Leben in Bayern

Faszinierend: ein altes Holzwrack im Walchensee. Foto: Huber

26.10.2018

Bayerns versunkene Geschichten

Der Unterwasserarchäologe Florian Huber sucht in bayerischen Seen nach Schätzen – und freut sich über einen alten Schuh mehr als über eine Goldmünze

Unter Schatzsuchern hält sich bis heute hartnäckig ein Gerücht: Um den Walchensee herum oder im See selbst soll ein riesiger Nazi-Schatz versteckt sein. Mehrere Tonnen Gold, vielleicht sogar Kisten voller Juwelen und riesige Mengen Schweizer Franken sowie US-Dollar sollen in den Wirren der letzten Kriegswochen im April 1945 verschollen gegangen sein. Ein paar Wehrmachtsoffiziere hätten sich damals damit abgesetzt. Angeblich stammten die Besitztümer von der Reichsbank. Immer gab es Zeitungsartikel über entsprechende angebliche Zeitzeugenberichte.

Auch wenn bislang offenbar kein einziger Goldbarren oder Diamant aus dem See gezogen werden konnte – bis heute versuchen Schatzsucher ihr Glück in dem im Kreis Garmisch-Partenkirchen gelegenen, bis zu 190 Meter tiefen Walchensee. Auch Florian Huber taucht dort immer wieder ab. Nazi-Schätze oder andere mögliche Goldfunde interessieren den in Lenggries geborenen promovierten Unterwasserarchäologen und Forschungstaucher dabei jedoch nicht. Schließlich ist er Wissenschaftler.

Der 43-Jährige hat bei seinen Forschungsexpeditionen bereits viele Winkel der Erde erkundet, doch besonders oft zieht es ihn in seine oberbayerische Heimat. Gerade erst hat er ein Tauchercamp am Walchensee veranstaltet. „Sogar aus Kairo war diesmal eine Archäologin dabei“, erzählt die Tauchlegende, die mittlerweile in Kiel lebt. „Der Walchensee ist einfach ein wunderschöner See“, schwärmt er. Und die Logistik sei dort gut. „Egal, ob es schneit oder regnet – man kann immer tauchen gehen. Bei schlechtem Wetter kann ein Team im Meer dagegen oft nicht ins Wasser, weil die Boote dann nicht rausfahren dürfen“, sagt der Forscher.

Nicht einmal zehn Prozent der Seen sind erforscht

Auch sei der Walchensee archäologisch noch gar nicht ausreichend untersucht, betont der Experte. „Jedes Mal, wenn ich hier bin, erforschen wir seine Geheimnisse immer noch ein Stück weiter.“ Huber geht davon aus, dass in dem bei Touristen besonders beliebten See „unzählige historische Schätze schlummern könnten“. Der älteste bisherige Fund sei der Schädel eines Elchs, der 12 000 Jahre alt ist. „Das ist der älteste Nachweis dieses Ur-Elchs in Bayern“, weiß Huber und fügt hinzu: „Vor allem hoffe ich, dass wir Spuren der Menschen finden, die früher in der Region am Walchensee lebten.“

In der Nähe des Sees wurden bereits Steinwerkzeuge gefunden. Es sei wahrscheinlich, dass im See auch Einbäume liegen, sagt Huber: „Die finden wir ja überall in Bayern, etwa im Starnberger See.“ Ein gefundenes Exemplar sei beispielsweise gut 2000 Jahre alt. „Entdecken wir einen von ihnen im Walchensee, wüssten wir vielleicht endlich, wann dieser erstmals besiedelt wurde.“

Huber geht davon aus, dass auch in zahlreichen anderen bayerischen Gewässern für Archäologen unbezahlbare Entdeckungen liegen könnten. Vermutlich seien noch nicht einmal zehn Prozent des Grunds der Seen im Freistaat erforscht. „Da kann noch extrem viel unten liegen.“ Tauchen sei schließlich „aufwendig und kostspielig“. Erst seit 1979 gibt es die Unterwasserarchäologie in Bayern. „Die Kollegen der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie leisten im Freistaat ganz tolle Arbeit bei der Erforschung der Seen“, lobt Huber.

