Leben in Bayern

Eine von 150 Careers Ambassadors in Europa: die 26-jährige Münchnerin Cornelia Nissen. (Foto: Philipp Thalhammer)

22.03.2019

Die Karrierebotschafterin

Die Münchner Studentin Cornelia Nissen ist ein großer Fan der europäischen Idee – als Careers Ambassador will sie auch andere für die EU begeistern

Um einen Platz im EU-Parlament bewerben sich viele Politikerinnen und Politiker bei der Europawahl im Mai – so viel ist bekannt. Was aber nicht alle wissen: Auch normale Bürger können sich um einen Arbeitsplatz in Brüssel bewerben. Ob in Kommission, Parlament, Rat, Gerichtshof oder in den Ausschüssen: Studentin Cornelia Nissen wirbt für eine Karriere im Dienste der Europäischen Union.

Sie brenne für die EU, sagt die 26-Jährige. Und das aus gutem Grund. Cornelia Nissen war schon als Kind von der Idee der Europäischen Union begeistert. Sie wuchs im Norden Deutschlands an der Grenze zu Dänemark auf. Sie erinnert sich noch an die Zeit, in der ihre Eltern bei jedem Grenzübertritt die Pässe zeigen mussten. Erst 2001 fielen im Rahmen des Schengener Abkommens die Grenzkontrollen zu Dänemark weg.

Das Europamotto „In Vielfalt geeint“ passt gut mit Nissens Gefühl von Europa zusammen: Natürlich gebe es zwischen den Menschen in Europa viele Unterschiede, aber für sie persönlich überwögen die gemeinsamen Werte, wie zum Beispiel eine gemeinsame europäische Identität, sagt sie.Nissen absolvierte Schüleraustausche, Auslandspraktika und ein EU-Erasmusjahr in Kopenhagen. „Ich habe jede Möglichkeit genutzt, um ins Ausland zu kommen“, erklärt sie und lacht. So verwundert es nicht, dass Cornelia nicht lange zögerte, als sie von der Ausschreibung des EU Careers Ambassador an der Uni München hörte. Bitte was?

Viele deutsche EU-Beamte gehen bald in Pension

EU Careers Ambassadors sind Studierende aus allen EU-Mitgliedstaaten, die vom Europäischen Amt für Personalauswahl (EPSO) ausgesucht werden, um andere Studierende über Karrieremöglichkeiten in der EU zu informieren. Die Initiative wurde 2010 von EPSO ins Leben gerufen und umfasst 150 Careers Ambassadors von über 100 beteiligten Universitäten. Aus Deutschland sind in diesem Jahr 17 Ambassadors dabei – so viele wie noch nie. Das nötige Werkzeug dazu erhielten sie bei einem Einführungswochenende mit Karrierebotschafterinnen und -botschaftern aus ganz Europa in Brüssel. Seitdem hält Nissen Vorträge, gibt Bewerbungs-Workshops, besucht Berufsmessen, lädt Gastredner aus Brüssel nach München und bespielt die sozialen Netzwerke. Außerdem arbeitet sie eng mit den EU-Kontaktstellen in München zusammen – zum Beispiel mit dem Bürgerinformationszentrum Europe Direct im Gasteig-Kulturzentrum. Zusätzlich gibt es zweimal jährlich Karrierebotschafter-Treffen auf nationaler Ebene.

