Leben in Bayern

Die Wellbappn: Hans Well mit seinen drei Kindern Tabea, Jonas und Sarah. „Die kritisieren mich gnadenlos“, sagt der 62-Jährige. (Foto: Martin Bolle)

18.12.2015

"Bayern ist einfach granatenmäßig komisch!"

Er ist so aktiv und bissig wie eh und je: Hans Well gehen die Ideen nicht aus – dank „Hoeneß, Hinterseer, BND und Staatsregierung“

Rotzfrech und unbekümmert, saukomisch und hinterhältig – auch nach dem Ende der Biermösel Blosn bleibt Hans Well mit seinen „Wellbappn“ ein Stachel im Fleisch der Obrigkeit. Auf der neuen CD „Schneller“ rechnet er einmal mehr mit den Absurditäten der bayerischen Politik ab – und das auf musikalisch hohem Niveau. „Mission erfüllt“, schrieb die SZ 2011, als sich das Ende der Biermösl Blosn abzeichnete. Nach 35 Jahren als „Stachel im Fleisch der Obrigkeit“ habe die bekannteste bayerische Musikgruppe schlicht „gewonnen“ –  es sei demnach kein großer Verlust, wenn die drei Brüder Well, die (oft zusammen mit Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt) jahrzehntelang einen musikkabarettistischen Erfolg nach dem andern hinlegten, nun auseinandergingen.

Mission erfüllt? Das war ein wenig voreilig. Anruf bei Hans Well, dem ältesten der drei Brüder: „Wir haben gerade bei einer Personal-Betriebsfeier am Kreiskrankenhaus Fürstenfeldbruck gespielt. Und gestern sind wir in Kissing aufgetreten, wo ein Naturschutzgebiet vierspurig asphaltiert werden soll.“

Beckenbauer und Bayern-Ei: Stoff gibt’s für Well genug

Wir, das ist die „Wellbappn“, die neue Gruppe, die Hans Well mit seinen drei Kindern gegründet hat. Soeben haben die vier ihre zweite CD vorgelegt: Schneller. Mit dem Programm ist die Familienband seit Oktober auf Tour, das Jahr 2016 ist schon ziemlich zugepflastert mit Terminen. Nein, einem Hans Well wird es so schnell nicht langweilig. Der Musiker und Texter ist ganz der alte: „Bayern gibt nach wie vor viel her. Beckenbauer, Bayern-Ei – das ist doch alles granatenmäßig komisch!“

Doch Hans Well ist nicht nur auf die tagesaktuellen Skandale geeicht. Als altgedienter Spötter hakt er die Dinge nicht gleich ab, nur weil sie bei den Medien längst durch sind. Ein bitterböses Stück auf der neuen CD handelt vom G8. Es singt ein eingefleischter Kinderhasser, der seiner Abneigung freien Lauf lässt. Und dann die erste Wendung: „Aber am schlimmsten san Kinder in Horden / Drum bin ich von Beruf Lehrer geworden!“

Ein Schülerschreck, der mit allen Schikanen arbeitet. „Ich bin Lehrer geworden mit dem klaren Ziel: Schüler gibt’s an bayerischen Gymnasien viel zu viel!“ Aber es wäre kein Hans Well, wenn’s an der Stelle nicht politisch würde: „Und im bayerischen Kultusministerium / Nimmt man mir das überhaupt nicht krumm / Weil die meisten Kultus-Lehrpläneerfinder / San früher Lehrer gwen wia i – und hassen Kinder“. Und dann der finale Hieb: „Und wia ma die Fratzen so richtig fertig macht / hams zoagt mit der Einführung vom G8“.

Der düstere Lehrertango – für die CSU vermutlich nichts als eine Verunglimpfung unbescholtener Ministerialbeamter. Doch für einen wie Hans Well war die Verkürzung des Gymnasiums um ein Jahr eine „gefühlte Aggression“. Kein Wunder: Der Mann hat außer Germanistik und Geschichte auch Pädagogik studiert – in München, bei Helmut Zöpfl, dessen Kitschverse er wunderbar parodiert hat. Hans Well wäre, wenn ihm nicht die Biermösl Blosn dazwischengekommen wäre, also wie sein Vater Lehrer geworden, und deshalb blutet sein Herz beim Thema G8: „Mit so jungen Schülern kann man ja keinen Faust lesen! In dem Alter ist ein Jahr doch ein Quantensprung!“

Wells älteste Tochter Sarah (24) ist noch in den Genuss des neunjährigen Gymnasiums gekommen: „Grad noch!“ Jetzt spielt sie mit dem Vater auf, zusammen mit ihrer Schwester Tabea (22) und ihrem Bruder Jonas (19). Letzterer fällt aufgrund einer ausgedehnten Abiturfahrt derzeit aus und wird musikalisch von dem Trompeter Sebastian Gröller aus dem Bayerischen Wald vertreten.

