Leben in Bayern

Mit jährlich vier Millionen Fluggästen ist der Nürnberger Flughafen der zehntgrößte Airport Deutschlands. Foto: dapd

21.01.2011

Arbeiten, wo andere in den Urlaub fliegen

Serie: Blaulicht – Bayerns Polizei im Einsatz (XI): Die Flughafenpolizei hat wegen der jüngsten Terrorwarnungen und internationaler Passfälscher alle Hände voll zu tun

Aufgrund der aktuellen Terrorwarnungen muss die Polizei auf Bayerns Flughäfen erhöhte Präsenz zeigen. Dabei arbeiten viele der dort eingesetzten Beamten schon jetzt am Limit. Auch die Nürnberger Polizisten Norbert Wild und Thomas Weiß haben derzeit alle Hände voll zu tun. Ein Problem: Vor allem EU-Pässe erfreuen sich bei Fälschern zunehmend großer Beliebtheit. Wie ein Pass aus dem Königreich Swasiland im südlichen Afrika aussieht? Da muss selbst Norbert Wild passen – aber nur kurz. Ein paar Klicks am Computer an seinem Arbeitsplatz und er hat ein Bild des Papiers hervorgezaubert: Es zeigt ein dunkelblaues Büchlein mit einem kunstvollen Emblem, auf dem ein Löwe und ein Elefant ein Schild zwischen sich halten. Gerade afrikanische und asiatische Länder hätten oft wunderschöne Wappen auf ihren Pässen, sagt Wild anerkennend.
Er muss es wissen, schließlich kommen dem Dienstgruppenleiter und Urkundenspezialisten bei der Polizeiinspektion Nürnberg-Flughafen täglich Dokumente aus aller Herren Länder unter die Augen, wenn er in einem der fünf Quadratmeter großen Kontrollschalter Pässe von Passagieren prüft.
Die falschen Papiere die Toilette heruntergespült
Bei Reisenden aus den meisten europäischen Ländern ist diese Prozedur schnell erledigt. „Hier“, Norbert Wild deutet auf die unterste Zeile eines Personalausweises, „das ist die Ausweisnummer, das Geburtsdatum des Inhabers und das Ablaufdatum des Ausweises“.
Das Entziffern der Daten erledigt ein Kontrollgerät für ihn in wenigen Sekunden. Ergebnis: Alles in Ordnung. Nun noch ein Blick auf das Foto und zum Vergleich ins Gesicht des Reisenden, dann ein schneller Check, ob das Bild auch die obligatorische Lasergravur aufweist – schon ist der nächste Fluggast an der Reihe.
Wer dagegen nicht aus einem EU-Mitgliedsland, aus der Schweiz, Norwegen oder Island stammt, muss etwas mehr Zeit einkalkulieren. Denn „Drittausländer“, wie sie bei der Flughafenpolizei genannt werden, müssen ein Visum vorweisen. Eine Wissenschaft für sich sind diese Aufenthaltsgenehmigungen, so genannte Schengen-Titel, von denen es mittlerweile über 500 gibt.
Zum Glück haben Norbert Wild und seine Kollegen ihre elektronischen Helfer. Wie beispielsweise der litauische Aufenthaltstitel eines Russen aussieht? Ein paar Klicks, schon hat der Dienstgruppenleiter ein Muster des Dokuments auf seinem Bildschirm und kann überprüfen, ob das ihm vorgelegte Visum echt ist.
An diesem Wintertag ist an den Kontrollschaltern im Nürnberger Flughafen nicht viel los. Fünf Ausreisen und zwei Einreisen hätten sie heute schon gehabt, sagt Thomas Weiß, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Nürnberg-Flughafen, fünf weitere Einreisen stünden noch auf dem Plan.
Während der Sommerferien gibt es hingegen schon mal 20 bis 30 Flüge pro Tag, bei denen die Ausweispapiere der Passagiere überprüft werden. Hunderte von Menschen müssen dann innerhalb kürzester Zeit kontrolliert werden. Klar, dass die Polizisten da nicht jedes Dokument genau unter die Lupe nehmen können.
