Leben in Bayern

Noch hat Benafscha Angst vor Nelli. Doch sie vertraut Franziska Schneider, die aufpasst, dass nichts passiert. (Foto: Bäumel-Schachtner)

13.11.2015

Die große Angst vor kleinen Kläffern

Vielen Flüchtlingen sind Hunde nicht geheuer, denn in ihrer Heimat sind sie verpönt – eine Regensburger Hundertrainerin hilft Kindern ihre Scheu abzubauen

Der Hund als bester Freund des Menschen – das ist für mache Asylbewerber unvorstellbar. Auch die afghanischen Flüchtlingsschwestern Nargis (6) und Benafscha (10) gerieten regelmäßig in Panik, wenn sie einem Hund auf der Straße begegneten. Doch das ist endlich vorbei – dank eines ehrenamtlichen Projekts. Nargis klettert weit hoch in ein Fenster des Straubinger Jugendtreffs. Dort oben fühlt sich das sechsjährige Mädchen aus Afghanistan erst einmal sicher. Die Bedrohung: eine kleine schwarze Hündin namens Biene. Unten erzählt derweil deren Besitzerin Franziska Schneider Grundsätzliches über die Tiere. Auch, dass man ihnen nicht direkt in die Augen starren soll. Und bitte nicht über sie beugen.

Einen Hund streicheln? Für die Mädchen unvorstellbar

Franziska Schneider ist Hundetrainerin. Regelmäßige bietet die Regensburgerin ein Training für Kinder an, um ihnen die Angst vor Hunden zu nehmen. Mit Flüchtlingskindern arbeitet sie an diesem Tag zum ersten Mal – und zwar ehrenamtlich. Die Idee dazu hatte ihre Mutter: Ilse Schneider arbeitet beim Internationalen Kultur-Treff (IKT) in Straubing und merkte schnell: Viele der Flüchtlinge, denen sie sich annimmt, haben richtiggehend Panik, wenn sie einem Hund begegnen. Denn nicht in allen Kulturen gilt das Tier als der beste Freund des Menschen. Im Gegenteil: In vielen Ländern sind Hunde verpönt, in manchen gelten sie gar glaubensbedingt als unrein. Kein Gedanke dort daran, sich einen Hund als Haustier zu halten.

Auch die kleine Nargis und ihre zehnjährige Schwester Benafscha hatten ihrer Heimat Kabul mit Hunden keinen Kontakt. Seit drei Jahren sind die beiden mit ihrer Familie in Deutschland – sie warten immer noch auf die Bewilligung ihres Asylantrags. Dennoch: Eingelebt haben sich die Mädchen in Bayern längst. Sie sprechen mittlerweile auch perfekt und akzentfrei Deutsch. Nur an eines in ihrer neuen Heimat konnten sie sich bislang nicht gewöhnen: Begegnen sie auf der Straße einem Hund, überfällt sie eine große Angst.

Der ungarische Mischling Nelli soll dabei helfen, die Herzen der beiden ängstlichen Mädchen zum Schmelzen zu bringen


Das will Franziska Schneider an diesem Tag ändern. Zur Unterstützung hat sie nicht nur die zehnjährige kniehohe Schnauzer-Mix-Hündin Biene mitgebracht. Auch der ungarische Mischling Nelli soll dabei helfen, die Herzen der beiden ängstlichen Mädchen zum Schmelzen zu bringen.

Doch aller Anfang ist schwer. Als die Hundetrainerin Nelli aus dem Auto holt, zeigen die beiden Kinder Angst, obwohl das freundliche Tier noch drei Meter entfernt ist. Doch Benafscha fasst sich ein Herz. Während die kleine Schwester in sicherer Entfernung oben im Fenster hängt, lässt sie es sogar zu, dass Nelli zu ihr auf die Bank springt. Doch es ist offensichtlich: Ganz geheuer ist der Zehnjährigen das alles auch noch nicht. Immer wieder hebt Benafscha abwehrend die Hände – wenn ihr Nelli zu nah kommen, aber auch aus Angst vor der eigenen Courage hat.

Doch eineinhalb Stunden später das kleine Wunder: Völlig selbstverständlich spazieren Benafscha und Nargis mit den Hunden an der Leine über den Hof. Das größte Vergnügen der Schwestern ist es, wenn eine von ihnen zwei Hunde gleichzeitig führen darf: Nelli links, Biene rechts. Wenn Nelli nach hinten zieht, um zu schnüffeln, und Biene genau die andere Richtung einschlägt, weil sie dort etwas spannendes gerochen hat, dann kreischen die Mädchen vor Vergnügen.

Weit weg scheint auch nur der Gedanke daran zu sein, dass sie bis eben noch ausgeschlossen hatten, auch nur jemals einen Hund zu streicheln. Die ältere Benafscha beugt sich zu Biene herab und krault sie am Kopf. Nargis immerhin traut sich, die Schnauzerhündin am Rücken zu streicheln, wenn Schneider das Tier dabei Leckereien gibt. Doch eine Viertelstunde später geht auch Nargis angstfrei auf die Hündin zu und krault sie. Vorsichtig zwar noch, aber sehr, sehr liebevoll.

Am Ende kreischen die Schwestern vor Vergnügen

Wie Hundetrainerin Franziska Schneider das geschafft hat? Beim Training steht nicht eine Belehrung, sondern vor allem der spielerische Umgang mit den Hunden im Mittelpunkt. Und das ist es, was das Eis schnell brechen lässt. Mit vor Vergnügen blitzenden Augen lassen Nargis und Benafscha Nelli eine Rolle nach der anderen machen. Und  für Biene Leckerli verstecken sie kleine Leckereien, die die Hündin dann suchen darf.

„Wir haben jetzt keine Angst mehr“, sagt Benafscha am Ende im Brustton der Überzeugung. Auch Franziska Schneider freut sich über diesen großen Erfolg. Sie will das Training für Flüchtlingskinder fortsetzen.
Benafscha und Nargis ihrerseits versprechen, wiederzukommen, sie freuen sich bereits jetzt auf den Moment, Nelli und Biene wiederzusehen. Und sie kündigen an, dass sie das nächste Mal nicht alleine kommen: „Wir bringen Freundinnen mit.“ (Melanie Bäumel-Schachtner) Foto: Selbst die kleine Nargis traut sich bald die zutrauliche Hündin an der Leine zu führen; mel

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