Leben in Bayern

Gudrun Wirths mit einem Rauschgoldengel aus alter Goldfolie. (Foto: Pat Christ)

18.12.2020

Den Himmelsboten verfallen

Kein Weihnachten ohne Engel – für die Fränkin Gudrun Wirths aber haben sie das ganze Jahr Konjunktur

Vor 35 Jahren fing alles an. Da begann Gudrun Wirths, aus purer Lust Christbaumschmuck zu sammeln. Und was sie zusammentrug, begeisterte bald nicht nur Freunde und Verwandte. Auch Museen wurden auf sie aufmerksam. Die 75-Jährige aus Marktbreit im Kreis Kitzingen zeigte ihre Stücke unter anderem schon in Dresden, Altenburg, Zwickau und Bad Winds- heim. Aktuell ist eine Schau mit Engelsexponaten aus ihrer privaten Sammlung im Museum für Franken aufgebaut – dort aber warten die himmlischen Wesen wegen Corona noch auf ihren großen Auftritt.

Nur zu sammeln reichte Wirths schnell nicht mehr. Sie strebte auch nach fachlichem Know-how. „Ich wollte im historischen Kontext sammeln“, sagt sie. Das bedeutete für sie, viel Neues zu lernen. Denn von Berufs wegen hatte Wirths nichts mit Kunst oder Kunstgeschichte zu tun. „Ich bin medizinisch-technische Angestellte“, erzählt sie. 2001 begann Wirths, sich ehrenamtlich im städtischen Museum „Malerwinkelhaus“ in Marktbreit zu engagieren. Parallel besuchte sie volkskundliche Seminare an der Uni Würzburg.

Ein Kinderbuch prägte ihre Vorstellung von Engeln

Dass eine Amateursammlerin maßgeblich an großen Ausstellungen beteiligt ist, ist nicht alltäglich. Das Würzburger Museum für Franken aber entschied sogar, die aktuelle Ausstellung ausschließlich mit Exponaten aus der Sammlung Wirths’ zu bestücken. Ideenreich teilte Kuratorin Veronika Genslein einen Teil der viele Hundert Stücke umfassenden Engelssammlung in sieben Themenfelder ein. Weihnachtliche Engel machen dabei nur einen kleinen Teil aus, der bis Ostern zu sehen sein wird – wenn denn die Museen wieder öffnen dürfen.

Engel faszinieren die Menschen seit eh und je. Bei Wirths sprang der Funke schon sehr früh über. „Meine Vorstellung von Engeln wurde als Kind durch ein Bilderbuch geprägt, das in der Ausstellung zu sehen sein wird“, verrät sie. Das Buch entführt kleine Kinder in eine himmlische Werkstatt, in der emsige Engelchen Weihnachtsspielzeug anfertigen. Die kleine Gudrun erhielt das Buch von ihrer Mutter Anfang der 1950er-Jahre. Das Werk schaut reichlich zerlesen aus – und zeugt von der großen Liebe des kleinen Mädchens zu der Geschichte über die fleißigen Himmelsboten, die an Weihnachten für viele schöne Spielsachen sorgen.

Es macht Spaß, Wirths zuzuhören, wenn sie von ihrer Sammelleidenschaft spricht. Viele Stücke haben eine Geschichte. So zum Beispiel auch ein großer Schwebeengel aus dem Erzgebirge, der zu den Hinguckern in der Ausstellung des Museums für Franken zählt. Wirths sah ihn in einem Antiquitätengeschäft. Und musste schlucken – denn so schön der Engel war, so teuer war er leider auch. „Ich habe wirklich lange mit mir gehadert, ob ich ihn erwerbe.“ Sie begann zu sparen. Ihr Mann, der damals noch lebte, half mit. Schließlich wurde auch der Schwebeengel Teil ihrer Sammlung.

Rein ästhetisch kann sich Wirths nicht mit jedem Stück in ihrer Sammlung identifizieren. Doch genau das mache professionelles Sammeln aus, sagt sie. „Wenn etwas historisch dazugehört, erwerbe ich es, auch wenn es mir persönlich nicht so gut gefällt.“ Aus jeder Epoche, beginnend um die Zeit ab 1880 bis in die 1950er-Jahre, suchte Wirths in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten nach Belegstücken für jeweils typischen Weihnachtsschmuck. Oder auch für typische Engelsdarstellungen. Da gibt es jede Menge schlichter Stücke aus nüchternen Epochen. Und Belegmaterial aus der Phase des Historismus, dem es schier nicht überladen genug sein konnte.

Oft wurde Wirths in der ehemaligen DDR fündig. Sie ergatterte zum Beispiel rare Stücke aus Dresdner Pappe. Besonders apart sind die Federbäume aus dem thüringischen Sonneberg. Wie der Name besagt, bestehen diese Bäumchen nicht aus Nadeln, sondern aus Federn. Genauer: aus Gänsefedern. „Man konnte sie flach zusammenlegen“, erzählt Wirths. In Kartons verpackt, wurden sie im Ersten Weltkrieg in die Schützengräben geschickt. Auch Reisende, die an Weihnachten unterwegs waren, bedienten sich dieses Baumersatzes en miniature.

Manchmal stellen sich Angaben von Stücken aber auch als falsch heraus. „Vor allem im Internet ist das so“, erklärt Wirths. Glas werde zum Beispiel oft als „altes Glas“ offeriert: „Doch das kann nicht sein, wenn das Glas schwer ist, denn altes Glas ist federleicht.“ Wirths kann man heute so schnell nichts mehr vormachen: „Meistens erkenne ich Fälschungen schon an der Fotografie.“ Vorsicht ist zum Beispiel geboten, was die Wattefigürchen betrifft, mit denen in der Ausstellung die Federbäume geschmückt sind. Echt sind die nur, wenn sie mit leonischem Draht umwickelt sind. Und viele echte Figürchen gibt es heute nicht mehr.
(Pat Christ)

Foto (Pat Christ): In diesem von Wirths eingerichteten Puppenladen wimmelt es nur so von Engeln.

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