Ziel des Projekts: „Wir möchten uns dafür einsetzen, dass mehr Deutsche aus allen Fachbereichen bei der EU arbeiten“, erklärt Nissen. Die Antwort überrascht. Schließlich beklagen viele Mitgliedsländer eher eine deutsche Dominanz in Brüssel. „In den höheren Beamtenebenen ist Deutschland gut aufgestellt“, bestätigt die Studentin. Das Problem: Viele davon gingen bald in den Ruhestand. Was ebenfalls viele Jobsuchende nicht wissen, ist, dass die EU neben Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern auch Naturwissenschaftler, Linguisten, Generalisten und Psychologen sucht. EPSO kümmert sich um die Vorauswahl der Kandidaten. Dort werden Wettbewerbe, sogenannte Concours, zur Besetzung von Reservelisten für unbefristete Mitarbeit bei den EU-Institutionen durchgeführt. Diese sind berüchtigt, weil es teilweise mehr als 100 Bewerber für einen Listenplatz gibt. „Der Concours ist schwer, aber man kann ihn schaffen“, motiviert Nissen. Und wenn es nicht klappt, könnten es Bewerber ohne berufliche Nachteile beim nächsten Mal einfach wieder versuchen. „Manche EU-Beamte haben es viele Male probiert, bis es geklappt hat“, sagt sie und lacht. Außerdem gebe es auch Karrieremöglichkeiten abseits der Beamtenlaufbahn. Das Beamtendasein in der EU bedeutet laut Nissen übrigens nicht, ein Leben lang im selben Bereich zu arbeiten. Die EU ermögliche fachliche Wechsel und berufliche Weiterbildungen, die im normalen Berufsleben oft nicht möglich wären.

Die Motivation für ihre Tätigkeit als Karrierebotschafterin ist Nissen anzumerken. „Ich brenne für die EU und dafür, andere Leute an meiner Begeisterung teilhaben zu lassen“, erzählt die 26-Jährige. Obwohl sie sich gerade im letzten Semester ihres Masters für Politikwissenschaft befindet, beim Rachel Carson Center ein Aufbaustudium in Environmental Studies absolviert, Tutorin ist und als Nebenjob noch bei Allianz Investment Management arbeitet, reist sie als Botschafterin bis in die entlegensten Ecken Bayerns. „Wenn man von etwas überzeugt ist, findet man immer die Zeit“, sagt Nissen.

Schon während ihres Bachelors in Köln half sie ehrenamtlich bei der internationalen Studentenorganisation AIESEC im Kernteam. Dort beriet sie Kommilitoninnen und Kommilitonen, die ins Ausland gehen wollten. „Es hat total Spaß gemacht herauszufinden, wo sie hinwollen und wo sie sich bewerben können“, erzählt sie. Sich in Dinge „reinzufuchsen“, wie sie sagt, das gefällt der Wahlmünchnerin. In ihrer Bachelorarbeit ging es um Steuereffizienz.

In eine Partei will sie nicht: Kompromisse wären nötig

„Bei der Europawahl im Mai dürfen nicht nur Kritiker zur Wahl gehen“ Dass bei der Europawahl vom 23. bis 26. Mai wohl so viel Antieuropäer wie noch nie ins EU-Parlament einziehen werden, ärgert Nissen. „Wenn mehr und besonders junge Leute wählen gehen, wäre einem europäischen Rechtsruck wahrscheinlich entgegenzuwirken.“ Bei der letzten Europawahl lag die Wahlbeteiligung europaweit gerade einmal bei 43 Prozent, in Deutschland bei 48 Prozent. Deswegen hat sie sich für die EU-Kampagne „Dieses Mal wähle ich“ registriert. Sie ist nicht parteigebunden, sondern will zum Beispiel mithilfe einer Uni-Tour durch Deutschland zum Wählen motivieren. Wären mehr junge Menschen in Großbritannien zur Wahl gegangen, hätte es den Brexit wahrscheinlich nicht gegeben. Dass es wohl zum Austritt Großbritanniens kommen wird, bedauert Nissen sehr. „Damit bricht ein wichtiger Teil der EU weg, weil das Land kritische und auch mal kontroverse Positionen eingenommen hat.“

Parteipolitisch will sich Nissen nicht engagieren, weil sie an ihren Positionen keine Abstriche machen möchte. „Ich bin lieber mit Leuten im Gespräch.“ Sie freue sich aber, dass München Vorreiter bei proeuropäischen Demonstrationen sei. Könnte sie sich denn selbst vorstellen, nach dem Studium im September für eine Karriere bei der EU nach Brüssel zu ziehen? Selbstverständlich!, sagt sie. „Wenn man in München lebt, liebt man natürlich diese Stadt“, räumt sie ein. „Aber Brüssel hat auch sehr schöne Seiten.“ (David Lohmann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.