Leben in Bayern

Der Januar ist traditionell der ruhigste Monat am Münchner Flughafen. Spätestens im Sommer wird es hier wohl wieder wie vor Corona zugehen. (Fotos: Stumberger)

03.02.2023

Die Ruhe vor dem Ansturm

Der Münchner Flughafen hat sich weitgehend von der Corona-Krise erholt, doch noch immer fehlen Passagiere aus Russland und China – auch der Personalmangel bleibt ein Problem

Ein Freitag Ende Januar. Der Betrieb am Münchner Flughafen ist überschaubar, die Witterung macht keine Probleme. Weder müssen Schneepflüge ausrücken noch Tragflächen enteist werden. Vor den Schaltern der Autovermieter hat sich eine Schlange gebildet, viele Passagiere haben ihre Skiausrüstung dabei. Der Januar ist betriebsmäßig der ruhigste Monat am Flughafen, doch sind es immer noch rund 70 000 Reisende, die an diesem Tag ankommen und abfliegen.

Einer davon ist Michael K. Der 39-Jährige ist auf dem Weg nach Berlin. Des Ehrenamts wegen. Er ist Delegierter bei einem Parteitag. „Ich bin ein Vielflieger“, sagt er, dies ist bereits sein zweiter Flug in diesem Jahr.

Vielflieger, die gab es während der Corona-Zeit kaum. So wie es generell wenige Flüge gab und damit auch wenige Passagiere. Vor dem Ausbruch des Virus nutzten 130 000 Passagiere pro Tag den Münchner Flughafen, „dann waren es am 18. April 2021 nur noch 313 Reisende“, erinnert sich Thomas Kube. Er leitet am Flughafen die Abteilung Verkehrsentwicklung.

Und wie hat sich der Verkehr nun nach Corona entwickelt? „Wir haben uns zu 75 Prozent erholt“, so Kubes Antwort. In Zahlen ausgedrückt zeigt sich das so: Vor Corona, im Jahr 2019, wurden am Flughafen 48 Millionen Fluggäste gezählt. Diese Zahl sank dann im Jahr darauf auf elf Millionen ab, 2021 waren es nur wenig mehr. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl wieder kräftig an, auf 31,6 Millionen. Dieses Jahr rechnet man wieder mit starken Zuwächsen.

Der Flughafen als Geschäftsbetrieb ist eine vielschichtige Angelegenheit. Schon allein bei den Eigentümern: Der Freistaat Bayern hält mit 51 Prozent den Löwenanteil der Eigentumstitel, gefolgt vom Bund (26 Prozent) und der Stadt München (23 Prozent). Der Flughafen – das sind zwei Landebahnen und das Gebäude des Terminals. Geld wird hier verdient mit Landerechten für Fluggesellschaften und den sogenannten „Slots“ – den Zeitfenstern für Start und Landung.

Zum Beispiel für die Fluggesellschaft EVA Air, die jüngst zu den am Flughafen angesiedelten rund 90 Fluggesellschaften dazugestoßen ist. Das Unternehmen mit seinen 87 Flugzeugen ist in Taiwan beheimatet und bietet von München aus Flugverbindungen zu verschiedenen Zielen in Asien an. Insgesamt ließen sich 2021 vom Münchner Flughafen aus 210 Destinationen ansteuern.

Größter Player und größter Kunde des Flughafens aber ist natürlich die Lufthansa. „Wir haben inzwischen 85 Prozent des Flugangebots vor Corona erreicht“, so Lufthansa-Sprecherin Bettina Rittberger. Die Flughafen München GmbH und Lufthansa bekräftigten jüngst ihre bestehende strategische Partnerschaft. Beide Unternehmen unterzeichneten eine Absichtserklärung, die vor allem die nachhaltige Weiterentwicklung des Luftverkehrsdrehkreuzes München intensivieren und langfristig fortschreiben soll.

Und was ist dran an Gerüchten, wonach Lufthansa den Firmensitz von Frankfurt nach München verlegen will? „Es ist richtig, dass es Überlegungen hinsichtlich des juristischen Sitzes der Deutschen Lufthansa AG gibt. Diese Überlegungen sind in einem sehr frühen Stadium“, so die Sprecherin. Weder sei eine Vorentscheidung, geschweige denn eine Entscheidung für den zukünftigen juristischen Sitz der Gesellschaft gefallen. Auch bei der kommenden Hauptversammlung am 9. Mai in München werde es dazu weder einen Tagesordnungspunkt noch eine Entscheidung geben.

Einzigartig ist übrigens, dass das Terminal 2 gemeinsam von der Lufthansa und der Flughafen GmbH geplant und gebaut wurde und nun betrieben wird, dazu wurde eine eigene Betriebsgesellschaft gegründet. Wer dieses Terminal betritt, kann noch immer die großflächige Werbung der Luftlinie aus der Zeit der Fußballweltmeisterschaft sehen. Der Münchner Airport gilt für die Lufthansa übrigens als „Premium-Flughafen“, so jedenfalls das Urteil der Fluggäste. „Premium“ beziehe sich auf den „Wohlfühlcharakter“, sagt Bettina Rittberger: „Die Fluggäste fliegen gerne über München.“

Geld verdient der Flughafen neben den Einnahmen aus dem Flugverkehr aber auch mit seinen eigenen Läden und den vermieteten Verkaufsflächen oder den Parkplätzen. Denn „nur vom Flugverkehr alleine kann man nicht leben“, so das Fazit von Thomas Kube. Vor Corona betrug dieser Anteil am Geschäft 45 Prozent. Auch die Brezen und der Leberkäse, die an den Holztischen des Airbräu verzehrt werden, tragen dazu bei. Oder „Schloss Neuschwanstein“ und „Schloss Linderhof“. Hinter den Namen verbergen sich VipSuites, die man privat mieten kann, um sich vor oder nach dem Flug zu entspannen, mit extra Bad und Arbeitsbereich. Die ersten drei Stunden kosten 457,98 Euro, jede weitere Stunde 121,85 Euro.

