Leben in Bayern

Egon Greipl in seiner Münchner Wohnung. Oft ist er aber auch in Passau, dort sitzt er im Stadtrat. (Foto: Stumberger)

04.05.2018

"Alter schadet doch nicht"

Seit mehr als vier Jahren ist Egon Greipl im Ruhestand – doch mit Ruhe hat das Leben des ehemaligen Generalkonservators auch mit fast 70 nichts zu tun

Bis Ende 2013 war er Bayerns oberster Denkmalschützer. Doch seinen Kampf für den Erhalt seiner bayerischen Heimat führt er mit voller Energie weiter. Als Unterstützer des Volksbegehrens gegen den Flächenfraß in Bayern. Und als ÖDP-Stadtrat in Passau. Allerdings ist der 69-Jährige von der Politik enttäuscht. Er klagt: Zu selten prägen Sachargumente Entscheidungen. Besucht man Egon Greipl in seiner Münchner Altbauwohnung, kommt man an Bonsl nicht vorbei. Der Deutsche Jagdterrier begrüßt und beschnuppert jeden Gast. 14 Jahre hat der Hund bereits auf dem Buckel. Aber Greipl sagt: „Alter schadet nicht.“ Und bezieht das auch auf sich selbst. Bis Dezember 2013 war Greipl Bayerns oberster Denkmalschützer. Jetzt ist er im Ruhestand. Im Herbst feiert er seinen 70. Geburtstag.

Wobei: Das Wort Ruhestand passt nicht wirklich zu dem Mann. Denn in Sachen Denkmalschutz ist er weiter schwer aktiv. Als ÖDP-Stadtrat in seiner Heimatstadt Passau. Und auch als Unterstützer des Volksbegehrens gegen den Flächenfraß in Bayern. 46 000 Bürger hatten das Volksbegehren unterschrieben. Weil es das bayerische Innenministerium zurückgewiesen hat, muss nun das Oberste Verwaltungsgericht innerhalb von drei Monaten über dessen Zulassung entscheiden.

Und dann ist Greipl auch noch viel auf Veranstaltungen unterwegs. Jüngst sprach er zum Beispiel in der vollbesetzten Aula der Philosophischen Hochschule in München. Das Thema: „Flächenfraß ohne Ende? Sind Verschandelung und Zerstörung unserer Heimat noch zu stoppen?“

„Wenn Heimat wieder Konjunktur hat, dann stimmt etwas nicht“, sagt Greipl. Er zeigt Fotos von Tettenweis – nur eines der vielen Negativbeispiele, die er kennt. Die niederbayerische Landgemeinde im unteren Rottal hat rund 1700 Einwohner. Auf einer aktuellen Aufnahme sind große Silobehälter zu sehen. Um 1877, also zu Zeiten von „Malerfürst“ Franz Stuck (damals noch ohne von), dem bekanntesten Sohn des Dorfes, ist die Dorfansicht noch unberührt.

Nächstes Beispiel: Markt Obernzell. Die Gemeinde hat 4000 Einwohner und liegt von Passau 16 Kilometer entfernt donauabwärts. Greipl zeigt eine grafische Darstellung der Altstadt und alle gelb eingezeichneten Grundstücke sind leer stehende Häuser – es sind viele. Einen „schleichenden Untergang“ nennt Greipl diese Entwicklung, die Ortskerne veröden und die Häuser und Läden stehen leer, während draußen in der Fläche sich die Discounter mit ihren großen Parkplätzen ansiedeln.

Als Landeskonservator hat Greipl für den Erhalt von Bau- und Bodendenkmälern gekämpft und seine Liebe zur Heimat merkt man ihm an, wenn er davon spricht, dass die „sichtbare Geschichte“ unseres Landes verschwinde, das „kollektive Gedächtnis“. Auch durch den Flächenfraß.

