Leben in Bayern

Burschenschaftler fallen allein schon wegen ihres Erscheinungsbilds auf – wie hier bei einer Fronleichnamsprozession. Sie wehren sich aber gegen das Vorurteil, alle Vereinigungen seien rechtsextrem. (Foto: dpa/Pressefoto Ulmer/Markus Ulmer)

30.05.2025

Burschenschaften: Allesamt trinkfest und rechtsextrem?

Burschenschaftler in Bayern wehren sich gegen eine pauschale Diffamierung

Was den Nachwuchs anbelangt, ist die Lage alles andere als optimal. Nur noch 15 Studenten, erzählt Bertram Koch, gehören jener Erlanger Burschenschaft Germania an, in der er als Alter Herr aktiv ist: „Als ich vor 40 Jahren eintrat, waren es etwa doppelt so viele.“ Das schrumpfende Interesse hat viele Gründe. Ausschlaggebend ist ein weithin diffuses und oft negativ geprägtes Bild von Burschenschaften. Ihre Mitglieder werden gern pauschal als „rechtsradikal“, „brutal“, „frauenfeindlich“ und „säuferisch“ gebrandmarkt.

Vorurteile schrecken viele ab

Früher waren Burschenschaften nicht zuletzt deshalb beliebt, weil sie Karrierewege eröffneten. Auch Bertram Koch hatte von seinen Connections in der Burschenschaft beruflich profitiert. Inzwischen tun sich die Burschenschaften viel schwerer, Nachwuchs zu gewinnen. Weil viele Vorurteile und Berührungsängste haben – und wegen der Digitalisierung. Früher konnten Studenten während der Einschreibungszeit angesprochen werden – heute schreibt man sich einfach per Internet ein. Es gab auch viel mehr Vorlesungen in Präsenz, bei denen man Aspiranten hatte werben können.

Bertram Koch versucht in seinem Umfeld, gegen Vorurteile anzukämpfen. Zum Beispiel gegen die verbreitete Annahme, alle Burschenschaften seien rassistisch. Beim jüngsten Mitglied der Erlanger Burschenschaft Germania handelt es sich um einen jungen Syrer, der gerade seinen Doktor in Zahnmedizin macht. Der chinesische oder mongolische Student, der sich für die Germania interessiert, sei prinzipiell erst mal genauso willkommen wie jeder deutsche.

An einen Kameruner erinnert sich Bertram Koch besonders gut. Seine Eltern seien entsetzt gewesen über das, was sie über Burschenschaften im Netz gelesen hatten. Mit Tränen in den Augen, so Bertram Koch, habe der junge Mann wieder austreten müssen: „Er war finanziell von seinen Eltern abhängig.“

Burschenschaft ist nicht gleich Burschenschaft – ohne Frage. Nicht wenige haben rechten Dreck am Stecken. Auch in Erlangen sind extremistische Umtriebe dokumentiert. „Wir haben uns zum Beispiel ein Kontaktverbot zur Burschenschaft Frankonia gegeben“, sagt Bertram Koch. Als er vor vielen Jahren Burschenschaftler wurde, sei die Frankonia noch eine ganz normale Burschenschaft gewesen. Vor etwa 20 Jahren habe sie sich ausgeklinkt und sei immer weiter nach rechts aufgeschlossen. Seit September 2015 wird diese Burschenschaft vom Verfassungsschutz beobachtet. Eine Klage hiergegen vor dem Verwaltungsgericht wurde abgewiesen. Wie das Innenministerium 2021 mitteilte, befindet sich Frankonia in einem „Freundschaftsbund“ mit der seit 2014 als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ beobachteten Hamburger Burschenschaft Germania. Auch die Teutonia in Würzburg siedelt Koch am „rechten Rand“ an. Die Markomannia Wien zu Deggendorf wurde 2019 vom bayerischen Innenministerium als „rechtsextrem“ eingestuft. Die Vorurteile gegen Burschenschaften kommen also nicht von ungefähr.

Hinzu kommt das oft anachronistisch wirkende Außenbild der Vereinigungen. Im Wahlspruch der Erlanger Germania findet sich zum Beispiel das Wort „Ehre“. Es lässt ebenso an „Ehrenamt“ wie an „Ehrenmord“ denken. Für Bertram Koch ist das Wort positiv konnotiert. Wem „Ehre“ wichtig ist, erklärt er, der beherzigt „Anstand“ und steht zu seinen Überzeugungen.

Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es auch befremdlich, dass in schlagenden Verbindungen, so auch bei der Erlanger Germania, gefochten wird. Verletzungen bei der „Mensur“ kommen laut Bertram Koch höchst selten vor.

Bei Fechtduell gab es zwei Verletzte

Vor zwei Jahren allerdings gab es bei der Germania einen schwerwiegenden Vorfall, der sogar zur Anzeige kam: Bei einer Zusammenkunft mit einer anderen Verbindung wurden zwei Fechter schwer verletzt. Das Verfahren wurde letztlich eingestellt, doch die Sache hängt der Organisation bis heute nach.

Die bemützten und bebänderten Mitglieder von Verbindungen sind fraglos „anders“. Während ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen zum Teil mit zerrissenen Jeans herumlaufen, kommen sie wie aus dem Ei gepellt daher. Sie streben nach „charakterlicher Festigung“. Nach „Ehre“, nach Freiheit. Politisch sind sie interessiert – und zwar in alle Richtungen. Über die AfD, sagt Bertram Koch, werde bei der Germania lebhaft diskutiert. Er schätzt, dass 95 Prozent der Mitglieder die AfD ablehnen. Noch hat sich die Burschenschaft allerdings nicht dazu durchringen können, Parteimitglieder auszuschließen.

Jens Holzer bekam die Vorbehalte gegenüber Studentenverbindungen schon am eigenen Leib zu spüren. Der Alte Herr der katholischen Studentenverbindung Markomannia in Würzburg erinnert sich an ein Mai-Ansingen. „Als wir danach zum Verbindungshaus gingen, wurde ich von einem rohen Ei getroffen“, erzählt er.

Holzer gehört wie Koch zu den wenigen Mitgliedern von Verbindungen, die frei und offen von sich, ihrem Werdegang als Bundesbruder und ihren Ansichten erzählen. Mehrere von der Redaktion angeschriebene Burschenschaften, zumal solche, die im Ruf stehen, politisch rechts zu stehen, ignorierten die Bitte um ein Gespräch. Keinen Kontakt gab es zur Arminia in Würzburg, zu Danubia in München und zur Erlanger Frankonia. Holzer kann die Empfindlichkeit allerdings verstehen. Studentenverbindungen, das sei nun mal für viele eine einzige braune Soße, meint der 41-jährige Wirtschaftsingenieur, der inzwischen in Innsbruck lebt. Von einem Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten erwarte man eher nichts Gutes.

Die Würzburger Markomannia ist eine katholische Studentenverbindung. Die Achtung vor dem anderen werde bei ihnen großgeschrieben, erklärt Holzer. Voraussetzung für eine Aufnahme: Man muss männlich sein und katholisch – die Nationalität ist egal. Auch Toleranz ist für den Alten Herrn ein wichtiges Prinzip seiner Verbindung. Eben die vermisst er in der Gesellschaft: „Die am lautesten für Toleranz eintreten, sind oft am intolerantesten.“

Holzer erzählt von einem Vortrag über „Rechte Burschen und ihre Netzwerke“. Daran wollten auch Mitglieder von Studentenverbindungen teilnehmen. Er selbst hatte keine Zeit, ließ sich aber hinterher berichten. Beim Einlass fielen die Studenten durch ihre farbigen Bänder auf. Die Veranstalter hätten ihnen daraufhin den Zutritt verwehrt. Für Holzer war das unsäglich. Warum will man nicht mit jenen, von denen der Vortrag handelt, diskutieren? 

Von der Diskussion ausgeschlossen

In Franken gibt es übrigens spezielle Burschenschaften, die mit der Uni nichts zu tun haben. Sondern mit Gemüse und anderen Pflanzen: „Wir richten die Kirchweih aus“, erzählt Markus Volbers, der Vorsitzende der Burschenschaft Etwashausen aus dem gleichnamigen Stadtteil der unterfränkischen Stadt Kitzingen. Rund 5000 Neugierige zieht der Umzug jeden Oktober an. Politisch gestaltet sind die Wagen nicht, sie sind mit Gemüse geschmückt. Das stellt eine zunehmende Herausforderung dar: Es sollen vor allem traditionsreiche Gemüsesorten gezeigt werden, zum Beispiel Grünkohl. Der wird aber eigentlich gar nicht mehr angebaut. In Etwashausen gedeiht der Grünkohl eigens für den Kirchweihumzug. (Pat Christ)
 

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