Leben in Bayern

Christian Hedwitschak in Sulzemoos mit einer von ihm gefertigtel irische Trommel. Kleine Bild: Er prüft Fell auf Löcher, indem er es gegen die Sonne hält. (Fotos: Alexander Heinl/dpa)

11.04.2017

Bayerischer Takt für irische Trommeln

Weil Christian Hedwitschak seine irische Trommel nicht gefallen hat, zieht er sich monatelang in seine Werkstatt zurück und tüftelt an einer eigenen "Bodhrán". Mit vollem Erfolg

Nichts deutet daraufhin, dass am Rande des oberbayerischen Dorfs Sulzemoos im Landkreis Dachau ein Spezialist für irische Trommeln zuhause ist. Auf dem Klingelschild des Einfamilienhauses steht nur das schlichte Wort "Werkstatt". Auf den ersten Blick scheint das Reich von Christian Hedwitschak auch nichts weiter als eine ganz normale Werkstatt zu sein: In der Mitte eine Werkbank mit Fräse, an den Wänden Hobel, Hammer, Zangen, Feilen und Bohrer. Aber auf den 18 Quadratmetern, die mit einer feinen Schicht Holzmehl überzogen sind, schafft Christian Hedwitschak wahre Klangkunstwerke: irische Rahmentrommeln, sogenannte Bodhráns. Mit seinen Instrumenten setzt der Dachauer seit 15 Jahren weltweit Maßstäbe. Ein warmer Klangteppich breitet sich in der Werkstatt aus, als Christian Hedwitschak zwischen den Sägespänen zu trommeln anfängt. Seine linke Handfläche wandert die Trommel rauf und runter, während er mit lockeren Handgelenk der Rechten mit einem Trommelstock, einem sogenannten Tipper, auf das Fell schlägt. Die Spielweise ist einzigartig, die Spieltechnik umso unterschiedlicher. Jeder Musiker spielt anders, es gibt noch nicht mal eine Notenschrift. Dabei steckt in der kleinen Trommel ein ganzes Schlagzeug. Mit der Bodhrán lassen sich nicht nur Rhythmen trommeln, sondern auch Melodien zaubern. "Wenn du Bodhrán spielst, regst du alle Sinne an: Du hörst die Töne, du fühlst die Trommel, du riechst das Fell", schwärmt Hedwitschak. Seine Augen funkeln vor Begeisterung. Es ist kaum zu glauben, dass der 39-Jährige erst als junger Mann zur Musik gefunden hat. Während seines Zivildienstes in einer Behindertenwerkstatt hörte er zum ersten Mal irische Folkmusik. Die Klänge zogen ihn sofort in den Bann. Noch im selben Jahr reiste er nach Irland und kaufte seine erste Bodhrán. Die Trommel war aber mehr Souvenir als Instrument. "Die Bodhráns aus den Touristenländen sind aus Sperrholz, das hat mir als Schreiner gar nicht gefallen. Ich wollt' einfach eine aus Ahorn, das war schon immer mein Lieblingsholz", erzählt Hedwitschak.

Ein Star unter den Trommelbauern

Also hat sich der Dachauer selbst an die Arbeit gemacht: Monatelang hat er Ahornholz gehobelt und geschliffen, Rahmen zugeschnitten und verleimt, verzweifelt nach Ziegenfell gesucht und noch verzweifelter versucht, das Fell auf die Trommel zu spannen. "Dieses arme Viech tut mir heute noch leid", sagt Hedwitschak lachend. Dass er gut 15 Jahre später ein Star unter den Trommelbauern ist, hätte er sich nicht träumen lassen. Nur wenige Musiker kannten damals überhaupt die Rahmentrommel. Selbst in Irland, dem Heimatland der Bodhrán, war das Instrument nicht sonderlich beliebt. "Früher haben Bodhránspieler einfach Tanzmusik an der Straßenecke gespielt", erzählt Rolf Wagels, der sich als Musiker und Lehrer in der irischen Musikszene einen Namen gemacht hat. "Die ersten Bodhráns waren eher laut und hatten keine gute Qualität." Als Wagels Anfang der neunziger Jahre seine Begeisterung für die Bodhrán entdeckt hatte, gab es nur einen einzigen professionellen Bodhránbauer auf dem europäischen Festland. "Es gab auch keine Lehrer in Deutschland. Also bin ich auf Konzerte gegangen und habe die Bodhránspieler beobachtet." Seitdem hat sich viel verändert - auch dank Christian Hedwitschak. Als der Betrieb, bei dem er gearbeitet hatte, pleite geht, macht sich der Schreinermeister 2002 mit "Bodhránmaker" selbstständig. "Ich bin genau zur richtigen Zeit eingestiegen", sagt der 39-Jährige heute. "Damals war die Qualität nicht da."

Bayerischer Staatspreis für Innovation im Handwerk

Das wollte der Dachauer ändern: Unermüdlich werkelte er an kleineren und größeren Trommeln, testete Ziegen-, Lama- und Kängurufelle ("Känguru reagiert zickiger als Ziege, aber es klingt jumpiger") und entwickelte ein eigenes Stimmsystem. "Heute lässt sich jede Bodhrán durch den Rahmen stimmen, früher hat man dafür Wasser und Föhn gebraucht", sagt Hedwitschak. Für sein Fellhaltesystem wurde er 2014 mit dem Bayerischen Staatspreis für Innovation im Handwerk ausgezeichnet. Mehr als 6000 Trommeln hat Hedwitschak mittlerweile im Internet und über Lehrer verkauft: Bodhráns für Einsteiger und Profis zwischen 250 und 550 Euro. Mit seiner fünfjährigen Tochter hat er sogar eine irische Trommel für Kinder entwickelt. Und zum fünfzehnjährigen Jubiläum bringt Hedwitschak eine Sonderedition heraus. "Die Edition ist eine Hommage an die Menschen, die mich in dieser Zeit begleitet und sehr geprägt haben", sagt der Instrumentenbauer, der die Herstellung von Bodhráns beeinflusst hat wie kein anderer. Immer mehr Profimusiker trommeln auf "Hedwitschak Drums", selbst Irländer greifen auf Bodhráns aus Bayern zurück. Die Trommeln waren mit Soul- und Popsänger Stevie Wonder auf Europatournee, bei einem Konzert im Weißen Haus und nun auf dem neuen Album von Ed Sheeran. "Was Christian macht, kann kein anderer Bodhránbauer. Er schafft es wirklich, eine ganz kleine, zahme Bodhrán zu entwickeln, aber auch eine Trommel mit 45 Zentimeter Durchmesser und unglaublich vielen Obertönen", sagt Rolf Wagels. "Seine Professionalität ist einmalig." (Mirjam Uhrich, dpa)

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