Aber, sagen die beiden Beamten, man habe ja ein gewisses Gespür, wann ein intensiverer Blick vielleicht angebracht sei. Bei kleinen Abweichungen von der Norm beispielsweise. Wenn sich etwa in einer Gruppe Rumänen auf einmal zwei Männer mit italienischen Pässen finden. Wobei man wissen muss, dass EU-Pässe, besonders jene aus Bulgarien, Litauen und eben Italien, bei Fälschern besonders beliebt sind. In dem Fall hatte jedoch alles seine Ordnung: Die Reisenden, auch die beiden Italiener, waren Mitarbeiter einer rumänischen Firma und deshalb gemeinsam unterwegs.
Überhaupt, sagt Herbert Härteis, habe man bei den wenigsten Passagieren etwas zu beanstanden: „Bei über 90 Prozent der Reisenden ist alles in Ordnung.“ Härteis ist Leitender Polizeidirektor im Polizeipräsidium Mittelfranken und unter anderem zuständig für die Nürnberger Flughafenpolizei. Polizeipräsidium Mittelfranken? Nicht die Bundespolizei? Ja, sagt Herbert Härteis, grundsätzlich sei in Bayern die Landespolizei für die drei Verkehrsflughäfen Nürnberg, Memmingen und München zuständig, nur für letzteren habe man diese Aufgabe per Verwaltungsabkommen an die Bundespolizei abgetreten.
Vor allem im Hinblick auf die Größe der Aufgabe, schließlich liegt der Franz-Josef-Strauß-Flughafen mit seinen über 32 Millionen Passagieren pro Jahr hinter Frankfurt auf Platz zwei der deutschen Flughäfen, Nürnberg rangiert mit rund vier Millionen Fluggästen auf Platz zehn.
Knapp ein Viertel dieser Passagiere – 800 000 bis 900 000 mögen es sein, schätzt Thomas Weiß – wird von den 50 Beamten der Nürnberger Flughafenpolizei kontrolliert.
Kein geringes Pensum, aber beileibe nicht die einzige Pflicht der Polizisten. Schließlich sind sie für den gesamten Innen- und Außenbereich des Flughafens zuständig. Anzeigen, beispielsweise von Ladendiebstählen in den Geschäften in der Abflughalle, fallen ebenfalls in ihr Ressort. Oder die Ausstellung von Ersatzpapieren, wenn ein Reisender seinen Pass daheim liegengelassen hat.
Nicht zu vergessen die Streifengänge und -fahrten – sowohl draußen auf den Straßen und Parkplätzen, als auch drinnen im Terminal. Wichtig sei es, Präsenz zu zeigen, sagt Härteis: „Das vermittelt den Flughafenbesuchern ein subjektives Gefühl der Sicherheit.“ Gerade in Zeiten von Terrorwarnungen. Denn Flughäfen gelten als neuralgische Punkte. Auch in Nürnberg hat man deshalb die Zahl der Streifen erhöht. Konkrete Zahlen wollen die Polizeibeamten nicht nennen, um potenziellen Übeltätern nichts zu verraten. Nur so viel: „Wir zeigen erhöhte Präsenz.“
Dass sich die zahlreicheren Streifengänge auch auf die Arbeitsbelastung auswirken, räumt Härteis ein: „Wir müssen uns schon nach der Decke strecken.“ Will heißen: Es fallen mehr Überstunden an, hin und wieder müssten auch Beamte aus anderen Dienststellen einspringen. Aber das lasse sich regeln, versichert der Polizeidirektor: „Die bayerische Polizei ist eine große Familie, die sich gegenseitig aushilft.“
Solche Sätze ärgern Hermann Benker. „Abgedroschene Durchhalteparolen“ seien das, schimpft der bayerische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Wo, fragt er, könnten überhaupt noch Polizeibeamte abgezogen werden? „Es gibt in Bayern keine Dienststelle mehr, die noch Personalressourcen hat. Uns fehlen einige tausend Polizisten.“
