Leben in Bayern

Der s ogenannte Dom in den Felsenkellern von Schwandorf. (Foto: dpa)

01.09.2017

Auf den Spuren der "Kellerdiebe"

Die Unterwelt ist in Schwandorf bei Besuchern besonders beliebt: Ein Labyrinth aus jahrhundertealten Felsenkellern zählt zu den Attraktionen der Stadt. Erschaffen wurden die Keller - typisch bayerisch - des Bieres wegen

Eine ihrer bedeutendsten Sehenswürdigkeiten verdankt die Stadt Schwandorf ausgerechnet einem Diebestrio. In unterirdischen Felsenkellern klauten drei junge Burschen 1931/32 alles, was sie so gebrauchen konnten. Um von Raum zu Raum zu gelangen, schlugen sie Löcher in die Wände. Auf diese Weise verbanden sie die Keller miteinander. Für den Tourismus erschlossen hat das mittelalterliche Gewölbesystem dann vor knapp 20 Jahren der Historiker Hans-Werner Robold. Inzwischen waren mehr als 15 000 Besucher auf den Spuren der "Kellerdiebe" unterwegs.

Pullover und Socken sind in dem unterirdischen Labyrinth selbst im Hochsommer empfehlenswert: Die Temperatur in den Kellern beträgt das ganze Jahr über konstant 8 Grad. Für Brauer waren das einst ideale Bedingungen für das Gären und Lagern von Bier, wie Robold erklärt. Später nutzten Metzger und Krämer die Keller. Im Zweiten Weltkrieg dienten sie als Luftschutzbunker, ehe sie mit Müll zugeschüttet wurden und weitgehend in Vergessenheit gerieten.

Heute sind 60 der 140 Kellerräume saniert, beleuchtet und gut begehbar. Historiker Robold ist hauptamtlicher Felsenkellerbeauftragter der Stadt. Spitzname: "Kellerpapst", sagt er und lacht. Insgesamt gibt es 40 Kellersysteme, die jeweils aus mehreren Räumen bestehen und getrennte Eingänge haben. Sieben dieser Systeme bilden heute das Labyrinth. Robold ist sichtbar stolz auf diese bayernweit einzigartige Sehenswürdigkeit.

Die ersten Keller entstanden im frühen Mittelalter

Die Anfänge reichen bis ins frühe Mittelalter zurück. Die ersten Keller schlugen die Schwandorfer schon um 1500 in den Eisensandstein unter der Erde. Es waren Brauer, die diese kühlen Räume zur Herstellung von untergärigem Bier nutzten. So entwickelte sich das Geschäft mit dem Gerstensaft zu einer der Haupteinnahmequellen in der Stadt. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Kellersysteme immer wieder erweitert. Mit dem Niedergang des Kommunbrauwesens ab etwa 1920 wurden die Keller anderweitig genutzt, etwa als Lager für Kaffee, Spirituosen, Fleisch und Wurst.

Auf ihren nächtlichen Beutezügen klopften Anfang der 1930er Jahre drei junge Burschen mehrere Löcher in die beigefarbenen Felswände, durch die sie hindurchschlüpften. So verbanden sie einige Kellersysteme miteinander. Die Durchschläge sind heute noch zu sehen. Vor allem auf Kaffee und auf Spirituosen habe es das Trio abgesehen gehabt, berichtet Robold.

Gefasst wurden die Diebe lange nicht. Ein Kolonialwarenhändler habe sich vergeblich auf die Lauer gelegt, sagt Robold. Ein Nachbarsjunge begleitete ihn schließlich. "Doch da ist erst recht nichts passiert, denn der Junge war einer der Diebe." Schließlich wurde das Trio doch auf frischer Tat ertappt und zu Bewährungsstrafen verurteilt. Robolds Führungen durch die Gewölbe finden quasi auf den Wegen der "Kellerdiebe" statt.

1954 retteten sich Tausende in die Kellersysteme

Als am 17. April 1945 durch einen Luftangriff etwa 70 Prozent von Schwandorf zerstört wurden, retteten sich mehrere Tausend Menschen in die Kellersysteme. Wochenlang harrten sie dort aus. Die Körperwärme ließ es darin schwül-heiß und schier unerträglich werden, sagt Robold. "Die hygienischen Zustände waren katastrophal." Die psychische Not der Menschen in der Enge und angesichts der Zerstörung mit den vielen Toten außerhalb der Keller habe die Situation zusätzlich erschwert.
Nach dem Krieg gerieten die Keller weitgehend in Vergessenheit. Robold bezeichnete es als ihren "Untergang". Die Schwandorfer seien traumatisiert gewesen, hätten die Gewölbe mit Kriegsschutt zugeschüttet. Später gab es Kühlschränke, die Keller wurden nicht mehr für die Lagerung von Lebensmitteln benötigt.

1999 nahm sich dann Robold im Auftrag der Stadt der Keller an und entwickelte das Konzept für das heutige unterirdische Labyrinth. Besitzfragen mussten geklärt, Schutt beseitigt und einsturzgefährdete Keller saniert werden. Gut 1,2 Millionen Euro kostete das Projekt. Heute gibt es mehr als 20 Kellerführer, die regelmäßig Gruppen durch die Gewölbe leiten. Zwar gebe es auch in zahlreichen anderen Städten Felsenkeller, jedoch nicht in dieser Dichte und in dieser großen Zahl, sagt Robold.

Der 64-Jährige kennt jeden seiner Keller bis ins kleinste Detail. "Es gibt an Räumen nichts mehr zu erforschen." Ob er sich ein Leben ohne Felsenkeller vorstellen kann? "Durchaus", sagt er. Aber er würde gegebenenfalls noch ein paar Jahre als "Kellerpapst" dranhängen. Und falls nicht, bliebe ihm mehr Zeit für die Familie, das Gitarrespielen und die Archäologie. "Ich bin Forscher mit Leib und Seele."
(Ute Wessels, dpa) Foto (dpa): Der Felsenkellerbeauftragte Hans-Werner Robold.

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