Leben in Bayern

Der Laienschauspieler René Scheler als Hanjörg (l) probt in der Kirche St. Laurentius das Heimatstück „Friede auf Erden“. Das Stück wird anlässlich des Coburger Friedensdankfestes in dem oberfränkischen Ort Melder aufgeführt. (Foto: dpa/Nicolas Armer)

17.08.2022

Friedensdank in Meeder

Wie eine Gemeinde seit 1651 Frieden feiert

 "Der Krieg in der Ukraine lehrt uns, dass dieses Thema Frieden immer wieder neu erarbeitet werden muss." So sieht es Silvia Schwarz aus der kleinen oberfränkischen Gemeinde Meeder. Und diese Gemeinde im Coburger Land ist gut darin, Frieden zu erarbeiten. Seit 1651 - kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges - feiern die Meederer jährlich ein Friedensdankfest, das bislang angeblich nur ein einziges Mal ausgefallen ist - im Jahr 1944, der Hochphase des Zweiten Weltkriegs. Mit dieser Leistung hat Meeder es 2022 neu auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes in Bayern geschafft.

Alle zehn Jahre - und auch in diesem Jahr - feiert das Dorf sein Friedensdankfest größer. Unter anderem mit einem Theaterstück, das die Geschichte der Gemeinde kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges zeigt und sich der Frage widmet, wie mit Flüchtlingen umgegangen werden soll. Über Monate proben rund 35 Laienschauspieler, in der Dorfkirche St. Laurentius wird eine Bühne aufgebaut, beim ETA Hoffmann Theater in Bamberg leihen sich die Meederer Kostüme aus.

Viele der Schauspieler sind nicht zum ersten Mal dabei. So wie der 81 Jahre alte Dietmar Ochs, der die Rolle des Offiziers bereits zum fünften Mal - also seit 50 Jahren - spielt. "Ich mach's einfach unwahrscheinlich gerne", sagt er bei der Generalprobe. Als ehemaliger Lehrer wisse er, wie man Theater macht - entweder man macht die Show, oder "die Kinder machen die Show selbst". Die Rolle mit dem höchsten Redeanteil spielt René Scheler. Er wohnt mittlerweile eigentlich in München und nahm für die Proben jedes Mal rund drei Stunden Fahrt auf sich - je Richtung. Aus "Riesenenthusiasmus für die Gemeinde", wie er sagt.

Glocken läuten schon um 4 Uhr früh

Der Festsonntag in Meeder - in diesem Jahr am 21. August - beginnt jedes Jahr gleich - und zwar sehr früh. Um 4.00 Uhr morgens läuten die Kirchenglocken im ganzen Coburger Land. Zwei Stunden später spielt ein Posaunenchor vor der Dorfkirche. Es folgen ein Festgottesdienst und am Nachmittag das Theaterstück "Frieden auf Erden". Bereits am Vorabend eröffnet die Menschenrechtsaktivistin Irmela Mensah-Schramm ihre Ausstellung "Hass vernichtet". Im dorfeigenen Friedensmuseum gibt es eine Sonderausstellung zu "50 Jahren Friedensnobelpreis Willy Brandt". Eine Woche später feiert die Kirchengemeinde ein Friedensfest mit zahlreichen Ständen.

Der Friedensdank geht auf eine Anordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg aus dem Jahr 1650 zurück, der nach Ende des Dreißigjährigen Krieges für die gesamte Region Friedensfeste anordnete. Neben Augsburg ist Meeder die einzige Gemeinde, in der bis heute jährlich der Friedensdank gefeiert wird, wie der Vorsitzende des Friedensmuseums, Henning Schuster, sagt. Im Dreißigjährigen Krieg sei fast ganz Meeder niedergebrannt, die Einwohnerzahl sank von rund 2000 auf 600. Grund genug, nach Kriegsende für Frieden zu danken.

Dass das Fest immer stattfand, hat aber wohl auch banalere Gründe: Der Kirchenchor im Ort bekam zum Friedensdank immer eine kostenlose Mahlzeit - es lohnte sich also, die Tradition am Leben zu erhalten, sagt selbst Chorleiter Hartmut Korndörfer, ergänzt aber etwas ernsthafter: "Friede ist nicht automatisch gegeben, er muss jedes Mal aufs Neue als Ziel der Politik gelten."

Dutzende Freiwillige engagieren sich

In Meeder engagieren sich Dutzende Freiwillige um den Wert des Friedens zu betonen, von Mitgliedern der Kirchengemeinde, über die Laienschauspieler, bis hin zu den ehrenamtlichen Betreibern des Museums. Schon im Kindergarten wird "konfliktbewusstes und friedensförderndes Denken und Handeln" geübt und die Schülerinnen und Schüler der Grundschule können im Friedensmuseum mithelfen und zum Beispiel verkleidet als die Coburger Friedensaktivistin Anna Bernhadine Eckstein Führungen geben.

Bei all dem Engagement schwingt aber durchaus auch Wehmut mit. Bei der Generalprobe des Theaterstücks blickt Silvia Schwarz, die Regie führt, in die Runde und sagt: "Es sind immer dieselben Leute." Es sei schade, dass viele nur in Meeder wohnen und sich nicht beteiligten. Elke Bräutigam, Vorsitzende des Friedensmuseums und Initiatorin des Theaterstücks erzählt von früheren Festen, sogar ein Seifenkistenrennen habe es mal gegeben. "Davon erzählen sie heute noch, da war so viel los in Meeder."

Und so hoffen viele der Engagierten, dass die Auszeichnung zum Immateriellen Kulturerbe dem Fest wieder einen Schub gibt. "Das ist nämlich ein Riesenaufwand hier", sagt Laienschauspieler Dietmar Ochs.
(Simon Sachseder, dpa)

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