Der Fichtenschädling sorgt angesichts der trockenen Hitze für Katastrophen-Stimmung in Bayerns Wäldern. Bereits in den vergangenen beiden Jahren wütete der Borkenkäfer. 2017 war mit 3,5 Millionen Festmeter Schadholz und einem wirtschaftlichen Ausfall von 100 Millionen Euro eines der verlustreichsten Jahre der Nachkriegszeit. Dieses Jahr könnte es aber noch schlimmer kommen.
Gabriele Hackner geht jeden Tag in ihren Wald, begleitet von einem unguten Gefühl. Ihr Blick geht hinauf zu den Kronen der Fichten, dann den Stamm hinab bis zum Boden. Mehr als 100 Jahre alt sind die Fichten, die hier stehen. Es sind große, starke Bäume. „Und so ein kleiner Käfer macht alles kaputt.“ Die 49-Jährige seufzt, zückt ihre Spraydose und malt einen Ring um den Stamm. Sie hat an der Fichte Bohrmehl entdeckt. „Da ist der Käfer drin“, sagt sie.
Dies Fichte ist nicht mehr zu retten und muss so schnell wie möglich raus aus dem Wald. „Es tut mir im Herzen weh, wenn ich meinen Wald so sterben sehe“, sagt die Waldbesitzerin aus dem Landkreis Eichstätt. Hackner hat vor rund zwei Jahrzehnten den 20-Hektar-Forst übernommen, der seit vielen Generationen im Besitz der Familie ist. Damals, sagt sie, hätten sie noch gezielt Bäume entnommen, um eine natürliche Verjüngung zu erreichen. Heute aber sei alles anders. „Der Borkenkäfer bestimmt, welche Bäume wir schlagen.“
Im Jahr 2018 sorgt der Fichtenschädling für Katastrophen-Stimmung in Bayerns Wäldern. Bereits in den vergangenen beiden Jahren wütete der Käfer, 2017 war mit 3,5 Millionen Festmeter Schadholz und einem wirtschaftlichen Ausfall von 100 Millionen Euro eines der verlustreichsten Jahre der Nachkriegszeit. Dieses Jahr könnte es noch schlimmer kommen.
„Die Schäden durch den Borkenkäfer werden mindestens das Ausmaß des vergangenen Jahres erreichen“, sagt Ralf Petercord, Chef der Abteilung Waldschutz in der Landesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (LWF) und damit Bayerns oberster Borkenkäfer-Experte. Christian Kaul vom bayerischen Waldbesitzerverband sagt sogar: „Dieses Jahr wird einfach nur brutal.“ Besonders betroffen sind bereits Anfang Juli Niederbayern, Teile Oberbayerns, der Oberpfalz und Mittelfrankens. Ein Drittel Bayerns ist da auf der Risikokarte des LWF schon alarmrot eingefärbt. Dazu gehört auch die Region am Ammersee. Olivia Tietz-Pourroy, die dort 40 Hektar Wald bewirtschaftet, ist angespannt. „Ich hoffe, dass es nicht so heftig wird wie im vergangenen Jahr“, sagt sie. Groß ist die Hoffnung aber nicht.
Warm und trocken: ideale Bedingungen für den Käfer
Es sind mehrere Faktoren dafür verantwortlich, dass sich vor allem der Buchdrucker so ausbreiten konnte. Bereits in den Vorjahren hat er sich in Bayerns Wäldern stark vermehrt. „Infolge der Klimaerwärmung war es zu warm und zu trocken“, erklärt Martin Mall von der Waldbesitzervereinigung Landsberg am Lech. „Das sind für den Borkenkäfer ideale Bedingungen.“ Dazu kommen die großen Sturmschäden der vergangenen Jahre. Umgefallene Bäume sind ein Brutparadies für Borkenkäfer. Es gibt kein Insektizid, das eine befallene Fichte retten könnte. Natürliche Feinde wie Vögel oder Schlupfwespe können die hohe Population des Schädlings nicht wirksam reduzieren.
„Große Sorge bereitet mir vor allem die sehr hohe Populationsdichte der Käfer“, sagt Kaul. Festzumachen ist diese an den rund 400 Pheromonfallen, die in Bayern als Kontrollnetz installiert sind. Finden die Forscher 3000 Käfer pro Falle und Woche, sprechen sie bereits von einer großen Gefahr. In diesem Jahr zählen die Experten mancherorts bis zu 15 000 Käfer.