13,1 Hektar Boden werden jeden Tag im Freistaat zubetoniert, also in Verkehrs- und Siedlungsfläche umgewandelt, das macht 48 Quadratkilometer pro Jahr, was etwa einer Fläche von der Größe des Ammersees entspricht. Bundesweit sind es 61 Hektar pro Tag und damit doppelt so viel, wie die Politik als Richtzahl bis 2020 formuliert hatte. „Das Ziel wurde gewaltig verfehlt“, klagt Greipl.

Genau deshalb würden bei ihm auch die Alarmglocken schrillen, wenn plötzlich die „Heimat“ von den Parteien so hochgehoben wird, sagt Greipl. Denn zum Schutz dieser Heimat brauche es mehr. Er gibt sich zuversichtlich, dass das Volksbegehren am Ende doch noch zugelassen werde. Die CSU wolle im Grunde ja nur den Schwarzen Peter an das Gericht weitergeben. Damit sei sie dann selbst aus dem Schneider, glaubt er. Eine Aussage, die der 69-Jährige auch auf seine Erfahrung als Stadtrat in der Dreiflüssestadt Passau stützt.

Passau hat keinen Metzger, aber ein Dackelmuseum

In Passau ist Greipl mit seinen beiden Geschwistern groß geworden. Der Vater wollte eigentlich Pfarrer werden, wurde dann aber bei der Bundeswehr General der Gebirgstruppen. Auch Egon Greipl ging zum Militär, brachte es bis zum Oberst der Reserve. Und entschied sich dann aber für das Studium der Kunstgeschichte in Regensburg. Nach Stationen als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Akademischer Rat und als Kulturreferent folgte 1999 die Anstellung als Generalkonservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.

Als Stadtrat auf der ÖDP-Liste steht Greipl für eine wertkonservative ökologische Politik. Allerdings ist er von den Mechanismen der Politik eher enttäuscht. „Ich hätte mir das so nicht vorgestellt“, sagt er. Und meint, dass politische Entscheidungen weniger von Sachargumenten als von örtlichen Befindlichkeiten abhingen. Oft würde in den Fraktionen die Marschrichtung bereits vorgegeben, die Abstimmung sei dann nur noch Routine.

So steht der ehemalige Generalkonservator etwa auch Entscheidungen zu städtebaulichen Entwicklungen kritisch gegenüber. Es mangele zum Beispiel an genossenschaftlichem Wohnungsbau und an Fantasie beim Neubau: „Wo sind Wohnquartiere wie damals die Münchner Borstei?“, fragt er. Er benennt auch die Gefährdung des Stadtbilds durch die Gier von Investoren, die beim illegalen Abriss des sogenannten Uhrmacherhäusls in München-Giesing ursächlich gewesen sei.

Aber nicht nur um München, auch um seine Heimatstadt Passau sorgt sich Greipl. Aktuell wegen eines jüngst eröffneten Dackelmuseums. Gleich gegenüber der Neuen Bischöflichen Residenz. Die Stadt habe seit den Römern eine großartige Geschichte hinter sich, sagt der ehemalige Generalkonservator. Und da stelle sich ihm dann schon die Frage: „Was hat der Dackel eigentlich mit Passau zu tun?“ Die meisten anderen Bewohner allerdings stellen sich diese Frage wohl nicht. Nahezu die ganze Stadt scheint im großen Dackelfieber zu sein, der Zuspruch ist riesig.

Greipl klagt, Passau verkomme zur Pappkulisse. Es gebe zu viele Souvenirläden. Die Stadt habe zwar keinen Metzger mehr, aber ein Dackelmuseum. Absurd.

Aber immerhin: So groß der Hype auch gerade um das ungewöhnliche Museum ist, ein derartiger Ruhm könne ähnlich kurz sein wie Dackelbeine, so Greipl. Vor 40 Jahren gab es sogar ein ganzes „Dackeldorf“ in Niederbayern, in Gerweis, einem Ortsteil von Osterhofen, erinnert er sich. Was aber heute außer ihm kaum einer mehr weiß.
(Rudolf Stumberger) Foto (dpa): Das erste Dackelmuseum der Welt steht in Passau. Aus Sicht von Egon Greipl ein Unding.  

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