Leben in Bayern

Mikroplastik ist überall, auch in Kosmetikprodukten. Die Reinigungsstufen einer normalen Kläranlage filtern 95 Prozent aller Schadstoffe aus dem Abwasser. Für Mikroplastik bräuchte es eine weitere Stufe. Foto: dpa/Zoonar/monticello

14.08.2025

Dem Mikroplastik auf der Spur

Immer mehr winzige Abfallpartikel überwinden die Filter von Kläranlagen – es gibt inzwischen eine Lösung, die aber teuer ist

Man findet es in den Meeren, in den bayerischen Seen – und irgendwann landet es auch im Abwasser: Mikroplastik. Damit bezeichnet man Kunststoffpartikel, die kleiner als 5 Millimeter sind. Eine Ursache für die Entstehung dieser winzigen Plastikteile ist unsachgemäß entsorgter Plastikmüll. Denn mit der Zeit wird der Kunststoff spröde und zerfällt in kleine Teilchen bis in Millimetergröße, die dann sehr lange in der Umwelt verbleiben können. Mit neuen Methoden versuchen Kläranlagen, das Mikroplastik aus dem Abwasser zu filtern.

Ohne Kunststoff wird es nicht gehen

„Denn“, so Andreas Greiner vom Sonderforschungsbereich Mikroplastik an der Universität Bayreuth, es gehe auch in Zukunft „an Plastik kein Weg vorbei“. Wichtig aber sei die Vermeidung von Plastikabfall. Den Sonderforschungsbereich gibt es seit 2019, hier arbeiten 31 Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen der Universität wie Ökologie und Umweltwissenschaften oder Molekulare Biowissenschaften in 16 interdisziplinären Teams zusammen. Das Ziel: Man will erforschen, wie Mikroplastik in die Umwelt gerät und was es dort verursacht. „Probleme verstehen und lösen“, bringt es Andreas Greiner auf den Punkt.

Wie groß das Problem ist zeigte ein Forschungsbericht des Bayerischen Umweltministeriums von 2019 zum Vorkommen von Mikroplastik in bayerischen Seen auf. Dazu wurden Chiemsee, Starnberger See, Ammersee und Altmühlsee auf Mikroplastikteilchen untersucht. Die Ergebnisse: Beim Großteil der nachgewiesenen Mikroplastikpartikel handelt es sich um sogenanntes sekundäres Mikroplastik. Dieses entsteht etwa aus Reifen- und Schuhsohlenabrieb sowie aus unsachgemäß entsorgtem Plastikmüll, der in Flüsse und Seen gelangt und dort in immer kleinere Einzelteile zerfällt.

Primäres Mikroplastik sind hingegen bewusst hergestellte kleine Partikel, die unter anderem Produkten wie Kosmetika und Körperpflegemitteln beigefügt werden. Sogenannte Makroplastik, das sind Teilchen größer als 5 Millimeter, wurde ausschließlich in Ufernähe nachgewiesen. „Mit Konzentrationen zwischen 14 und 410 Partikeln pro Quadratmeter wiesen alle Seen an mindestens einer Messstelle große Kunststoffteilchen auf“, so der Bericht. Weggeworfene Plastikflaschen werden so wieder an das Ufer angespült. Und in allen Seen wurde Mikroplastik, also Teilchen kleiner als 5 Millimeter, gefunden.

Allerdings war die Mikroplastikkonzentration in den Wasserproben „insgesamt sehr gering“. In oberflächennahen Wasserproben der Seen lag die Partikelkonzentration bei maximal 42 Partikeln pro Kubikmeter. Die höchsten Mikroplastikkonzentrationen waren an den Ufern der Seen nachweisbar.