Eine gesunde Fichte kann sich einiger weniger Käfer durch Harzabsonderungen erwehren. Doch schon 200 Käfer reichen aus, um den Baum zu zerstören. Die Käfer unterbrechen den Saftstrom zwischen Wurzel und Krone. Der Baum verhungert.
Der Borkenkäfer ist kein rein bayerisches Problem. Aber die Auswirkungen sind im Freistaat am größten, da Bayerns Wälder mit Abstand den höchsten Fichtenanteil Deutschlands aufweisen. 37
Prozent der deutschen Fichtenfläche finden sich in Bayern. Für Bayern heißt das: 41,8 Prozent aller Bäume sind Fichten, und viele davon stehen in sogenannten Fichtenreinbeständen. In diesen Monokulturen hat der Schädling besonders leichtes Spiel.
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) hat die Waldbesitzer eindringlich dazu aufgerufen, eine „saubere Waldwirtschaft“ zu betreiben. Also befallene Fichten möglichst rasch aus dem Wald zu entfernen, um die anderen Fichten zu schützen. Außerdem stellte die Ministerin ein Zehn-Punkte-Programm vor, um Bayerns Waldbauern unter die Arme zu greifen. Das Paket beinhaltet finanzielle Förderungen, Fachberatung und organisatorische Unterstützung.
Diskutiert wird im Ministerium auch die 44-Tonnen-Regelung. Ausnahmsweise vier Tonnen mehr sollen Lastwagen aufladen dürfen, um Käferholz zu einem Holzwerk zu bringen. „Schon jetzt haben wir einen richtigen Holzstau im Wald und an den Lagerplätzen, weil die Transportkapazitäten nicht ausreichen“, sagt Petercord. „Unser Lagerplatz ist voll“, sagt auch Waldbesitzerin Hackner. Der Preis für Käferholz ist etwa um ein Drittel geringer als für gesundes Holz.
Die Fichte ist in der Waldwirtschaft beliebt, sie gilt als „Brotbaum“ der Forst- und Waldwirtschaft. Kein anderer Baum ist so genügsam, kein anderer so universell einsetzbar, sei es in der Bauindustrie, der Schreinerei, der Zellstoffherstellung oder als Brennmaterial. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die in höheren Lagen heimische Fichte massiv angepflanzt, vor allem in Tieflagen. Die Wälder waren damals abgeholzt und ausgebeutet. Mit der Fichte waren sie jedoch rasch wieder aufgeforstet. Bereits um 1900 war die Fichtenfläche in Bayern beinahe so groß wie heute.
Die einzige Lösung: zurück zum Mischwald
Noch ist die Fichte der Baum fürs Tagesgeschäft, aber der Baum für die Zukunft ist sie nicht mehr. Diese Erkenntnis setzt sich in der Forst- und Waldwirtschaft allmählich durch. „Die einzige Lösung für die Waldwirtschaft ist der Waldumbau“, sagt Petercord. „Wir müssen zurück zum naturnahen Mischwald, mit klimaresistenten Baumarten.“ Wie etwa die Douglasie. Sie wächst sogar noch schneller als die Fichte. Oder aber die Weißtanne, die sich bereits in einem Fichtenwald gut anpflanzen lasse, weil sie auch im Schatten gedeihe.
Olivia Tietz-Pourroy vom Ammersee hat mit dem Waldumbau bereits begonnen. Auf den Fichtenflächen, die Stürme und Borkenkäfer verwüstet haben, hat sie Eiche, Buche, Weißtanne und Ahorn angepflanzt. Und auch Waldbesitzerin Gabriele Hackner verabschiedet sich mehr und mehr von der Fichte. Zwar darf sich der Baum in ihrem Wald noch natürlich vermehren, aber sie pflanzt ihn nicht mehr an. Wenn auch schweren Herzens.
Noch bis zum September geht die Käfersaison. Am Ende, glaubt Petercord, werden zwei Drittel Bayerns auf der Risikokarte rot gezeichnet sein. „Mindestens.“ Das Einzige, was den Käfer jetzt noch stoppen könnte, wäre das Wetter. „Ein Sommer mit 15 Grad und Dauerregen, das würde helfen.“ Stattdessen: Hitze.
(Beatrice Ossberger)
Foto (dpa): Der Übeltäter. Ein Borkenkäfer.
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!