Leben in Bayern

Die Schäffler tanzen verschiedene Figuren. Mit der Krone zum Beispiel erweisen sie der weltlichen Obrigkeit die Ehre. (Foto: Bitala)

17.01.2020

Derb – aber mit Fingerspitzengefühl

In Murnau sind nach sieben Jahren Pause wieder die Schäffler los – bis zum Faschingsdienstag tanzen sie durch die Marktgemeinde

Die Münchner Schäffler tanzten im vergangenen Jahr ihre Reigen. In diesem Jahr hüpfen die Murnauer Schäffler nach siebenjähriger Pause durch die Straßen der Marktgemeinde am Staffelsee. Am Dreikönigstag begann die neue Tanzsaison. Bis zum Faschingsdienstag werden die Burschen in ihren rot-schwarzen Monturen an 15 Tanztagen gut 160 Auftritte absolvieren.

Michael Huber ist der Vorsitzende des Vereins zum Erhalt des Murnauer Schäfflertanzes und erklärt die Maxime seiner Zunft. „Wir Schäffler wollen Freude und Zuversicht in den Herzen der Menschen wecken.“ Die eindrucksvollsten Auftritte hätten sie, „wenn wir für Senioren tanzen, für Menschen mit Beeinträchtigungen oder für Leute, denen es im Leben nicht so gut geht“, sagt er. Und Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting ergänzt: „Wir wissen nicht, was die 2020er-Jahre bringen werden.“ Wird es eine friedliche Zeit? „Es ist auf jeden Fall eine gute Sache, das neue Jahrzehnt mit einem Schäfflertanz zu beginnen“, so Beuting.

Seit vergangenem September haben die Schäffler zweimal pro Woche die Choreografien geprobt. Ein Schreiten? Ein Hüpfen? Ein Springen? Egal! Hauptsache, die Tänzer halten ihre Rücken kerzengerade und bilden mit den Oberschenkeln einen exakten 90-Grad-Winkel, ebenso mit den Knien. Dabei haben die Tänzer ihre Buxbögen fest im Griff und den Takt im Kopf.

Freche Verse vom Kasperl gehören dazu

Getanzt werden Figuren, die alle eine Bedeutung haben. So beschreibt die „Laube“ zum Beispiel einen Ort, an den man sich in Ruhe zurückziehen kann. Das „Sommerhaus“ symbolisiert das eigene Zuhause. Das „Kreuz“ steht als Sinnbild für die Kirche, und mit der „Krone“ wird der weltlichen Obrigkeit die Ehre erwiesen. Während des „Kontratanzes“, der zeigt, dass man trotz verschiedener Marschrichtungen und Meinungen zu einem harmonischen Ganzen kommen kann, wird das Fass für den Reifenschwinger in die Mitte getragen. Schnapsstamperl werden vorbereitet. Der Reifenschwinger besteigt das Fass und schwingt bis zum Ende des Kontratanzes seine beiden Reifen inklusive Gläsern so geschickt durch die Luft, dass kein Tropfen verschüttet wird. Es folgt die Laudatio auf den Tanzgeber.

Sie ist das Signal für den Kasperl. Vom weiß-blauen Podest herab unterhält er das Publikum mit lustigen Verserln. Dabei ist sehr viel Fingerspitzengefühl erforderlich, denn die Rede darf zwar derb sein, soll aber niemanden beleidigen. Beim Murnauer Premierentanz am Dreikönigstag schlüpfte Hans Steib in die Rolle des Fasskasperl. Er schrieb den anwesenden Honoratioren ins Stammbuch, sich nicht so wichtig zu nehmen: „Heuer sind Kommunalwahlen. Seid gewiss, ihr altgedienten und ihr dann neu gewählten Gemeindepolitiker. In sieben Jahren, 2027, werden wir Schäffler wieder hier aufmarschieren. Auf der Tribüne werden dann allerdings eure Nachfolger stehen.“

Schäffler ist ein alter oberbayerischer Begriff für Fassmacher. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in Murnau elf Brauereien. Da wurden jede Menge Fassmacher gebraucht. „Es ist anzunehmen, dass viele Murnauer Schäffler im 18. und 19. Jahrhundert ihr Handwerk in München lernten – wo seit 1702 der öffentliche Schäfflertanz überliefert ist“, erklärt Vereinschef Huber. Als 1857 die Marktgemeinde Murnau durch einen Großbrand fast völlig zerstört wurde und zwei Jahre später die Häuser wieder aufgebaut waren, erinnerte sich der Schäfflermichl, der Murnauer Zunftmeister Michael Pitt-rich, an den Lebensmut und die Freude, die zu Notzeiten von den Schäfflern in München unter der Bevölkerung verbreitet wurden. Das sollte jetzt nach der Feuerkatastrophe auch in seiner Heimatgemeinde so sein. Laut Ortschronik war 1859 das erste Tanzjahr in Murnau. Die Tradition könnte aber ein paar Jahrzehnte älter sein, meint Huber, denn 1992 wurde auf einem Speicher per Zufall ein Tanzmeisterstab mit der Aufschrift 1837 gefunden.

Die Altersstruktur der Murnauer Schäffler ist bunt gemischt. Ebenso sind die Berufsgruppen weit gefächert. Denn richtige Fassmacher gibt es heute kaum mehr. Und während in anderen Orten nur unverheiratete Männer tanzen dürfen, sind in Murnau alle Interessenten herzlich willkommen, betont Huber. (Günter Bitala)

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