Kai Zinser kennt Schweinfurt wie seine Westentasche. Vor allem das unterirdische Schweinfurt. Der 27-Jährige ist Kanalarbeiter. Besser gesagt: Fachkraft für Rohrindustrie und Kanalservice wie es offiziell

heißt. Seit sieben Jahren steigt der braun gebrannte große Blonde mit seinen Kollegen Tag für Tag in die Tiefen der 250 Kilometer langen Kanalisation. Dort sorgt das Team dafür, dass unterirdisch alles läuft. Und zwar am besten abläuft.
"Wenn wir unsere Aufgaben nicht richtig machen würden, würde es hier aussehen wie im Wilden Westen: überall Sumpf", sagt Michael Posser. Er ist der Leiter der Abteilung Planung, Bau und Betrieb Kanalnetz bei der Schweinfurter Stadtentwässerung. "Wir begleiten den Regentropfen von der Wolke bis in den Main und sorgen dafür, dass das Schmutzwasser von den Haushalten und Betrieben fast ganz sauber ebenfalls wieder den Main erreicht", umschreibt Posser die Arbeit der Stadtentwässerung.
Auch Fakten zur städtischen Kanalisation kann er im Schlaf aufsagen. Mehr als 11 000 Haushalte sind an das Abwassernetz angeschlossen, die weit verzweigte Anlage ist bis zu 100 Jahre alt und sie ist einen hohen zweistelligen Millionenbetrag wert. "Die Kanalisation ist im Grunde ein Generationenbauwerk. Wenn wir sie modernisieren, müssen wir das für die nächsten 100 Jahre tun", sagt der Experte.
Jeder einzelne Meter wird im Jahr einmal kontrolliert
Und die Kanalarbeiter der Kommune sorgen 365 Tage im Jahr dafür, dass alles im besten Fall auch die gewünschten 100 Jahre hält. Warten, Reinigen, Reparieren - das sind die Hauptaufgaben des sechsköpfigen Teams in Schweinfurt. Allerdings vor allem oberirdisch und mit der neuesten Roboter- und Computertechnik ausgestattet. Dennoch wird jeder einzelne Meter des kilometerlangen Kanalnetzes innerhalb eines Jahres komplett kontrolliert und mit Hochdruckgeräten gespült.
"Rattenköder auslegen, kaputte Anschlüsse freilegen, die Lecks ordnungsgemäß verschließen, Verstopfungen beheben - es gibt immer was zu tun", sagt Zinser, der auch Vorarbeiter ist. In 70 bis 80 Prozent aller Fälle sind übrigens Damenbinden oder Feuchttücher der Grund für die Verstopfung.
Zinser und seine Kollegen bereiten mittlerweile den Abstieg in die Kanalisation vor. Den rund 70 Kilogramm schweren Gullideckel wuchtet der 27-Jährige routiniert schwungvoll zur Seite. Aber bevor die Kanalarbeiter unterirdisch schaffen können, kommt der wohl wichtigste Kollege zum Einsatz: ein ziegelsteingroßes Messgerät. An einem Seil baumelt es langsam tief in den Schacht.
Knöcheltief im braun-trüben Abwasser
"Damit wird die Luft freigemessen. Das Gerät reagiert auf Methan, Schwefelwasserstoff, Kohlenmonoxid und misst den Sauerstoffgehalt", erklärt Zinser. Auch während der Arbeiten unter Tage bleibt das Gerät

am Mann. Im Falle schlechter Luft piept es sehr laut. Die Kanalarbeiter müssen dann sofort nach oben krabbeln. Das passiert allerdings sehr selten.
Zinser hat sich mittlerweile seinen weißen Ganzkörperanzug angezogen. Das da unten ist schließlich das Abwasser der Stadt - mit allem, was man sich darunter vorstellt. Handschuhe, Helm, Handlampe, hohe Gummistiefel. Und ab geht es in das Dunkel unter der Stadt. In der Betonröhre ist es kühl und düster. Etwa knöchelhoch fließt das braun-trübe Abwasser durch die mehr als mannshohe Betonröhre. "Es gibt auch Stellen, da hat die Kanalisation nur einen Durchmesser von 50 Zentimetern. Das ist dann schon eine Herausforderung. Da stinkt es meist auch intensiver."
Es tröpfelt leicht von oben. Das ist das Regenwasser. "Bei Starkregen gehen wir aus Sicherheitsgründen nicht runter", sagt Zinser. Arbeit gibt es aber auch dann genug. Denn auch die 20 Regenüberlaufbecken werden von dem Team gewartet. Die riesigen Becken können bei einem stundenlangen Starkregen die ersten Wassermassen auffangen, damit die Kanalisation nicht gleich voll läuft.
Zinser macht sein Job Spaß. "Er ist abwechslungsreich und man ist viel draußen", sagt er. Nur besser bezahlt könnte er schon sein, sagt er. An den Geruch, der gar nicht so schlimm ist, gewöhne man sich. "Für alles andere haben wir unsere Geräte und die Schutzausrüstung." (
dpa)
Fotos (dpa):
Die Kanalarbeiter Kai Zinser (hinten) und Erwin Wolf begehen während eines Kontrollgangs die unterirdische Kanalisation.
Zinser arbeitet an der Anlage eines unterirdischen Regenüberlaufbeckens in der Innenstadt von Schweinfurt.
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