Auch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nimmt sich mit einem Forschungsvorhaben des Themas an. Untersucht wird, ob sich Mikroplastik in der Umwelt auf die menschliche Gesundheit auswirken kann. Denn „über das Ausmaß und mögliche langfristige Auswirkungen ist bisher zu wenig bekannt, um belastbare Aussagen über ein mögliches Gesundheitsrisiko der Bevölkerung treffen zu können“, so das Landesamt. Bisherigen Forschungen zufolge lägen keine Hinweise auf Gesundheitsgefahren vor. Jedoch wolle Bayern mögliche Risiken für die Verbraucher anhand neuer Forschungsergebnisse fundiert abschätzen.

Appell an die Verbraucher

Vorrangig ist dabei die Frage der Belastung von Lebensmitteln mit Mikroplastik. Dazu sei es notwendig, geeignete Nachweisverfahren für Mikroplastik in verschiedenen Lebensmitteln wie Getränken oder in Kunststoff verpackten Lebensmitteln zu entwickeln Im Ergebnis solle das Vorhaben „qualitätsgesicherte Daten in der notwendigen Breite“ liefern, um verlässliche Aussagen über die Aufnahme von Mikroplastik beim Menschen zu ermöglichen.

Ziel ist es, „eine Gesamtkonzeption zum Thema Mikroplastik aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes zu erarbeiten und dazu die bereits laufenden Aktivitäten zu bündeln.“ Für Wissenschaftler Greiner ist klar, der beste Plastikmüll ist der, der gar nicht in die Umwelt gelangt.

Auch das bayerische Umweltministerium appelliert an die Verbraucher, um Mikroplastik zu reduzieren. So bestehe ein großer Teil des unachtsam weggeworfenen Plastikmülls aus „Coffee-to-go“-Bechern und Deckeln. Jahr für Jahr würden 2,8 Milliarden dieser Becher in Deutschland einmalig gebraucht und anschließend als Abfall entsorgt. Besser als der Kauf von Einwegbechern sei die Verwendung von Mehrwegbechern. Und der Verbraucher solle im Alltag generell auf Plastik verzichten, soweit möglich. So sei seit 2016 der Verbrauch von Plastiktüten von 45 pro Kopf und Jahr auf 24 Plastiktüten reduziert worden. Dennoch ergebe das in Deutschland noch einen Berg von jährlich über zwei Milliarden Stück.

In Bayreuth kämpft man übrigens nicht nur am Sonderforschungsbereich mit dem Thema Mikroplastik. Damit die dortige Kläranlage in Zukunft Rückstände von Arzneimitteln, Mikroplastik und Kosmetika noch besser aus dem Klärwasser filtern kann, investiert die Stadt 37,5 Millionen Euro in eine Sanierung der Anlage.

Bis 2035 soll eine vierte Reinigungsstufe dazukommen. Die ersten drei Reinigungsstufen filtern das Wasser erst mechanisch, dann biologisch und im dritten Schritt chemisch, über 95 Prozent der Stoffe werden damit in der Regel entfernt.

Die vierte Stufe ist nun für die Filterung eben dieser Reststoffe vorgesehen und funktioniert mithilfe von zwei Verfahrenstechniken. Zum einen bringt das Klärwerk das Oxidationsmittel Ozon in das Abwasser ein, das baut Spurenstoffe ab. Zum anderen verwendet das Klärwerk Aktivkohle. „Das absorbiert das Mikroplastik“, erklärt dazu Andreas Greiner. Ob sich Kommunen eine derartige vierte Reinigungsstufe anschaffen, ist allerdings eine Kostenfrage.

37,5 Millionen Euro teure Reinigungsstufe

Helfen könnte die im vergangenen Herbst verabschiedete neue EU-Kommunalabwasserrichtlinie, die innerhalb von rund zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden muss. Große Kläranlagen sowie Anlagen, die in besonders gefährdete Gebiete einleiten, sind dann verpflichtet, bis 2045 eine vierte Reinigungsstufe einzubauen. Dabei sollen auch die Hersteller von Arzneimitteln und Körperpflegeprodukten zur Finanzierung eingebunden werden. (Rudolf Stumberger)
 

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