Leben in Bayern

Die Schlange von Impfwilligen in der Münchner Einkaufspassage Pasing Arcaden. Die Wartezeit beträgt unter einer Stunde. (Fotos: Lucia Glahn)

10.09.2021

Auf spontaner Spritz-Tour

Bayern will die Impfquote mit unbürokratischen Aktionen vorantreiben – zum Beispiel in einem Münchner Einkaufszentrum

Im Freistaat laufen aktuell mehr als 400 niedrigschwellige Aktionen, bei denen man sich ohne Voranmeldung impfen lassen kann. Ansprechen will man damit vor allem auch Unentschlossene. Aber wer holt sich tatsächlich eine Spritze beim Shoppen ab? Ein Besuch bei der mobilen Impfstation in den Pasing Arcaden in München.

Geschäftiges samstägliches Treiben in Pasinger Einkaufspassagen in München. Gleich hinter dem Eingang in die Arcaden fällt sie auf: die lange Menschen-Schlange, die sich hinter einem Absperrseil auf einen schmalen Eingang zuschiebt. Viele Passant*innen bleiben kurz stehen und werfen einen Blick auf die große Werbe-Holzwand, die das Schaufenster eines früheren Modegeschäfts verkleidet: „Pop Up Impfzentrum, ganz einfach, ohne Termin.“ Nicht zu übersehen.

Zufrieden lässt Simon Wittke den Blick über die etwa 30 Wartenden streifen: Paare, einzelne Männer und Frauen, die meisten schätzungsweise um die 40 Jahre alt oder jünger. Wittke, Leiter Impfbetrieb beim Impfzentrum München, nickt zufrieden: „Hier stehen den ganzen Tag über immer gut 30 bis 50 Leute.“ Gerade in Pasing werde die spontane Impfung gut angenommen, so der 24-jährige Notfallsanitäter der Aicher Ambulanz. Deshalb ist das mobile Team dort täglich von elf bis 17 Uhr vor Ort, vorerst bis Ende September. Hinzu kommen Impfmöglichkeiten im Perlacher Einkaufszentrum (PEP) dreimal die Woche und im Kreisverwaltungsreferat von Montag bis Freitag. Außerdem gibt es zahlreiche Sonderaktionen bei Veranstaltungen, wie jüngst am Nockherberg oder in der Paulaner Brauerei.

Auch eine Schülerin einer Fachoberschule steht geduldig in der Schlange in den Arcaden für eine Erstimpfung mit Biontech an. „Auch um meine Familie zu schützen“, sagt die 18-Jährige. „Und ich habe bald Prüfungen.“ Sie habe sich vorher informiert, wo sie sich impfen lassen könne. „Hier ist es für mich ideal, ich wohne ganz in der Nähe.“
Hinter der Schülerin nickt eine Münchnerin, die ihren Partner zur Erstimpfung begleitet. „Wir sind spontan gekommen, wohnen nicht weit von hier“, sagt er. Super sei, dass das an einem Samstag ohne großen Aufwand möglich sei und man sich nicht noch unter der Woche organisieren müsse. „Wir warten jetzt erst 20 Minuten und sind schon bald dran, das geht doch“, freut sich seine Frau. Am hinteren Ende haben sich jetzt zwei junge Familien eingereiht und witzeln herum. Der Vater schwenkt eine Tüte. „Erst haben wir eingekauft, jetzt lasse ich mich impfen“, erzählt er. Es wird seine erste Impfung sein. Die beiden Frauen hingegen sind genesen und wollen mit einer Impfung an diesem Tag ihren Schutz vervollständigen.

„Das Hauptklientel, das wir in Pasing impfen, ist zwischen 20 und 40 Jahre alt“, sagt Wittke. Viele Erstimpfungen seien dabei, aber auch Zweitimpfungen und die Spritze für Genesene. Im Angebot: die Impfstoffe von Biontech, Moderna und Johnson & Johnson. Auch Johnson & Johnson werde öfter gewünscht, weil dann eine Spritze genügt. In vier großen, neu errichteten Kabinen gibt es den Pieks samt Aufklärungsgespräch. „Im PEP können wir in den vorhandenen Umkleidekabinen impfen, weil die größer sind“, sagt Betriebsleiter Wittke.

