20 Jahre erfolgreiche HIV-Prävention in München: Anlässlich seines 20. Geburtstags zieht das Schwule Kommunikations- und Kulturzentrum München (Sub) eine positive Bilanz: "HIV ist keine tödliche Bedrohung mehr. Gleichzeitig ist die schwule Szene der Stadt geschrumpft und die Community hat ihr Ausgehverhalten verändert", sagt Kai Kundrath, Leiter des Präventionsprojekts im Sub.
Die Bedingungen sind heute andere: Die Immunschwächekrankheit Aids hat an Brisanz verloren. Mit einer geeigneten Therapie können Infizierte die Krankheit leicht in den Griff bekommen, HIV ist zur chronischen Infektion geworden. Trotzdem stecken sich noch immer Menschen mit dem Virus an und die Diskriminierung HIV-positiver Menschen ist allgegenwärtig. Prävention ist und bleibt deshalb eine Top-Priorität der Gesundheitsbehörden in Deutschland und speziell in Bayern.
Das Projekt Prävention im Sub, das die Münchner Schwulen-Community vor 20 Jahren ins Leben gerufen hat, hat dazu beigetragen, die Neuinfektionen in Bayern unter Männern, die Sex mit Männern haben, stabil zu halten. Wie die aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen, ist das bis heute der Fall, auch wenn sich die Situation etwas verschoben hat. Unter den jungen Männern, die HIV und Aids nicht mehr als Bedrohung wahrnehmen, sind die Neuinfektionen leicht angestiegen. Bei den Älteren sinken sie. Im internationalen Vergleich steht Deutschland gut da mit seinen 2300 Neuinfektionen unter Männern, die Sex mit Männern haben (2013: 2400). Insgesamt leben in Deutschland schätzungsweise 83.400 Menschen mit HIV/Aids (Ende 2014).
Praktikable Safer-Sex-Strategie
„Wir haben das Projekt Prävention in Absprache mit der Münchner Aids-Hilfe vor 20 Jahren gegründet, weil wir als Teil der Schwulenszene auch selbst Verantwortung für die Szene übernehmen wollten“, sagt Guido Vael, Mitbegründer des Projekts und lange Jahre Leiter der HIV-Prävention im Sub. „Schließlich waren schwule Männer am häufigsten betroffen, HIV und Aids damals ein Problem der ganzen Szene.“
Die Krankheit war tödlich, es gab keine Medikamente. Und die Politik war anfangs keineswegs auf Aufklärung aus, sondern agierte eher repressiv. Das schweißte die Menschen zusammen. „Mit den Therapiemöglichkeiten heute“, sagt Kai Kundrath, „ist die Infektionskrankheit eher ein individuelles Thema geworden.“ Neben dem Kondom bietet - nach einer Ansteckung - die antiretrovirale Therapie einen guten Schutz, wenn die eigenen HIV-Erreger im Blut nicht mehr nachweisbar sind. Sie ist eine praktikable Safer-Sex-Strategie gerade in Partnerschaften von Männern mit unterschiedlichem HIV-Status. Und dank der Präexpositionsprophylaxe können schon jetzt in den USA HIV-negative Personen präventiv Medikamente einnehmen, um sich zu schützen. Das alles ist Safer Sex. Guido Vael hatte für die Präventionsarbeit der Münchner Szene schon im Jahre 1995 ein wegweisendes Drei-Säulen-Modell entwickelt, das bis heute - in modifizierter Form - existiert.
Schwule Stammkneipen sind verschwunden
Aus dem Infopool verteilten Vael und sein ehrenamtliches Team Informationsbroschüren und -flyer. In den Stammkneipen der Münchner Szene saßen die so genannten Vertrauensmänner, Männer, an die sich Interessierte mit ihren Fragen zu HIV und Aids, mit ihren Sorgen und Nöten generell wenden konnten. Besonders agil waren die Sittenstrolche, eine Aktionsgruppe, die mit Theaterstücken, Sketchen und Aktionen auf HIV und Aids aufmerksam machte. Ein paar dieser Männer kamen aus der Improtheaterszene und mit ihren Auftritten klärten sie auf spielerische Weise über die Gefahren einer HIV-Infektion auf, ohne moralisch zu wirken. Die "Sittenstrolche" reisten mit ihrem Programm durch ganz Deutschland.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute gibt es Infos überwegend digital. Und die schwulen Stammkneipen sind verschwunden. Die Sittenstrolche heißen jetzt Safety-Aktionsgruppe (S’AG). Ihr Programm haben sie an das Ausgehverhalten junger Männer angepasst: Theater spielen sie nicht mehr, sie überraschen auf den großen Szene-Events wie Magic Bar Tour, CSD, dem Hans-Sachs-Straßen- und dem Oktoberfest mit kreativen Foto- und Sampling-Aktionen. Freilich sind die Männer, nach wie vor ehrenamtlich übrigens, immer noch mit ihrem Bauchladen in der Szene anzutreffen, um Kondome zu verteilen. Sie müssen allerdings flexibel sein, denn feste Szeneorte gibt es kaum mehr. Und sie sollten unterhalten: Platte Sprüche kommen beim Publikum nicht an.
In der Szene unterwegs, um Kondome zu verteilen
„Die ehrenamtliche Arbeit bei der S'AG macht mir Spaß“, sagt Gruppenmitglied Alexander Deeg. „Schließlich geht es um Themen, die auch in meinem eigenen Leben eine Rolle spielen. Darüber hinaus bekommt man Einblicke in viele verschiedene Lebenswelten.“
Zum Angebot des Sub gehört seit 2005 auch ein monatlicher Test auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI), den das Projekt Prävention und die Münchner Aids-Hilfe mit der Stadt München zusammen anbieten, sowie eine Gruppe für HIV-Positive. Auch Männer mit Migrationshintergrund spricht das Projekt Prävention gezielt an. „Wir wollen dafür sorgen, dass die schwulen Männer in unserer Szene Bescheid wissen, entsprechend Verantwortung übernehmen und eine Heimat bei uns finden“, sagt Kai Kundrath. (BSZ)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!