Leben in Bayern

Dieser Flieger hebt nur noch virtuell ab. Er befindet sich an einem Baumwipfelpfad im Bayerwald. (Foto: Bäumel-Schachtner)

02.05.2025

Abheben in die virtuelle Realität

Ein ausrangierter Airbus A319 fungiert als Touristenattraktion im Bayerwald – fliegen kann er zwar nicht, aber man bekommt trotzdem einiges geboten

Ein findiger Unternehmer sorgt dafür, dass die Passagiere in Sankt Englmar sehr entspannt in einen ganz besonderen Flieger einsteigen können. Ganz ohne nervigen Sicherheitscheck und ohne langes Boarding. Denn im vergangenen Jahr ist neben dem Waldwipfelweg der Familie Six der Airbus A319 gelandet. Und auch, wenn der 20 Jahre alte Flieger in 7 Meter Höhe ganz fest verschraubt ist, können die Passagiere zumindest gefühlt abheben und einen Flug über den Bayerwald erleben. Virtual-Reality-Brillen machen es möglich.

Nur Fliegen ist schöner. Wie oft wurde Martin Six schon für seine Ideen für verrückt erklärt? „Nicht zum ersten Mal“, sagt der 56-Jährige lachend. Ihm fällt immer wieder etwas Neues ein. 2008 eröffnete er den Waldwipfelweg, einen hölzernen Pfad in 400 Metern Höhe, der an sonnigen Tagen einen Ausblick bis zu den Alpen bietet. Immer wieder kam etwas Neues dazu – das Haus, das auf dem Kopf steht, bis zum 55 Meter hohen Turm mit einem bequemen Aufwärtsweg für die Erwachsenen und Rutschen und Klettermöglichkeiten für die Kinder. Und nun begrüßt schon am Busparkplatz der Bayerwald-Flieger die Besucherinnen und Besucher.

Die Nachbarn verhinderten das Mitmach-Museum

Eigentlich sollte es ein Projekt seines Bruders Wolfgang Six werden. Der hatte im alten Pfarrhof in Sankt Englmar das Bayerwald-Xperium, ein Mitmach-Museum der Wissenschaften, geplant. Der Airbus hätte in den Hof kommen sollen. Die Genehmigung war schon da, doch die Nachbarn störten sich daran und so wurde die Genehmigung widerrufen.

Wäre sein Bruder Martin nicht gewesen, wäre das Projekt gescheitert; der Unternehmer übernahm kurzerhand den Flieger und die Regie. „Das Flugzeug kommt aus England und war früher Bestandteil einer indischen Airline“, erzählt der Waldwipfelweg-Chef. In Indien absolvieren die Flieger so viele Starts und Landungen, dass das ans Material geht. Der Airbus war erst 20 Jahre alt, als er in England auf einem Schrottplatz landete. Da schlug die Familie Six zu.

Vor Ort wurden die Flügel abgetrennt und das Flugzeug der Länge nach zweimal durchgeschnitten. Dann wurde der Flieger auf Lastwagen nach Deggendorf gebracht, wo er von der Firma Streicher eineinhalb Jahre lang fit für seinen neuen Wirkungskreis im Bergdorf im Landkreis Straubing-Bogen gemacht wurde.

„Er war innen in keinem guten Zustand“, erzählt Martin Six. Die ehemalige Passagiermaschine wurde von Grund auf sauber gemacht, erhielt einen neuen Teppich sowie neue Sitzbezüge. Die Zahl der Sitze wurde halbiert, damit die künftigen „Fluggäste“ mehr Beinfreiheit haben. Dann wurde die Maschine nach Sankt Englmar transportiert. „Das war eine Mordsaktion“, sagt Six schmunzelnd. Es mussten auf dem Weg extra Leitplanken und Verkehrszeichen versetzt werden, um so manche Kurve zu meistern. In 7 Meter Höhe wurde der Bayerwald-Flieger schließlich mit zwei Kränen aufgestellt.

Eine hölzerne Gangway führt zur Tür. 72 Passagiere haben Platz, ein Flugticket kostet 8 Euro. Auf dem Platz angekommen, erhält jeder eine Virtual-Reality-Brille. Und los geht der Flug, durch den auf witzige Weise der animierte Wolpertinger Xaverl führt, der alle bei seiner Xav-Air begrüßt. Schon hebt man ab und sieht beim Blick aus dem Fenster – alles per Brille – die Wiesen und Bäume kleiner werden.

Viele Flugzeuge wurden ausgemustert

Es geht nach Sankt Englmar und Elisabethszell, auf den Pröller, den Arber und den Osser, zum Höllensteinsee und auf den Bogenberg, und es wird auch mal richtig winterlich. Und alles sieht genauso aus wie der Blick aus dem Flugzeug, auch, wenn man sich nach links, nach rechts und nach hinten dreht.

Genau 25 Minuten und 45 Sekunden dauert der Flug. Ein Start-up hat für die Bilder zwei Jahre lang die Region mit Drohnen aus der Vogelperspektive gefilmt und das Konzept für den Film entwickelt. Wem wirklich – wie bei einer richtigen Reise – schwindelig wird, der kann die Brille kurzerhand abnehmen und den Film dann auf dem Bildschirm ansehen. Hier ist das Flugerlebnis aber nicht so echt wie durch die Brille.

Für die Familie Six war Corona in Bezug auf den Airbus sogar ein Glücksfall: „Die Flugzeuge blieben da fast alle am Boden, und viele wurden ausgemustert.“ Die Investitionssumme war dennoch groß, ohne dass Martin Six sie nennt – aber der Bayerwald-Flieger sei zusammen mit dem 55 Meter hohen Turm eine der größten Investitionen gewesen.

Die Fluggäste jedenfalls sind begeistert. Jede Dreiviertelstunde wird abgehoben. An der Kasse kann sich jeder schon eine Uhrzeit für den „Take-off“ aussuchen und muss dann nicht lange in der Schlange stehen – ganz anders als an einem richtigen Flughafen. Im Bayerwald geht es beschaulicher zu. (Melanie Bäumel-Schachtner)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.