Leben in Bayern

Bildkombo des Fotografen Robert Schlaug: Leerstehende Läden in der mittelfränkischen Stadt Roth. (Foto: Robert Schlaug/dpa)

09.12.2015

Bayerns geballte Hässlichkeit

Heile Welt ade: Der neue Bildband des Franken Robert Schlaug zeigt Bayerns hässlichste Orte

Die Königssee-Idylle sucht man vergebens - stattdessen finden sich reihenweise zubetonierte Landschaften, eintönige Gewerbegebiete und verödete Ortszentren: In einem Bildband hat der Rother Fotograf Robert Schlaug Bayerns hässlichste Orte dokumentiert. Dazu habe er drei Jahre lang den Freistaat bereist. Das Ergebnis seiner aufwendigen Foto-Recherchen hat er in dem Bildband Bayerns Schattenseite - Flächenverbrauch ohne Ende zusammengefasst. Der Landesbeauftragte des Bundes Naturschutz (BN) in Bayern, Richard Mergner, hat dazu den Einführungstext geliefert.

Mit 128 Fotos lenkt Schlaug, der im Hauptberuf Mittelschullehrer ist, den Blick vor allem auf die Bau- und Planungssünden der vergangenen Jahrzehnte. Auf die stieß er nach seinen Angaben nicht nur in Neubausiedlungen und neuen Gewerbegebieten, sondern auch beim Besuch von Großmarkt-Arealen an Orts- und Stadträndern. Sorgen bereite ihm ebenfalls die wachsende Zahl leerstehender Läden und Wohnungen in vielen Ortszentren.

Flächenfraß und Leerstand: "Die Identität geht immer mehr verloren"

Aber auch der häufig schlechte Zustand vieler Dörfer, vor allem in Franken, hat den Fotografen bei seiner jahrelangen Arbeit an dem Buchprojekt umgetrieben. "Das Problem ist in vielen Dörfern: Die alten, traditionellen Gehöfte im Dorfzentrum verfallen. Die jungen Leute im Ort bauen sich lieber am Dorfrand neue Einfamilienhäuser". Ob mit Satteldach, Pultdach oder im Toskana-Stil - neue Einfamilienhäuser sähen inzwischen überall inBayern gleich aus; mit der jeweiligen Region hätten sie nichts mehr zu tun, beklagte der im mittelfränkischen Roth lebende Schlaug. "Die Identität der einzelnen Regionen geht immer mehr verloren."

Nach Einschätzung von BN-Vertreter Mergner zeigt die Bilddokumentation, wie wichtig es ist, den Flächenverbrauch in Bayern zu stoppen. Seit zehn Jahren würden im Freistaat pro Tag 18 Hektar Fläche zugebaut - eine Fläche von 25 Fußballfeldern. Zugleich warnte der Natur- und Umweltschützer vor einer von der Staatsregierung geplanten Lockerung des sogenannten Anbindegebots. Dies erlaube die Ausweisung neuer Bau- oder Gewerbegebiete lediglich neben bestehenden bebauten Arealen. "Diese Lockerung würde wie ein Turbo auf den Flächenverbrauch wirken", ist Mergner überzeugt. Viele Kommunen könnten damit leichter neue Baugebiete in freier Landschaft ausweisen. (dpa)

Kommentare (2)

  1. Wahlfranke am 21.12.2015
    Die heutige Gesellschaft zerfällt mehr und mehr in viele Individualintetessen. Jeder ist sich selbst der Nächste, ob im Straßenverkehr oder beim Hausbau. Am liebsten macht sich jeder sein eigenes Recht. Rücksicht wird als Beschränkung der individuellen Freiheit empfunden und der für ein gesellschaftliches Miteinander erforderliche rechtliche - hier der baurechtliche - gerne als ungerechtfertigter Eingriff in diese Freiheit dargestellt.

    Insofern ist meinem Vorschreiber vehement zu widersprechen. Baugestalterischem geht uns alle an. Sie schafft Atmosphäre und wirkt weit über das Baugrundstück hinaus.

    Was macht das Leben in einer Stadt oder in einem Dorf denn angenehm? Lebenswert empfinden wir doch vor allem identitätsstiftende Umfelder. Identität wird aber nicht durch Beliebigkeit gestiftet, sondern durch das städtebauliche Gesamtgefüge. Allein deshalb kann.Es nicht nur auf individuelle Wünsche des Bauherrn oder ortspolitischer, ebenfalls oft individualintetessensgesteuerter Gemeinderäte ankommen. Beide sind in aller Regel baufachliche Laien und von den vorgenannten Interessen beeinflusst. Hier braucht es ein Mehr an städtebaulichem und baugestalterischem Fachwissen. Ein guter Architekt ist durchaus in der Lage, dem individuellen Bedürfnis des Bauherrn zu entsprechen ohne Bausünden zu begehen. Aber: auch hier darf es nicht um gestalterische Selbstverwirklichung des Planers gehen. Auf das Umfeld kommt es an. Als Richtschnur, nicht als feste Vorgabe. Baugestalterische Weiterentwicklung muss möglich bleiben.
  2. Heidejung71 am 21.12.2015
    Sich über den modernen Baustil aufzuregen und damit einhergehenden Identitätsverlust zu beklagen ist wohl der simpelste kleinste gemeinsame Nenner auf den man so allgemeine und verallgemeinerte Aussagen bringen kann.
    Die Frage die mE auch gestellt gehört ist wohl: Verhindert die ENEV größere, noch bezahlbare Individualität beim Bauen?
    Und auch die Frage nach der Regionalität in der Architektur sollte an den Hochschulen einerseits und bei der Erstellung von Bauplänen andererseits mal bei der Politik hinterfragt werden.
    Wer will mir eigentlich vorschreiben in welcher Art von Architektur ich mich wohlfühle? Wenn es ein Toskanastil wäre, wen außer mir geht das dann was an?
    Willkommen in einer Gedankenwelt von Vorschriften und Einheitsregionalgeschmack. Muss ich mein Einfamilienhaus am nicht so noblen Stadtrand dann als Plattenbau errichten, weil es dort regionaltypisch ist? Oder meine Innenstadttimmobile absichtlich verrotten lassen, weil das da grad "in" ist?
    Ich beglückwünsche den Verfasser der Studie zu seiner Meinung und erlaube mir eine eigene! Guten Tag.
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