Leben in Bayern

Für Ältere gibt es spezielle Kurse. (Foto: Technologiecampus)

21.06.2019

Dahoam 4.0 in Spiegelau

Zwei Bayerwald-Gemeinden sind bei der Digitalisierung ganz weit vorne – ein Besuch

Den Gottesdienst online verfolgen, im Krankheitsfall die Blutdruckdaten digital an den Hausarzt übermitteln oder via Internet den Stand des Wasserzählers angeben – für viele dürfte das noch nach reiner Zukunftsmusik klingen. In Spiegelau, einem Städtchen mit 4000 Einwohnern, aber ist all das längst Wirklichkeit. Ebenso in der 2000-Seelen-Gemeinde Frauenau. Dank eines Pilotprojekts „Digitales Dorf“ des Freistaats. Vor drei Jahren hatten sich die Bürgermeister der beiden benachbarten Orte im Bayerischen Wald dafür beworben. Und den Zuschlag bekommen.

Seitdem geht es mit der Digitalisierung in den beiden Landgemeinden stetig voran. Zur Freude der Einwohner. „Es ist toll, dass wir da vorne mit dabei sind“, sagt eine Einkäuferin im örtlichen Supermarkt. „Es muss Neuheiten ja nicht immer nur in den großen Städten geben.“ Sie selbst nutze zum Beispiel das digitale Angebot der Bücherei regelmäßig, erzählt die Frau. Auch das Onlineportal des Rathauses, auf dem sie unter anderem Formulare anfordern kann, gefällt ihr. Ein älterer Herr, der dazukommt, gibt ihr recht. Obwohl er selbst gar kein Smartphone besitzt. Aber über die Enkel sei er im Bilde, betont er. Und findet’s gut, dass Spiegelau den digitalen Weg geht. „Das kann in der heutigen Zeit nicht schaden.“

Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth (CSU) freut sich über die große Offenheit seiner Gemeindemitglieder. Er sagt, die komme daher, weil sie von Anfang an in den Prozess der Digitalisierung eingebunden waren. „Wir haben gleich zu Beginn ein Bürgerforum gemacht und später viele Arbeitskreise.“ Digitalisierung sei schließlich kein Selbstzweck. „Es geht darum, Angebote zu schaffen, die für den Bürger wirklich Verbesserungen bringen.“ Rainer Bomeisl vom Technologiecampus in Grafenau, der die Umsetzung des digitalen Dorfs begleitet, bestätigt: „Wir haben den Menschen von Anfang an die Angst genommen. Deshalb sind sie jetzt begeistert mit dabei.“

Bis 2018 lief die erste Phase des Projekts, danach wurde es verlängert. Bürgermeister Roth hofft nun auf eine zweite Verlängerung 2020. Denn Ideen haben die Verantwortlichen noch viele. Die Förderung macht zwar bescheidene 100 000 Euro pro Jahr für beide Dörfer zusammen aus. „Doch durch geschickte Planung sind wir an weitere Förderungen gekommen. Deshalb ist in den vergangenen drei Jahren schon einiges passiert“, erklärt Roth. Zum Beispiel im Bereich der Telemedizin. Schickt der Hausarzt seine Versorgungsassistentin (Verah) zum Patienten, kann diese ihm die ersten Gesundheitsdaten digital übermitteln, erklärt Bomeisl: „So bekommt der Arzt in Echtzeit Daten, was für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum enorm wichtig ist.“ In Spiegelau kommt dieses System auch im Pflegeheim zum Einsatz.

Erfolgreich läuft laut Roth auch das Projekt „Digitales Lernen für Senioren“, das die ältere Generation im Dorf fit macht im Umgang mit Smartphone, Tablet und Internet. Stolz ist der Bürgermeister auf das digitale Bürgerportal. Die Notwendigkeit für Bürger, ins Rathaus zu kommen, soll damit auf ein Minimum reduziert werden. „Sehr wichtig für Senioren und Pendler.“ Außerdem gibt es das digitale Angebot der Pfarr- und Gemeindebücherei, mit dem online abgefragt werden kann, ob das Wunschbuch derzeit verfügbar und zu reservieren ist. Ebenfalls im Angebot: E-Books, E-Learning-Angebote und Hörbücher. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich eine Tageszeitung per App aufs Handy zu laden – und eine Stunde lang darin zu schmökern.

Und auch die Kirche geht den digitalen Wandel mit. Dank eines digitalen Gottesdiensts konnten die Senioren im örtlichen Pflegeheim im vergangenen Jahr an der Pfingstmesse teilnehmen. Sie wurde in der Pfarrkirche aufgenommen und im Heim via Beamer auf eine Leinwand gestreamt. Die Kommunion gab es analog, sie wurde ins Haus gebracht.

Bereits in der Kita wird Medienkompetenz gelehrt

Ebenfalls gut kommt der Rufbus an. An drei Tagen in der Woche kann jeder Bürger für einen Euro pro Fahrt einen Kleinbus rufen, der an einer von über 40 Haltestellen in den 33 Ortsteilen Spiegelaus Halt macht: „Es gab noch keinen Tag, an dem der Bus nicht angefordert wurde“, erklärt Roth. Der Bus wird durch das Projekt „Mobilität im ländlichen Raum“ gefördert. Demnächst soll es auch Arzt- und Einkaufsfahrten geben. Einkaufshelfer für Senioren sollen dabei zum Einsatz kommen.

Und natürlich auch ein ganz wichtiger Bereich: die Schule. Dort sei die digitale Grundinfrastruktur bereits jetzt so installiert, wie es künftig an jeder Schule in Bayern der Fall sein soll, so der Bürgermeister. Jetzt müssen nur noch die bestellten Tablets kommen. Parallel zur schulischen digitalen Erziehung läuft im Kindergarten das Modellprojekt „Medienkompetenz in der Frühpädagogik“. „Natürlich sollen die Kleinen nicht den ganzen Tag im Internet sein“, betont Roth. „Aber wir wollen sie frühzeitig für die Gefahren im Netz sensibilisieren.“

Sind alle Maßnahmen abgeschlossen, soll alles in ein Portal „Dahoam 4.0“ münden, auf das jeder Bürger zugreifen kann. Die Bürgermeister, Herbert Schreiner (SPD) von Frauenau und Roth von Spiegelau sehen darin eine „riesengroße Chance und das zentrale Zukunftsthema“. Roth: „Wir wollen eine Balance schaffen zwischen digitaler und analoger Welt, und zwar so, dass der Bürger profitiert.“ Nur so habe der ländliche Raum weiterhin Entwicklungsmöglichkeiten. Sogar preisgekrönt ist das digitale Dorf schon. Beim Zukunftskongress „Staat und Verwaltung“ wurde das Projekt „Dahoam 4.0 – die digitale Gemeindeplattform“ mit der Silbermedaille ausgezeichnet. (Melanie Bäumel-Schachtner)

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