Helmut Bahr, Bayern-Chef der Gewerkschaft der Polizei, bestätigt: „Wenn man Leute irgendwo abzieht und auf diese Weise ein Loch stopft, dann wird woanders wieder eines aufgerissen.“ Letztlich laufe es auf Urlaubsverzicht und noch mehr Überstunden hinaus, sagen beide Gewerkschaftsvertreter: „Für die Kollegen ist das sehr belastend.“
Nur gut, dass es die Polizisten am Nürnberger Flughafen zumeist mit einer einfacheren Klientel zu tun haben als andere Dienststellen. Keine Junkies, keine angetrunkenen Discobesucher, stattdessen Reisende, die sich auf ihren Urlaub freuen oder erholt aus den Ferien kommen. Auch den einen oder anderen Promi. Der Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage etwa, der drei Jahre ein Schloss in der Oberpfalz besaß und deswegen öfters in Nürnberg landete. Oder Außenminister Guido Westerwelle und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow, die im November zu einer Gedenkveranstaltung an die Nürnberger Prozesse anreisten.
Gerade Besuche bekannter Politiker bedeuten für die Flughafenpolizei allerdings wieder mehr Arbeit. Wenn sich beispielsweise, wie zur Jubiläumsfeier der Deutschen Bahn im vergangenen Dezember, Kanzlerin Angela Merkel ankündigt, müssen jede Menge Fragen geklärt werden. Wann wird die Sondermaschine der Luftwaffe landen? Wo genau steigt die Kanzlerin aus? Schließlich soll der Wagen, in dem Merkel anschließend Platz nimmt, direkt an die Rolltreppe heranfahren, so dass die Politikerin ohne Verzögerung im Polizeikonvoi über das Flughafengelände gelotst werden kann.
Manchmal geht es auch am Airport um Leben und Tod
So eine Vorzugsbehandlung hätte sich vermutlich auch der Mann gewünscht, der im vergangenen Sommer von Nürnberg aus in die Türkei reisen wollte. Stattdessen, erzählt Thomas Weiß schmunzelnd, bugsierten ihn die Flughafenpolizisten umgehend in eine Zelle – schließlich bestand gegen den verhinderten Urlauber seit 17 Jahren ein Haftbefehl. Versuche, durch die Kontrollen zu schlüpfen, erleben die Beamten immer wieder.
Zum Beispiel von jener Familie, die vor einigen Monaten am Nürnberger Flughafen ankam. Ausgerechnet dann, als sie ihre Papiere vorzeigen soll, erleidet die Frau auf einmal einen Schwächeanfall, bittet, auf die Toilette gehen zu dürfen – und hat dann plötzlich keinen Pass mehr. Die Beamten werden misstrauisch und ordern einen Techniker, der das stille Örtchen abmontiert und dem es tatsächlich gelingt, Fetzen von gefälschten Papieren aus dem Abflussrohr zu fischen.
Die Flughafen-Polizei als unnachsichtiger Hüter der Gesetze? Nicht nur, versichert Weiß, man versuche auch zu helfen. Ratlosen Passagieren etwa, die nach dem Weg zum Taxistand fragen oder deren Auto nicht mehr anspringen will. Und vor allem jenem schwer herzkranken Kind, das kürzlich mit einem Ambulanzflug aus Russland kam, um in Schweinfurt operiert zu werden. Das Problem: Das Einreisevisum fehlte – normalerweise ein unüberwindliches Hindernis. Doch diesmal siegt die Menschlichkeit: Schnell und unbürokratisch habe man ein Visum ausgestellt, sagt Thomas Weiß, „in Ausnahmefällen machen wir das“.
Eine Entscheidung, die ein Leben rettet: Denn am nächsten Tag, erfährt der stellvertretende Dienststellenleiter später von der Schweinfurter Klinik, wäre es für das Kind zu spät gewesen.
(Brigitte Degelmann)

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