Umsatz wieder bei über 1 Milliarde Euro

2019 belief sich der Umsatz des Münchner Flughafens auf knapp 1,6 Milliarden Euro, um dann 2021 auf knapp 0,6 Milliarden abzurutschen. Heuer rechnet man wieder mit einem Umsatz von über 1 Milliarde Euro. Das Corona-Tief hat die Flughafen GmbH mithilfe von Krediten überwunden. Und Thomas Kube berichtet stolz, man habe „keinen Euro Staatsgelder“ in Anspruch genommen.

Nach der Corona-Krise kam sofort der Krieg in der Ukraine, und auch der hat seine Spuren in der Bilanz hinterlassen: Der Flugverkehr mit Russland und der Ukraine ist ausgesetzt. Damit fehlen auch die russischen Fluggäste, und das macht sich vor allem im Non-Aviation-Bereich, sprich in den luxuriösen Läden am Flughafen, bemerkbar: „Das merkt man schon“, so Abteilungsleiter Kube. „Auch die Chinesen fehlen uns.“ Denn die durften bis vor Kurzem wegen der Corona-Maßnahmen in China nicht ausreisen. Insgesamt bedeutete das eine sechsstellige Zahl weniger an Fluggästen.

Wer am Flughafen die freie Fläche hinüber zum Terminal 2 passiert und an dem Würstelstand mit der Form eines Flugzeugs vorbeigeht, stößt auf eine Anzeigentafel des Flughafens: „M steht für Mitarbeitende“, ist da zu lesen, und: „Kolleg*innen für das Vorfeld und Terminal gesucht.“ 8700 Mitarbeiter*innen beschäftigt die Flughafen GmbH derzeit, das sind 1300 weniger als vor Corona in 2019. 70 Prozent davon waren in der Gastronomie beschäftigt. Aber „wir mussten keine Leute entlassen“, berichtet Kube, der Schwund ergab sich durch normale Fluktuation oder etwa Vorruhestand.

Unweigerlich denkt man an das Chaos am Flughafen vor Weihnachten, als sich die herrenlosen Koffer nur so stapelten, weil das vorhandene Personal der Bodenabfertiger angesichts des gewaltigen Andrangs nicht mehr mit dem Be- und Entladen hinterherkam. 

Das soll sich nicht wiederholen. Der Flughafen sucht neue Kräfte, aber wie in vielen Branchen ist das mittlerweile schwierig geworden. Die Schichtarbeit und die lange Anfahrt zum Flughafen gehören zu den Nachteilen des Standorts für Beschäftigte. Gesucht werden Kräfte für die Technik, die IT und auch den Sicherheitsbereich. Dort sind die Mitarbeitenden für die Zugangskontrollen der Beschäftigten zuständig und für die Bewachung der Flugzeuge. Auch die Lufthansa sucht neue Kräfte für das Terminal 2 und den Flugbetrieb. Mit 11 000 Beschäftigten ist die Fluglinie der größte Arbeitgeber am Platze. 

Um die Sicherheit am Flughafen wiederum kümmern sich die rund 1500 Beamt*innen der Bundespolizei. Sie sind für die Sicherung der Grenze und die Passkontrollen zuständig. Wer durch den Flughafen geht, begegnet allenthalben den Uniformierten, die zu zweit als Streife unterwegs sind.

Klar, dass es in Corona-Zeiten weniger zu kontrollieren gab, sagt Polizeisprecher Stefan Bayer. Im ersten Monat des neuen Jahres habe es bisher keine außergewöhnlichen Ereignisse gegeben, so sein Fazit. Was freilich immer wieder vorkomme, seien Passfälschungen. Und ja, auch Abschiebungen habe es in diesem Jahr bereits gegeben. In München wie auch an allen anderen deutschen Flughäfen ist die Bundespolizei für den Grenzschutz zuständig. In Memmingen und Nürnberg allerdings übernimmt diese Aufgabe die Bayerische Grenzpolizei, die von der Staatsregierung als Folge der Flüchtlingskrise von 2015 ins Leben gerufen wurde.

Vor dem Schalter des Autoverleihers steht Annemarie B. mit ihrem Gepäck und wartet auf ihre Freunde. Sie sind gerade mit dem Flugzeug aus Berlin gekommen und wollen nach Kitzbühel. Nicht zum Skifahren, sondern wegen eines Geburtstags. „Super organisiert“, sagt Annemarie, der Flughafen gefalle ihr sehr gut, die Polizei sei präsent und überall gebe es Ansprechpartner. „Wir kommen gerne nach München“, so ihr Fazit. (Rudolf Stumberger)
 

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