Die Liste der Instrumente, die die Jungen beherrschen, ist wellmäßig unübersichtlich bis endlos: Trompete, Saxophon, Tuba, Akkordeon, Geige, Bratsche, Kontrabass, Gitarre, Mandoline, Drehleier, Dudelsack, Flöte, um nur mal die wichtigsten zu nennen. Komposition und Bearbeitung machen die drei Geschwister mit dem Vater zusammen – der besorgt die Texte. Der 62-Jährige: „Die kritisieren mich da gnadenlos.“

Musikalisch sind die Wellbappn auf gewohnt hohem Niveau. Wenn man bei dem Wort Exzellenz nicht automatisch an Stoiber denken müsste, würde man sagen: kristallklare instrumenale Exzellenz. Hans Well erklärt flapsig, woher das kommt: Tochter Tabea etwa lernte mit vier Jahren Geige – und jetzt studiert sie Geige. 20 Jahre Geigenunterricht – „das hat viel gekostet und jetzt profitier’ ich davon!“ Und das ist halt nochmal ein Unterschied zu vielen anderen, die ausgezeichnete Autodidakten sind: Bei den Wells gab es schon immer einen Hang zum Akademischen. Stofferl Well, Tabeas Onkel, studierte an der Münchner Musikhochschule Trompete und Harfe. Und das hört man eben.

Scheinbar unerschöpflich: die große Well-Dynastie

Nach ein paar Takten Wellbappn kann man sich nur wundern. Es wird ja hie und da immer noch die Klage angestimmt: Die Biermösl Blosn haben sich aufgelöst, die Well-Brüder haben sich zerkriegt! Dabei hat sich ja längst herausgestellt: Das Auseinandergehen der drei Brüder hat für die Fans eigentlich nur zur Folge, dass es jetzt zwei, drei, viele Biermösl Blosn gibt. Denn es ist ja nicht so wie nach dem Ende der Beatles, dass ein jeder seine eignen Wege geht. Vielmehr verfügt die Well-Dynastie (15 Geschwister) über ein scheinbar unerschöpfliches Reservoir an musikalischem Spitzenpersonal.

Michael und Christoph (Stofferl) Well haben sich umgehend mit ihrem Bruder Karl zusammengetan und treten seitdem als „Well-Brüder aus’m Biermoos“ auf, verschiedentlich ergänzt durch Maria, Maresa und Matthias Well von der nächsten Generation („NouWell Cousines“) oder auch durch die drei Schwestern, die seit dreißig Jahren als „Wellküren“ unterwegs sind – „Wellküren“ und „Wellbrüder“ zusammen ergeben wiederum die „Geschwister Well“, von denen– fast gleichzeitig mit der neuen Wellbappn-CD –  die neue Scheibe A scheene Leich erschienen ist (mit Grabreden von Gerhard Polt).

Und auch Hans Well musste sich nach dem Ende der Biermösl Blosn Anfang 2012 nur kurz sortieren, und schon hatte er eine neue Band beisammen: die Wellbappn. Rotzfrech und unbekümmert, saukomisch und hinterhältig – ziemlich genau wie die Biermösl Blosn ehedem. Teilweise könnte man direkt sagen: back to the roots. Das Lied, mit dem die Biermösl Blosn 1981 bekannt wurde, war ein gesungener Protest gegen die Massenverhaftung im Nürnberger Jugendzentrum Komm.

Und jetzt, fast 35 Jahre später, singt Hans Well mit seinen Kindern gegen die ungezügelte Polizeigewalt an: „Doch wer schützt die Polizei vor Schlagzeilen und Geschrei? / Wenn Polizisten sich wehrn miaßn, an Unbewaffneten daschiaßn / gefesselte Frauen kratzen und beißen, sich auf Polizisten schmeißen / und sich’s Nosnboa brecha dabei – wer schützt dann die Polizei?“

Woher hat der das alles bloß? Für den Fall, dass der geneigte Hörer sich diese Frage stellen sollte, hilft das Kleingedruckte auf der letzten Seite des Booklets weiter: „Für Inspirationen aller Art bedanken wir uns bei Uli Hoeneß, Hansi Hinterseer, dem BND, der bayerischen Staatsregierung und der bayerischen Bevölkerung." (Florian Sendtner)

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