Leben in Bayern

Künstliche Beschneiung: Der Einsatz von Schneekanonen ist alles andere als nachhaltig. (Foto: dpa)

02.01.2017

Bayerns Touristen urlauben nachhaltiger - meistens

Für 2017 haben die Vereinten Nationen das Jahr des nachhaltigen Tourismus ausgerufen. Bayern hat seine Hausaufgaben längst gemacht, sagen die Ministerien. Das stimmt nur teilweise, sagen andere

Kein Plastikgeschirr, Energie aus erneuerbaren Quellen, Biolebensmittel aus der Region, weniger Müll, Bahn und Rad statt Auto: Touristen können vielerorts in Bayern guten Gewissens urlauben. Ein spezielles "Jahr des nachhaltigen Tourismus", wie es die Vereinten Nationen für 2017 ausgerufen haben, braucht es aus Sicht von Anbietern und Ministerien im Freistaat also nicht. Kritiker halten dagegen: Einige Angebote sind alles andere als nachhaltig. Schon der Begriff ist streitbar, stichhaltig definieren lässt er sich nicht, erfunden wurde er schon vor über 300 Jahren. "Schlage nur so viel Holz ein, wie der Wald verkraften kann. So viel Holz, wie nachwachsen kann", beschrieb ihn ein Oberberghautmann im 18. Jahrhundert als man dabei war, ganz Deutschland zu roden. "Heute wird die Nachhaltigkeit unter drei Aspekten betrachtet: einem ökologischen, einem ökonomischen und einem sozialen", sagt Martin Spantig, Geschäftsführer von Bayern Tourismus. "Und da sind wir in Bayern schon seit vielen Jahren unterwegs." Ein bayernweites Konzept oder Vorher-Nachher-Zahlen gibt es nicht. Dafür umso mehr Einzelprojekte. Denn, so Spantig, die meisten Tourismusverbände entschließen sich eigenständig für mehr Nachhaltigkeit.

"Sanfter Tourismus ist ein Motor der Regionalentwicklung"

Mit grünen Erlebnissen, Biohotels und bewussten Naturerlebnissen sollen die Gäste angelockt werden. Das funktioniert gut, meint Spantik, die Bayernurlauber setzten ohnehin viel auf Erholung und Abschalten in der Natur, riesige Freizeitparks vermisse niemand. So habe auch die Reiseumfrage 2015 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen ergeben, dass 68 Prozent der deutschsprachigen Urlauber in Bayern "Abstand zum Alltag" suchen - gefolgt von Sonne und Wärme und immerhin sieben Prozentpunkte vor "Spaß, Freude und Vergnügen". "Sanfter Tourismus ist ein Motor der Regionalentwicklung", glaubt auch Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU). "Wir machen den ländlichen Raum zu einer Oase der Naherholung und stärken damit auch die Bedeutung von Natur und Landschaft." Bereits jetzt hätten über hundert bayerische Hotels und Gaststätten ein Umweltsiegel. Zudem gibt es 18 Naturparks, 2 Biosphärenreservate und 2 Nationalparks - ein dritter ist geplant. Bei einem im September gestarteten Wettbewerb "Modellregion Naturtourismus" können sich Regionen gemeinsam mit Museen, Vereinen oder Tourismusverbänden um bis zu 70 000 Euro Fördergeld zur Entwicklung von naturtouristischen Angeboten bewerben. Auch für Scharfs Kollegin im Wirtschaftsministerium, Staatsministerin Ilse Aigner (CSU), ist unstrittig, dass die gute Entwicklung des Tourismus in Bayern - in den ersten neun Monaten 2016 kamen 3,9 Prozent mehr Gäste als im Vorjahreszeitraum - an der "hervorragenden Kombination aus unserer Gastfreundschaft und unserer herrlichen Landschaft in Bayern" liegt. Aber ist Freizeit in herrlicher Landschaft auch gleich nachhaltiger Tourismus?

Naturschützer haben vor allem beim Thema Pistensport Probleme

Nein, sagt Jens-Peter Kiel, Ressortleiter Naturschutz beim Deutschen Alpenverein (DAV). Große Probleme habe sein Verband vor allem bei einem Thema: Pistensport. Und zwar dann, wenn er sich in unberührten Gegenden abspielen soll und Zeichen des Klimawandels ignoriert werden. Stichwort: Künstliche Beschneiung und Skischaukel. "Hier wünschen wir uns, dass die betroffenen Regionen den Tourismus auf buchstäblich andere Wege lenken - zum Beispiel Wanderungen und Naturbeobachtungen." Das Thema Wintersport auf immer neuen Wegen macht auch Ulli Leiner sauer. Er sitzt für die Grünen im Landtag und ist dort unter anderem Sprecher für Tourismus. "Diese neuen Erschließungen und das Eingreifen in intakte Natur hat doch nichts mit Nachhaltigkeit zu tun", sagt er. Überhaupt sei da noch viel Nachholbedarf in Bayern, der Flächenverbrauch sei viel zu hoch. Sein Vorschlag: Die gesamte Tourismusförderung müsse auf Nachhaltigkeit überprüft werden. Wie genau, bleibt erstmal offen. Beim DAV ist die Nachhaltigkeit laut Kiel seit Jahren auf der Agenda - auch abseits der Kritik am ausufernden Pistensport. So wurden beispielsweise im Rahmen des dreijährigen Projekts "Klimafreundlicher Bergsport", das zum Jahresende ausläuft, mehrere Hütten mit Umweltgütesigeln ausgezeichnet, alternative Energieversorgungen entwickelt und verstärkt regionale Produkte beworben. Nach dem Vorbild des österreichischen Alpenvereins krönt der DAV mittlerweile "Bergsteigerdörfer": Diese sind per Definition "vorbildhafte regionale Entwicklungskerne im nachhaltigen Alpintourismus mit einer entsprechenden Tradition". In Deutschland darf Ramsau den Titel inzwischen tragen, weitere Gemeinden sind laut Kiel interessiert. Als eines der größten Projekte hat der DAV mittlerweile 5000 Wanderungen online gestellt, die auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Wie erfolgreich die DAV-Initiativen sind, lässt sich schwer messen. Gefühlt aber würden auch den Bergbesuchern diese Themen immer wichtiger werden, sagt Kiel. Nachhaltigkeit ist eben auch Gefühlssache.
(Elena Koene, dpa)

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