Leben in Bayern

Für sie ist schon Ostern: die Damen vom Brauchtumsverein Club 22. (Foto: dpa)

24.03.2017

Ein ganzes Dorf im Eier-Fieber

Sie pinseln, lackieren, kleben, hämmern und binden Tannenzweige zu Girlanden: Im oberfränkischen Bieberbach sind die Osterbrunnen-Bastler wieder in Aktion

Mehr als 10 000 Eier schmücken jedes Jahr den Osterbrunnen in Bieberbach in der Fränkischen Schweiz. In dem kleinen Ort ist in gewisser Weise das ganze Jahr über Ostern. Schon im Herbst fangen viele Familien an, Eier auszublasen und zu sammeln. Die eigentliche Bastelarbeit beginnt im März. An Palmsonntag soll das österliche Kunstwerk fertig sein. „Hier helfen alle zusammen. Anders ginge es gar nicht“, sagt Barbara Pickelmann. Sie ist Vorsitzende des Brauchtumsvereins „Club 22“ und hat die Fäden in der Hand.

Auf dem Basteltisch herrscht kreatives Chaos. Knapp ein Dutzend Frauen hat sich zum Verzieren der Eier getroffen. Vor ihnen stapeln sich Paletten mit unbemalten und bemalten Eiern, dazwischen stehen Farbflaschen und in der Mitte ein Styroporblock. Hier stecken die Frauen die frisch bemalten Eier zum Trocknen auf dünne Holzspieße. Es herrscht geschäftige Stille. „Ich kann nicht reden beim Malen“, sagt Betty Seitz, und die anderen Damen pflichten ihr lachend bei. Sie müssten sich schließlich konzentrieren.

Mit ruhiger Hand tupft Seitz Pünktchen und Striche in Rot und Weiß auf das gelb grundierte Ei. Den Osterbrunnen in Bieberbach gibt es seit mehr als 35 Jahren, und die Rentnerin ist seit Anfang an dabei. Ebenso Berta Hartmann: „Mitmachen gehört einfach dazu“, sagt sie. „Das kann man nur gemeinsam schaffen.“ Sie hat ein grün gefärbtes Ei in der Hand und schiebt vorsichtig einen Strohhalm hindurch. Dann schneidet sie das Plastik-röhrchen mit der Schere vorne und hinten ab und tupft mit der Heißklebepistole einen Tropfen Kleber neben die beiden Löcher im Ei – damit der Strohhalm nicht herausrutscht. Später wird Draht hindurch gefädelt.

Die fränkischen Damen haben viel Spaß am gemeinsamen Basteln. Zur Stärkung gibt es Kaffee, Bienenstich, Hefezopf und – natürlich – Schoko-Ostereier. „Hier macht eigentlich jeder alles“, sagt Mitstreiterin Elfriede Lengenfelder. „Eben das, wo er gerade gebraucht wird.“

Zwei Mal haben es die Bieberbacher mit ihrem Osterbrunnen in das Guinnessbuch der Rekorde geschafft

Seit Anfang März treffen sich die Helfer jeden Nachmittag. Jeder komme so oft oder lange, wie er Zeit und Lust hat, sagt Pickelmann. „Das sind sechs Wochen, in denen man sich jeden Tag sieht. Das schweißt zusammen.“ Der Osterbrunnen sei Teil des Dorflebens, hier würden über Generationen hinweg alle einbezogen. Den Arbeitsraum hat ein Handwerksbetrieb zur Verfügung gestellt. Auf dem überdachten Stellplatz vor dem Haus sind einige Helfer am Werkeln. Sie binden aus Tannengrün die Girlanden, an denen die Eier befestigt werden.

„Es gibt einen richtigen Bauplan“, sagt Pickelmann. Seit 2005 steht sie dem Verein vor und kennt jedes noch so kleine Detail des Osterbrunnens. Nach einem genauen Schema werden die Girlanden – insgesamt 200 Meter – miteinander befestigt und über dem Brunnen, der eigentlich ein Löschteich ist, angebracht. Bei den Farben der Eier und auch beim Brunnenaufbau sorgt Pickelmann gerne für Variationen, damit der Brunnen nicht immer gleich aussieht.

Nicht alle 10 000 Eier müssen jedes Jahr neu gemacht werden. Sie werden eingelagert. Jedoch gehen immer wieder Eier zu Bruch, sodass jedes Jahr 1000 bis 3000 neue Eier benötigt werden. Große Pannen habe es im Laufe der Jahre nicht gegeben, sagt Pickelmann. Einmal sei es zu Ostern so frostig gewesen, dass Eis viele Eier habe bersten lassen. „Und einmal haben Mäuse Tausende der eingelagerten Eier gefressen.“ Plastikeier zu verwenden komme jedoch nicht infrage. „Die haben keine natürliche Form, und man kann sie nicht so gut bemalen.“

Eine Woche vor dem Palmsonntag werden die Einzelteile zum Löschteich gefahren und das Kunstwerk aufgestellt. Da kommt meist das ganze Dorf zusammen. „Wenn alles steht, gibt es eine Brotzeit.“ Finanziert wird das alljährliche Projekt aus der Vereinskasse sowie über Spenden. Dazu kommen die unzähligen Arbeitsstunden der freiwilligen Helfer. „Den Brunnen könnte man sonst nie bezahlen.“

Zwei Mal haben es die Bieberbacher mit ihrem Osterbrunnen in das Guinnessbuch der Rekorde geschafft – und viele andere Orte zum Nachahmen inspiriert. Immer wieder bekomme sie Anrufe von Interessenten, die wissen wollen, wie der Brunnen aufgebaut ist und welche Materialien sie verwenden, berichtet Pickelmann. Brauchtumspflege liegt ihr am Herzen. „Und wenn andere das übernehmen, ist das keine Konkurrenz, sondern ein Kompliment.“ (Ute Wessels, dpa)

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