Ende der kostenlosen Tests: Seit der Ankündigung kommen wieder mehr

Kommen jetzt vor allem die Unentschiedenen? „Es ist eine Mischung“, so Wittke, „viele Jüngere und die, die das sehr einfache, unbürokratische Vor-Ort-Angebot schätzen.“ Das bestätigt auch die Stadt München: „Die allgemeine Resonanz zeigt, dass viele Bürgerinnen und Bürger auf ein Angebot in Wohnortnähe gewartet haben.“ Positiv aufgenommen werde auch die Möglichkeit, sich spontan und ohne zeitliche Vorplanung impfen zu lassen, so eine Sprecherin. Das Ende der kostenlosen Tests ab dem 11. Oktober habe ebenfalls noch einmal zu einem Anstieg der Impfwilligen geführt. Nach der Bekanntgabe meldeten sich 2000 Münchner*innen mehr auf der Impfplattform an, als in der Zeit davor pro Tag üblich, insgesamt 2500 Personen. Aber auch geplante Urlaube oder der Wunsch, unkompliziert an Veranstaltungen teilnehmen zu können, motivieren so manchen für den Pieks, wie Wittke weiß. Und gerade Pendler schätzen zeitlich späte Angebote und nutzen nach der Arbeit mobile Aktionen etwa auf dem Marienplatz, bevor sie nach Hause fahren, erzählt Wittke.

Rund 4000 Menschen lassen sich in München im Schnitt innerhalb einer Woche bei mobilen Sonderaktionen impfen. Viele von denen, die am Samstag in Pasing anstehen, sind spontan gekommen. Es genügt, wenn man in der Schlange einen QR-Code einscannt und sich so auf der bayerischen Impfplattform registriert. Die Wartezeit betrage maximal eine Stunde, sagt Wittke.

Die unbürokratischen „Spritz-Touren“ kommen laut Gesundheitsministerium in ganz Bayern gut an. Minister Klaus Holetschek (CSU) setzt daher stark auf das spontane „Impfen to go“. Aktuell laufen mehr als 400 niedrigschwellige Impfaktionen im Freistaat. Seit dem Juli 2021 wurden mehr als 2500 Sonderaktionen veranstaltet. Vom 13. bis 19. September wird zudem die bundesweite Aktionswoche #HierWirdGeimpft stattfinden. Auch in Bayern soll mit Aktionen und Informationen das Thema Impfen nochmals in das Bewusstsein insbesondere Impfunentschiedener gebracht werden, sagt eine Ministeriumssprecherin.

Ob am Stadtmarkt in Augsburg, eine „Spritz-Tour“ mit dem Impfbus in Roßbach-Wald im Landkreis Cham am 16. September, oder der Aktionstag an der Gmunder Tafel in Gmund am 18. September – die Liste der niedrigschwelligen Impfangebote ist lang und auf einer interaktiven Karte auf der Homepage des bayerischen Gesundheitsministeriums abrufbar. „Leichter und bequemer als jetzt war es nie, sich eine Schutzimpfung zu holen“, so Holetschek.

Zur Impfung gibt es einen Gutschein für einen Eistee – kaum einer aber fragt danach

Das kann auch der Münchner Impfbetriebsleiter Wittke bestätigen. „Wir haben zuerst mit einem kleinen Impfbus auf dem Pasinger Marienplatz angefangen“, so der 24-Jährige. „Da haben wir schon gemerkt, die Schlange wird länger und länger, die Leute wollen auch zwei Stunden warten, weil ihnen die Messe zu weit weg ist und sie das wohnortnah mögen.“ Also weitete das Team das Angebot aus.

Im Inneren des umgebauten Ladens in den Pasing Arcaden läuft der Betrieb reibungslos. In einem „Wartezimmer“-Bereich sitzen die frisch Geimpften eine Viertelstunde lang zur Beobachtung. Andere stehen bei der Anmeldung. In den vier Impfkabinen geht es ruckzuck.

Allgemeinmedizinerin Christine Herold-Frank, die an diesem Tag impft, kommt kurz heraus und strahlt. „Ich bin sehr positiv überrascht, seit wir um elf Uhr aufgemacht haben, impfen wir durchgehend.“ Viele Erstimpfungen und Aufklärungsgespräche seien dabei gewesen, erzählt die Ärztin. „Seit wir mobil impfen, läuft es wieder. Da geht wieder was.“

Herold-Frank wedelt vergnügt mit einem Gutschein. „Für den bekommt heute jeder Impfling einen Eistee, zu Beginn der Aktion war es eine Leberkässemmel“, erklärt sie. Ist das etwa ein Grund, sich impfen zu lassen? Herold-Frank schüttelt den Kopf. „Die wenigsten fragen aktiv danach. Manche finden es nett, aber ich denke, der Hauptanreiz ist das Angebot vor Ort“, sagt die Ärztin und lacht. „Wegen eines Eistees lässt sich jetzt niemand impfen.“
(Lucia Glahn)

Foto (Glahn): Simon Wittke vom Impfzentrum mit Ärztin Christine Herold-Frank.

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