Doch welche Schätze schlummern tatsächlich in den Seen des Freistaats? Könnten dort sogar Gold oder Silber liegen? „Ein Archäologe sucht nicht nach Gold und Silber. Wir suchen Erkenntnisse“, sagt der Wissenschaftler und fügt hinzu: „Ein Einbaum oder ein alter Lederschuh kann der größere Schatz sein.“ Eine Goldmünze verrate weit weniger über die Zeit, in der sie geprägt wurde.

Huber sagt, wenn er und seine Kollegen tauchten, stießen sie im Wasser auf Funde, die an Land womöglich schon längst verloren wären. „Denn im Wasser bleiben viele Dinge über Tausende Jahre erhalten.“ Bestes Beispiel sei der Starnberger See. „Wir wissen aufgrund von Funden, dass hier bereits in der Steinzeit Menschen lebten“, so Huber. Vieles könne für Unterwasserarchäologen spannend sein: „Entdecken wir alte Brückenanlagen oder Fischerboote, sehen wir, welche technischen Innovationen zu jener Zeit bereits verwendet wurden.“ Auch die Ladung eines Boots verrät viel – etwa, womit dort gehandelt wurde. Für Goldsucher hat Huber aber eine schlechte Nachricht: „Anders als an Land haben die Menschen früher Schätze in der Regel nicht im See vergraben beziehungsweise versenkt. Bislang habe ich in bayerischen Seen noch keine Münze gefunden.“

Ein besonderes Erlebnis: mit Söder in den Tiefen des Nürnberger Stadtbrunnens

Um den Walchensee ranken sich jedoch einige Mythen. „Es gibt die Sage, dass die Bewohner einst in die Mitte des Sees gefahren sind und einem Riesenwels eine Goldmünze geopfert haben“, weiß Huber. Doch er sagt auch: „Selbst wenn dort Münzen wären, wären diese längst im Schlamm versunken.“ Klar ist zudem: Im bis zu 190 Meter tiefen See kommen Schatzsucher Experten zufolge ohne U-Boot nicht an alle Stellen des Bodens. Huber scheut jedoch keine Herausforderung. Er war schon bei Taucherexpeditionen und Ausgrabungen in über 100 Ländern. Seine spektakulärste Entdeckung: zahlreiche Funde in den überfluteten Höhlensystemen in Mexiko. „Da haben wir Opfergaben der Maya und die ältesten Knochen Amerikas gefunden – die waren über 12 000 Jahre alt“, erinnert sich der Forscher.

Seit über zweieinhalb Jahrzehnten ist Huber nun als Sporttaucher unterwegs, absolvierte 2002 die Ausbildung zum geprüften Forschungstaucher. Jahrelang arbeitete er als Wissenschaftler an der Uni Kiel. 2013 gründete er dann zusammen mit Freunden und Kollegen eine Firma als Dienstleistungsunternehmen im Bereich Forschungstauchen für Wissenschaft und Medien. Mitte Oktober brach er mit einem Kamerateam nach Mauritius auf. Das Team untersuchte ein französisches Schiffswrack, das 1744 dort untergegangen war. Auf dem Ereignis basiert die Liebesgeschichte Paul et Virginie. „Es geht um einen Mann, der den Untergang des Schiffs, mit Bord seine Liebste, vor der Insel mitansehen musste. Er starb an gebrochenem Herzen“, erzählt Huber. Diese Geschichte will das Expeditionsteam mit der Kamera nacherzählen.

Mitunter hat Huber auch kuriose Erlebnisse: „Mit dem heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder habe ich mich einmal in den 50 Meter tiefen Nürnberger Stadtbrunnen abgeseilt. Ich sollte ein Kreuz reinnageln.“ Bei dem Tauchgang fanden die beiden unter anderem ein Gebiss und einen Ehering. „Das war ein ziemlicher Spaß.“

Doch bei einem Thema wird Huber, eine Art Botschafter für die Geschichte, sehr ernst: An Land zerstören Grabräuber oft unbezahlbare Funde. Auch im Wasser bestehe diese Gefahr. Für Hobbytaucher, die etwas Historisches entdecken, hat der Bayer deshalb einige Verhaltenstipps: „Man muss sich unbedingt die Fundstelle merken, am besten Fotos machen. Keinesfalls darf der Taucher etwas mitnehmen, das zerstört in der Regel den Fund.“
(Tobias Lill)

Foto (Sindt): Florian Huber über Wasser.

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