Leben in Bayern

Markus Söder (Mitte, CSU), Ministerpräsident von Bayern, seine Frau Karin Baumüller-Söder (l.) und Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des bayerischen Landtags, kommen zur Livesendung des Bayerischen Rundfunks "Fastnacht in Franken" in den Mainfrankensälen. Söder ging als Bayerns Stammesältester, was aber ohne Erläuterung niemand so erkannte. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

11.02.2023

Söder wie aus dem Alten Testament entstiegen

Es gibt die Theorie, dass sich Feierlaune in Krisenzeiten besonders exzessiv Bahn bricht. Insofern wäre für den Frankenfasching angerichtet - Krieg, Inflation, Energieprobleme. Tipps zum Umgang damit kommen von unerwarteter Seite

"Für zwei Jahre ohne Franken möchten wir dem Herrgott danken" - bäm! Das sitzt, meint man. Weit gefehlt, denn das Publikum der "Fastnacht in Franken" wartet alljährlich sehnsüchtig auf die von Hassliebe zeugenden Spitzen der Altneihauser Feierwehrkapell'n. "Weit weg von hier, zu Haus' beim Bier. (...) Wo Hopfen kocht und Malz, da liegt die Oberpfalz" - und dort sei es zuletzt dank fehlender Trips zum Fernsehfasching in die Mainfrankensäle bei Würzburg besonders schön gewesen.

In den vergangenen beiden Jahren war die heuer live im Bayerischen Fernsehen übertragene Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes Franken ohne den Trupp aus dem Osten des Freistaats über die Bühne gegangen - pandemiebedingt. Und diese Auszeit nutzten die Franken wiederum, um sich auf die neuerlichen Anwürfe der musikalischen Männergruppe vorzubereiten: Büttenredner Klaus Karl Kraus aus Erlangen weihte "Preußen-Gimpel" und andere Unwissende in die Geheimnisse einer richtigen Kerwa ein - bei "Brodwöschd mit Sauerkraut" sang das Publikum aus Leibeskräften mit.

Trotz seines unverkennbaren "Färdder" Dialekts versuchte es das Comedy-Duo Martin Rassau und Volker Heißmann mit Sprechunterricht - für Oberpfälzer und sonstige "Auswäddiche". "Sprache ist das wichtigste Kulturgut. Man muss klar und deutlich artikulieren können. Wenn man das nicht kann, kommt man ja aus der Oberpfalz", witzelte Rassau bei der seit Jahren meistgesehenen Sendung im Bayerischen Rundfunk.

In die Herzkammer des Frohsinns nach Veitshöchheim wagte sich am Freitagabend auch wieder ein Großteil des bayerischen Kabinetts, ebenso Vertreter der Opposition. An einem tobten sich die Comedians, Büttenredner und Sänger natürlich besonders aus: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Vor allem seine Leidenschaft für Selbstdarstellungen in sozialen Medien bei Tiktok, Instagram und Co. beschäftigte die Narren.

Er sei ihr großes Vorbild, erzählte das vorlaute aber liebevolle Nilpferd Amanda, aufgebrezelt mit rotem Tüllrock und lebendig dank Bauchredner Sebastian Reich. "Influ-Söder, der größte Influencer Deutschlands. (...) Der postet bayerische Landschaften, Berge, Seen, Selfies, mit und ohne Königin. Spargelkönigin, Bratwurstkönigin, Weißwurstkönigin, Apfelkönigin, Bierkönigin, Weinkönigin - Atmen nicht vergessen - Zwiebelkönigin, Blumenkönigin."

Er habe neulich sogar ein Selfie mit Pferden gemacht, erzählte die aufgeregte Amanda, die Söder daraufhin vor den rund 600 Zuschauern im Saal etwas ganz Besonderes angekündigte. "Markus, jetzt fehlt nur noch ein Selfie mit Nilpferd."

Bayerns Stammesältester oder Abraham?

Söder, der zuletzt im Smoking in der Narrenhochburg Veitshöchheim war, kündigte vollmundig an: "I'll be back." Wohl nicht nur, weil das Jahr 2023 gezählt wird und im Oktober eine Landtagswahl ansteht, hatte sich Söder für ein Kostüm mit Tragweite entschieden: Als "Stammesältester" wolle er den Bayern Leitlinie und Orientierung geben und sie durch die Krisen der Zeit führen. In Zeiten von Krieg und Inflation sei purer Klamauk eher nicht angebracht.

Söder trug einen grauen Bart - Kabarettist Volker Heißmann zupfte im freundlicherweise das Sauerkraut aus den langen Barthaaren -, eine graue Perücke, ein altertümliches Hemd und einen Umhang. "Abraham" sei Söder ja vielleicht oder sonst jemand aus dem Alten Testament, spöttelte Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Er hatte sich für Zimmermannstracht entschieden.

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) kam als Chase - ein Deutscher Schäferhund und Polizeihund der Fernsehserie "Paw Patrol". Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), zum ersten Mal bei der Kult-Prunksitzung zu Gast, erschien als Hippie - mit runder Brille, schwarzer Schlaghose und einem Statement-Shirt: "No drugs, just peace and happiness" war darauf zu lesen. Holetschek ist ein entschiedener Gegner der Legalisierung von Cannabis.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) präsentierte sich wie immer als Sheriff, Digital-Ministerin Judith Gerlach (CSU) tippelte als Biene Maja über den roten Teppich. Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) kam als Astronaut der Bavaria One - so nennt sich das Raumfahrtprogramm der Staatsregierung.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) schlüpfte für den Frankenfasching in die Rolle der "Mama Bavaria", ebenso wie Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, die als "Bavaria" an die Statue auf der Münchner Theresienwiese erinnerte. Sie gilt als Symbolfigur Bayerns.

Lauterbach wird zu "Cannabis-Charlie"

Steilvorlagen für Bütt' und Sketche lieferte aber nicht nur die Landespolitik. Kabarettist Michl Müller aus Bad Kissingen nannte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Anspielung auf die debattierte Legalisierung von Haschisch und Marihuana "Cannabis-Charlie". Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sei mit ihrer Stahlhelm-Frisur die "Panzerhaubitze von der FDP".

Der erste Faschingsprinz in der Geschichte der Kultsendung, Büttenprofi Peter Kuhn aus Schweinfurt, sorgte bei der stimmungsvollen Show zuweilen für nachdenkliche Momente. Am Umsturz arbeitende "Reichsbürger", das Debakel um die desolate Bundeswehr, der Krieg in der Ukraine, China versus USA, Energieknappheit: "Mir scheint die Welt ist allerorten, einfach nur verrückt geworden."

Kommandant Norbert Neugirg von der Altneihauser Feierwehrkapell'n riet angesichts der resultierenden Sparzwänge zum Blick in seine Heimat: "In der Oberpfalz, aus der wir kommen, da wird das Sparen ernst genommen. Wir duschen nicht, gehen nicht ins Bad, der Waschlappen hat 19 Grad. Und der ist laut den Grünen, 14-tägig zu bedienen. Um Körperteile, die es dringend bräuchten, oberflächlich anzufeuchten." (Angelika Resenhoeft, Kathrin Zeilmann, Michael Donhauser, dpa)

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