett überflüssig. Denn Kunst sei einerseits abhängig von Talent, über das man genauso wenig diskutieren könne wie über Geschmack. Außerdem sei sie per se identitätsstiftend. „Picasso konnte gar nicht anders, als aus seinem spanischen Hintergrund heraus zu arbeiten.“
Neben der kulturellen Bildung – Rossmeissl forderte ein Fördergesetz und stieß damit auf große Zustimmung – wurde vor allem die starke Konzentration der staatlichen Kulturpolitik auf München diskutiert. „Der Freistaat interessiert sich mehr für seine Einrichtungen, als Kultur in die Regionen zu bringen“, sagte Fuchs. „Die Blumen aber blühen überall und müssen überall gegossen werden“, so Jürgen Enninger, bayerischer Ansprechpartner vom Kompetenzzentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Auch Ausschussmitglied Karl Freller (CSU) beklagte eine „Schieflage“, der Nordteil Bayerns käme viel zu kurz. Es sei ja toll, dass München drei Weltklasse-Orchester habe, seit Monaten aber kämpfe man um die Nürnberger Symphoniker. Und ausdrücklich lobte Freller das Nürnberger Kinder- und Jugendtheater Mummpitz.
Bachler warnte davor, Landeshauptstadt und Regionen  gegeneinander auszuspielen: Sein Haus etwa könne ohne Regionalkunst gar nicht leben, sagte er. „Kunst aber ist nicht demokratisch, sie drängte schon immer in die Hauptstadt“, glaubt Bachler. Daran ließe sich nichts ändern. „Denn man kann Kunst nicht evozieren, sie muss von selbst entstehen.“
Sepp Dürr (Grüne) betonte, dass der Freistaat natürlich die Verantwortung für die gesamte Kultur im ganzen Land übernehmen müsse. Im Anschluss an die Ausschusssitzung stellte er gemeinsam mit Michael Lerchenberg den Heimatkongress seiner Landtagsfraktion vor. Am Samstag will man in Regensburg unter dem Motto „Regionale Identität in einer globalisierten Welt“ ein Konzept für Heimat entwerfen, das sich von dem ausgrenzenden „Mia san mia“-Bild löse. Dass kulturelle regionale Vielfalt in Bayern durchaus funktionieren kann, zeigt das Beispiel Lerchenberg. Der Intendant der Luisenburgfestspiele Wunsiedel lockte in nur drei Monaten 150 000 Zuschauer nach Franken. Von Ausgrenzung hält der Oberbayer ohnehin nichts. Er betonte: „Ich bin ein Teilzeit-Oberfranke.“
(Angelika Kahl)

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